Peter Bauer, Peter Schlapp - Frankfurt / Main, TheaterGrueneSosse
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Sarajevo<br />
Tagebuch der Sarajevo Reise<br />
09.11.1995<br />
Die Entscheidung zur Fahrt nach Sarajewo wird getroffen.<br />
Das Goethe-Institut übernimmt die Fahrtkosten, die EU-Administration<br />
in Mostar sagt Hilfe zu.<br />
11.11.<br />
Abfahrt in <strong>Frankfurt</strong> am <strong>Main</strong> gegen 16 Uhr. Wir kommen<br />
problemlos voran und entscheiden uns von Österreich aus über<br />
Triest/Italien nach Slowenien einzureisen. Wir haben keinerlei<br />
Zoll-Papiere und befürchten Probleme.<br />
12.11.<br />
Morgenstund` hat Gold im Mund! Früh sind wir auf der Piste<br />
und nehmen in Italien einen Cappuchino, der eben hier schmeckt<br />
wie nirgendwo sonst.<br />
Der slowenische Zöllner will nicht einmal in unser Auto hineinschauen;<br />
lediglich die vergessene „Grüne Karte“ muß noch<br />
erworben werden.<br />
Nach kurzer Fahrt durch die slowenische Hügellandschaft erreichen<br />
wir die kroatische Grenze, wo pfl ichtbewußte Beamte eine<br />
Zoll-Erklärung verlangen. Als sie diese nicht erhalten, inspizieren<br />
sie zu zweit den Inhalt unseres Fahrzeuges, erfahren, daß dies<br />
Theater-Ausrüstung<br />
ist und werden sehr freundlich. Wir dürfen einreisen.<br />
Gegen Mittag erreichen wir Rijeka, und da die Fähre nach Split<br />
erst abends fährt, nehmen wir den Landweg. Wegen der schlechten<br />
Straßenverhältnisse, teilweise durch Kriegszerstörungen,<br />
benötigen wir für die 380 km etwa 7 h.<br />
Wir werden haüfi g kontrolliert, erleben aber immer bei Soldaten<br />
und Polizisten die Wandlung eines misstrauischen oder missmutigen<br />
Gesichtes in ein freundliches, wenn wir unser Zauberwort<br />
„Pozoriste“, Theater nennen und sagen, daß wir in Sarajewo spielen<br />
wollen.<br />
Wir übernachten in Split im Park-Hotel, Palmen vor den Fenstern<br />
und Promenade um die Ecke.<br />
Bei einer großen Fischplatte und einer Flasche guten dalmatinischen<br />
Rotweins beschließen wir den Abend mit gemischten<br />
Gefühlen.<br />
13.11.<br />
Das Frühstücks-Buffet mit dem Charme einer Kolchose erinnert<br />
uns an vergangene Zeiten.<br />
An der Grenze zur kroatisch-bosnischen Föderation ergeht es uns<br />
wie an allen anderen Kontrollstellen: Problemlose Durchfahrt.<br />
Der Krieg wird jetzt sichtbar; die Zerstörungen nehmen zu, die<br />
Armut auch und überall warten die Menschen auf Mitfahrgelegenheiten.<br />
Gegen 10 Uhr erreichen wir Mostar und der Grenzposten versi-<br />
chert uns, der Weg nach Sarajewo sei frei.<br />
So lassen wir die EU-Administration und den kroatischen Teil<br />
Mostars links liegen und fahren durch die UNO-Kontrolle nach<br />
Bosnien-Herzegowina ein, nicht ohne vorher noch eine „Grüne<br />
Karte“ erworben zu haben.<br />
Überall sind UNO-Trupps bei der Ausbesserung der, oft erheblich<br />
zerstörten Strassen und Brücken.<br />
Zahlreiche Kontrollen verlaufen in oben beschriebener Weise und<br />
um die Mittagszeit erreichen wir den Berg Igman; jenseits des<br />
Höhenzuges liegt Sarajewo.<br />
Vorerst scheint die Fahrt hier zu Ende: Die Straße wird ausgebessert,<br />
große Fahrzeuge können nicht passieren.<br />
Während einer Unterhaltung mit einem wartenden Soldaten wandern<br />
unsere Pässe, sowie die Einladung des Kulturministeriums in<br />
die Kommandantur und nach 10 Minuten fahren wir bergwärts.<br />
Der freundliche Soldat fährt mit uns und steigt an einem Kontrollposten<br />
im Wald, nahe der Olympia-Schanze aus.<br />
Der ehemalige Waldweg, während des Krieges die einzige „ sichere“<br />
Verbindung nach Sarajevo, ist zu einer halbwegs befahrbaren<br />
Piste ausgebaut und noch vereist.<br />
Im Schrittempo und mit härtesten Erschütterungen kommen wir<br />
bis zu einer Stelle im Wald, wo bosnisches Militär eine Schafherde<br />
aus einem LKW auslädt; wir nutzen die unfreiwillige Pause, um<br />
uns in unserer Bordküche einen Espresso zu kochen.<br />
Nach 3 Stunden Fahrt, vorbei an zerschossenen Autowracks, liegt<br />
Sarajewo vor uns im Tal, in Nebelschwaden eingehüllt und so<br />
ruhig, als wäre nie Krieg gewesen.<br />
Am UN-Kontrollpunkt zur Überquerung des Flughafen-Korridors<br />
rauchen wir mit dem französischen Verbindungsoffi zier eine<br />
Gauloise und kurz danach fahren wir auf der, uns aus dem Fern-<br />
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