Peter Bauer, Peter Schlapp - Frankfurt / Main, TheaterGrueneSosse
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Köln, Budapest, Fellbach, <strong>Frankfurt</strong>, Marburg, Duisburg, Wolfsburg, Brackenheim, Schwaigern,<br />
Der Anfang eines Frühlings während des<br />
Wintermärchens<br />
Wir sitzen auf einer Holzbank in einer kleinen Küche<br />
und ich beuge mich über einen winzigen Papierstreifen,<br />
der eine wichtige Botschaft verbirgt. Es ist noch zu<br />
früh. Wir müssen ein paar Minuten warten. Wir<br />
trinken Wasser. Ich rauche – gegen besseres Wissen<br />
– eine Zigarette.<br />
Ich bin mit meinem Freund Paul in der Wohnung von<br />
Sigi.<br />
Der Wohnungsinhaber selber ist nicht da. Er hat vor<br />
ein paar Monaten sein Herz an eine gewisse Doro<br />
verloren – eine tolle Frau, von der ich hoffe, dass sie<br />
ihm viel Licht und frischen Wind bringen wird. Sigi<br />
kommt heute Abend wahrscheinlich nicht nach Hause.<br />
Gut!<br />
Eine Minute verstreicht. Es ist eine gemütliche<br />
Wohnung. Ich habe ein phantasieloses Zimmer, in<br />
dem ich mich richtig wohl fühle, und Sigi ist ein guter<br />
Mitbewohner. Ich erzähle Paul von dem Eurodeutsch,<br />
dass ich – trotz meiner leidenschaftlichen Versuche,<br />
gut Deutsch zu sprechen - jeden Tag aufs Neue erfi nde.<br />
Sigi schreibt meine Kapriolen und Versprecher in ein<br />
Büchlein. Es würde mich nicht wundern, wenn es<br />
anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Deutsch-<br />
Niederländischen Jugendtheater Freundschaft<br />
gedruckt erscheint! Das Buch sollte unbedingt<br />
„Rahmenbeschützung“ heißen. (Mein Versuch, das<br />
Wort Gardine zu beschreiben.)<br />
Wieder verstreicht eine Minute. Ich erzähle Paul über<br />
die Proben zu Wintermärchen. Wir proben seit drei<br />
Wochen. Die Arbeit macht Spaß und ich fange an, ein<br />
gutes Bild von Willy, Sigi und Detlef zu bekommen.<br />
Aber ich mache mir auch Sorgen. Ist der Text jetzt<br />
gut oder ist er immer noch zu oberfl ächlich? Bin ich<br />
zu nachlässig, was Bühnenbild und Musik betrifft?<br />
Gehe ich auf die richtige Art mit meinen beiden<br />
Schauspielerinnen um? Ich frage mich, ob ich nicht<br />
viel zu besessen Theater machen will und dadurch die<br />
Leichtigkeit aus dem Auge verliere. Später wird man<br />
sagen: „Ja, ja Silvia. Pass auf! Wir kennen das. Du bist<br />
immer auf der Suche nach dem großen Drama auf der<br />
Bühne.“<br />
Wahrscheinlich stimmt das. An diesem Abend ganz<br />
sicher, obwohl es diesmal nicht um ein Schauspiel<br />
geht und jetzt allem Anschein nach ein großes Drama<br />
in meinem Privatleben seinen Lauf nehmen wird.<br />
Die Minuten sind nun verstrichen, es ist soweit. Wir<br />
schauen, erschrecken, lesen die Gebrauchsanweisung<br />
noch einmal. Oh mein Gott, wir sind schwanger. Wir<br />
sind glücklich.<br />
Da, in der kleinen Küche in <strong>Frankfurt</strong>, weit weg<br />
von Amsterdam, fängt etwas ganz Neues an für<br />
mich, für uns. Als der werdende Papa Paul ein paar<br />
Tage später wieder in die Niederlande zurückkehrt,<br />
tausche ich ihn für drei „Papas mit Erfahrung“ ein.<br />
Ich darf nichts mehr heben, muss mich vorsehen beim<br />
Treppenlaufen, gesunde Säfte werden für mich geholt,<br />
Vitamine, Folsäure. Ja, sie waren ach so lieb und ach<br />
so fürsorglich damals … und sie wären es wieder.<br />
Ich habe nicht die leiseste Ahnung, ob meine<br />
Schwangerschaft einen positiven oder negativen<br />
Einfl uss auf die Vorstellung oder unsere<br />
Zusammenarbeit hatte. Aber ganz gewiss werde ich<br />
immer mit viel Liebe an „die 3 Männer“ denken.<br />
Mike ist jetzt achteinhalb. Ich würde ihn gern mal<br />
mitnehmen zur Gruenen Sosse. Und dann werde<br />
ich sagen: „Schau mal Mike, das sind die Leute,<br />
wegen denen Mama so gern zu der Gruppe mit dem<br />
komischen Namen will. Es sind ganz besondere<br />
Leute, musst du wissen. Aber das wirst du schon selbst<br />
schnell genug merken.“<br />
Dag dag lieve mannen,<br />
Silvia Andringa.