Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

otto.schmidt.de
von otto.schmidt.de Mehr von diesem Publisher
28.11.2012 Aufrufe

295 296 297 298 §52 Aufsichtsrat weisen. Indessen bestehen keine Bedenken bei der GmbH, anders als bei der AG, den Gesellschaftern weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten in der Satzung zuzugestehen. Sie können die Abberufungsbefugnis einer Minderheit gewähren 1 oder die Abberufung vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig machen 2 . bbb) Nicht vorgesehen ist die Abberufung der Arbeitnehmervertreter durch die Gesellschafterversammlung. Ist der Aufsichtsrat nach DrittelbG zusammengesetzt, so gibt es nur zwei Möglichkeiten der Abberufung. § 1 Abs. Satz 1 Nr. 3 DrittelbG i.V.m. § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG sieht die Abberufung durch Gericht bei wichtigem Grund vor. Wichtiger Grund ist etwa der Aufruf eines Arbeitnehmervertreters zum Streik, dessen Planung und Organisation 3 ; denn als Mitglied des Aufsichtsrats muss sich der Arbeitnehmervertreter zurückhalten. Möglich ist auch die Abberufung auf Antrag eines Betriebsrats oder von mindestens einem Fünftel der Wahlberechtigten durch Beschluss der wahlberechtigten Arbeitnehmer, § 12 DrittelbG 4 . Antragsberechtigt ist auch der Gesamtbetriebsrat. Zur Abberufung erforderlich ist eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen, § 12 Abs. 1 Satz 2 DrittelbG. Eines wichtigen Grundes bedarf es hierzu nicht. Eine Abberufung durch die Gesellschafterversammlung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Doch kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes das Arbeitsverhältnis gekündigt werden, womit bei einem Arbeitnehmervertreter zugleich nachträglich eine Wählbarkeitsvoraussetzung entfallen und er damit sein Amt verlieren kann (s. Rdnr. 288). Ist der Aufsichtsrat nach MitbestG zu bilden, so enthält § 23 MitbestG ein gesondertes Abberufungsverfahren für die Arbeitnehmervertreter. Die Anforderungen für die Antragsberechtigung gehen weit über die Anforderungen für die Abberufung der Arbeitnehmervertreter nach DrittelbG hinaus, § 23 Abs. 1 Satz 2 MitbestG. Verlangt wird auch hier eine Dreiviertelmehrheit des zuständigen Wahlkörpers, § 22 Abs. 2 und 3 MitbestG. ccc) Anders als beim fakultativen Aufsichtsrat (s. Rdnr. 292), findet beim mitbestimmten Aufsichtsrat sowohl für die Anteilseignervertreter als auch für die Arbeitnehmervertreter das gerichtliche Abberufungsverfahren aus wichtigem Grund gemäß § 103 Abs. 3 und 4 AktG Anwendung 5 . Der Abberufungsantrag bedarf eines Aufsichtsratsbeschlusses mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei dem betroffenen Mitglied kein Stimmrecht zukommt 6 . Zu- 1 A.A. für AG: Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 107 Rdnr. 14. 2 A.A. für die AG: Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 103 Rdnr. 15. 3 Rudzik, NZG 2004, 459. 4 Die Einzelheiten des Verfahrens sind in §§ 32 ff. Wahlordnung zum DrittelbG geregelt. 5 LG Frankfurt, NJW 1987, 505; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 265, 178. 6 Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 103 Rdnr. 30; Raiser, § 6 MitbestG Rdnr. 36; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rdnr. 70; a.A.: Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 103 Rdnr. 49; s. auch entsprechend Karsten Schmidt bei § 47 Rdnr. 141. 3096 | Uwe H. Schneider

Aufsichtsrat §52 ständig ist das Amtsgericht im FG-Verfahren (§§ 145 Abs. 1 FGG, 14 AktG, 17 Nr. 2a RpflG) 1 . Das gerichtliche Abberufungsverfahren hat jedoch eine andere Funktion als ursprünglich bei der Aktiengesellschaft. Aus der Entstehungsgeschichte des § 103 Abs. 3 AktG 2 wurde abgeleitet, dass der Begriff des wichtigen Grundes in der Person des Aufsichtsratsmitglieds eng zu fassen sei 3 . § 103 Abs. 3 AktG war im Blick auf die nur im zeitlichen Abstand tagende Hauptversammlung als ultima ratio zur Lückenfüllung im Abberufungsverfahren hinsichtlich untragbar gewordener Aufsichtsratsmitglieder entstanden. Bei der GmbH ist es demgegenüber in aller Regel nicht schwierig, die Gesellschafterversammlung zusammenzuführen. Sie ist jedoch bei der mitbestimmten Gesellschaft u.U. nicht zuständig. Auf der anderen Seite hat das Wahlorgan der Arbeitnehmervertreter kein Abberufungsrecht im Verhältnis zu den Anteilseignervertretern. Diese Lücke schließt das gerichtliche Abberufungsverfahren, wobei jedoch nur der Aufsichtsrat selbst antragsbefugt ist. Während jedoch bei der Aktiengesellschaft nur die zeitliche Lücke bis zur nächsten Hauptversammlung zu schließen war, geht es hier um die gesamte restliche Amtszeit. Die Anforderungen an den „wichtigen Grund“ dürfen aus diesem Grund nicht überzogen werden. Nicht erforderlich ist ein „krasses gesellschaftswidriges Verhalten“ 4 . Ausreichend ist vielmehr jeder Umstand, der es für die Gesellschaft unzumutbar macht, dass dieses Mitglied weiterhin im Aufsichtsrat verbleibt und damit die Funktionserfüllung des Organs Aufsichtsrat erheblich gefährdet. Als wichtiger Grund anzusehen sind demnach etwa herabsetzende Äußerungen über die Geschäftsführer der Gesellschaft und heimliche Briefe an Behörden 5 , die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht 6 , schwere Loyalitätskonflikte in der Person des Aufsichtsratsmitglieds 7 , die unzulässige Kontaktaufnahme eines Aufsichtsratsmitglieds mit Geschäftspartnern der Gesellschaft 8 . Nicht erforderlich ist es, dass bereits Schaden eingetreten ist; auch ist Verschulden nicht Voraussetzung 9 , aber mitzubewerten 10 . Bloße Interessengegensätze, die im Aufsichtsrat aufeinanderstoßen, sind grundsätzlich innerhalb des Organs 1 OLG Köln, WM 1989, 104 = DB 1988, 2628 (Beschwerde gegen Abberufung). 2 Eckardt, NJW 1967, 1010 und Hofmann, BB 1973, 1081 jeweils m.w.N. 3 BGHZ 39, 116, 123; Eckardt, NJW 1967, 1010; Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 103 Rdnr. 32; a.A.: Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rdnr. 71. 4 So aber: BGHZ 39, 116, 123; Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 204. 5 Vgl. LG Frankfurt, NJW 1987, 505. 6 AG München, WM 1986, 974 = WuB II A. § 103 Abs. 3 AktG 1.86 (Werner): fahrlässige Verhaltensweise begründet nur bei wiederholtem Verstoß die Abberufung; OLG Stuttgart, AG 2007, 218. 7 Hans. OLG Hamburg, WM 1990, 311 (Jansen) = EWiR § 103 AktG 1/90, 115 (Hirte): Minister, der aktiver Kernkraftgegner ist, im Aufsichtsrat eines Energieversorgungsunternehmens, das sich entschieden hat, den Großteil der Energie aus Kernkraft zu gewinnen; s. auch Decher, ZIP 1990, 277; Dreher, JZ 1990, 896. 8 OLG Zweibrücken, WM 1990, 1388 = WuB II A. § 103 AktG 3.90 (Peterhoff). 9 Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 103 Rdnr. 33; Werner, WuB II A. § 103 Abs. 3 AktG 1.86. 10 AG München, WM 1986, 974; Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 103 Rdnr. 35. Uwe H. Schneider | 3097 299

295<br />

296<br />

297<br />

298<br />

§52 Aufsichtsrat<br />

weisen. Indessen bestehen keine Bedenken bei der GmbH, anders als bei der<br />

AG, den Gesellschaftern weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten in der Satzung<br />

zuzugestehen. Sie können die Abberufungsbefugnis einer Minderheit gewähren<br />

1 oder die Abberufung vom Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig<br />

machen 2 .<br />

bbb) Nicht vorgesehen ist die Abberufung der Arbeitnehmervertreter durch die<br />

Gesellschafterversammlung. Ist der Aufsichtsrat nach <strong>Dr</strong>ittelbG zusammengesetzt,<br />

so gibt es nur zwei Möglichkeiten der Abberufung. § 1 Abs. Satz 1 Nr. 3<br />

<strong>Dr</strong>ittelbG i.V.m. § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG sieht die Abberufung durch Gericht<br />

bei wichtigem Grund vor. Wichtiger Grund ist etwa der Aufruf eines Arbeitnehmervertreters<br />

zum Streik, dessen Planung und Organisation 3 ; denn als Mitglied<br />

des Aufsichtsrats muss sich der Arbeitnehmervertreter zurückhalten.<br />

Möglich ist auch die Abberufung auf Antrag eines Betriebsrats oder von mindestens<br />

einem Fünftel der Wahlberechtigten durch Beschluss der wahlberechtigten<br />

Arbeitnehmer, § 12 <strong>Dr</strong>ittelbG 4 . Antragsberechtigt ist auch der Gesamtbetriebsrat.<br />

Zur Abberufung erforderlich ist eine <strong>Dr</strong>eiviertelmehrheit der abgegebenen<br />

Stimmen, § 12 Abs. 1 Satz 2 <strong>Dr</strong>ittelbG. Eines wichtigen Grundes bedarf<br />

es hierzu nicht.<br />

Eine Abberufung durch die Gesellschafterversammlung ist im Gesetz nicht<br />

vorgesehen. Doch kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes das Arbeitsverhältnis<br />

gekündigt werden, womit bei einem Arbeitnehmervertreter zugleich<br />

nachträglich eine Wählbarkeitsvoraussetzung entfallen und er damit sein Amt<br />

verlieren kann (s. Rdnr. 288).<br />

Ist der Aufsichtsrat nach MitbestG zu bilden, so enthält § 23 MitbestG ein<br />

gesondertes Abberufungsverfahren für die Arbeitnehmervertreter. Die Anforderungen<br />

für die Antragsberechtigung gehen weit über die Anforderungen für die<br />

Abberufung der Arbeitnehmervertreter nach <strong>Dr</strong>ittelbG hinaus, § 23 Abs. 1<br />

Satz 2 MitbestG. Verlangt wird auch hier eine <strong>Dr</strong>eiviertelmehrheit des zuständigen<br />

Wahlkörpers, § 22 Abs. 2 und 3 MitbestG.<br />

ccc) Anders als beim fakultativen Aufsichtsrat (s. Rdnr. 292), findet beim mitbestimmten<br />

Aufsichtsrat sowohl für die Anteilseignervertreter als auch für die<br />

Arbeitnehmervertreter das gerichtliche Abberufungsverfahren aus wichtigem<br />

Grund gemäß § 103 Abs. 3 und 4 AktG Anwendung 5 . Der Abberufungsantrag<br />

bedarf eines Aufsichtsratsbeschlusses mit einfacher Mehrheit der abgegebenen<br />

Stimmen, wobei dem betroffenen Mitglied kein Stimmrecht zukommt 6 . Zu-<br />

1 A.A. für AG: Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 107 Rdnr. 14.<br />

2 A.A. für die AG: Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 103 Rdnr. 15.<br />

3 Rudzik, NZG 2004, 459.<br />

4 Die Einzelheiten des Verfahrens sind in §§ 32 ff. Wahlordnung zum <strong>Dr</strong>ittelbG geregelt.<br />

5 LG Frankfurt, NJW 1987, 505; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck,<br />

Rdnr. 265, 178.<br />

6 Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 103 Rdnr. 30; Raiser, § 6 MitbestG Rdnr. 36; Ulmer/Habersack,<br />

in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG<br />

Rdnr. 70; a.A.: Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 103 Rdnr. 49; s. auch entsprechend<br />

Karsten <strong>Schmidt</strong> bei § 47 Rdnr. 141.<br />

3096 |<br />

Uwe H. Schneider

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!