Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
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245 246 247 §52 Aufsichtsrat Die Nichtigkeitsgründe sind in § 250 AktG aufgeführt. Ihr Vorliegen führt sinngemäß auch zur Nichtigkeit der Wahl der Arbeitnehmervertreter1 . Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds ist hiernach insbesondere dann nichtig, – wenn der Gewählte keine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person ist, §§ 250 Abs. 1 Nr. 4, 100 Abs. 1 AktG entsprechend2 ; – wenn der Beschluss in einer Gesellschafterversammlung gefasst worden ist, die nicht ordnungsgemäß einberufen worden war, es sei denn, dass alle Gesellschafter erschienen oder vertreten waren, § 250 i.V.m. § 241 Nr. 1 AktG entsprechend; – wenn der Beschluss auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig erklärt worden war, § 250 i.V.m. § 241 Nr. 5 AktG entsprechend; – wenn der Aufsichtsrat unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 96 Abs. 2, § 97 Abs. 2 Satz 1 oder § 98 Abs. 4 AktG zusammengesetzt wird; – wenn die gewählte Person nach § 100 Abs. 2 AktG bei Beginn ihrer Amtszeit nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann; – wenn durch die Wahl die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder überschritten wird, §§ 95, 96 Abs. 2, 97 Abs. 2, 98 Abs. 4 i.V.m. § 250 Abs. 1 AktG. Die Aufzählung der Nichtigkeitsgründe in § 250 AktG ist, von zwei Ausnahmen abgesehen, abschließend. Zwar wird § 241 Nr. 4 in § 250 AktG nicht aufgeführt. Es ist jedoch ein allgemeiner Rechtsgedanke, dass sittenwidrige Rechtsgeschäfte durch die Rechtsordnung nicht anerkannt werden. Daher ist die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds auch dann nichtig, wenn die Bestellung gegen die guten Sitten verstößt, z.B. die Bestellung einer Person, die mehrfach wegen Untreue vorbestraft ist 3 . Ferner führt das Fehlen bestimmter Wählbarkeitsvoraussetzungen über § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG hinaus zur Nichtigkeit der Wahl. Zum einen gilt dies für die in § 105 AktG enthaltene allgemeine Wählbarkeitsvoraussetzung (s. Rdnr. 256) 4 und zum anderen für die besonderen Wählbarkeitsvoraussetzungen für die Arbeitnehmervertreter nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 2 und 3 MitbestG (s. Rdnr. 270). Ist das bestellte Aufsichtsratsmitglied bereits Geschäftsführer, so folgt für den obligatorischen Aufsichtsrat die Nichtigkeit aus § 105 Abs. 2 Satz 3 AktG, wonach das Aufsichtsratsamt sogar dann ruht, wenn ein Aufsichtsratsmitglied nur vorübergehend zum Stellvertreter von fehlenden oder verhinderten Geschäftsführern berufen wurde. 1 Eb. bei Fehlen der Wählbarkeitsvoraussetzungen nach § 100: Fitting/Wlotzke/Wißmann, § 22 MitbestG Rdnr. 8; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 6 MitbestG Rdnr. 16; Raiser, § 6 MitbestG Rdnr. 26; Stein, AG 1983, 51; Henssler, in: Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 22 MitbestG Rdnr. 10 ff.; a.A.: Schröder, Mängel und Heilung der Wählbarkeit bei Aufsichtsrats- und Betriebsratswahlen, 1979, S. 17 ff. 2 Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 Rdnr. 22 f. 3 A.A.: Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 250 Rdnr. 15. 4 Für Nichtigkeit auch: Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 105 Rdnr. 6. 3082 | Uwe H. Schneider
Aufsichtsrat §52 Die Wahl ist durch Klage anfechtbar, wenn eine Verletzung des Gesetzes oder der Satzung vorliegt, § 251 AktG entsprechend, z.B. weil bei einem Aufsichtsratsmitglied die satzungsmäßigen Voraussetzungen nicht vorliegen 1 . b) Die Folgen einer fehlerhaften Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat waren im BetrVG 1952 nur lückenhaft geregelt. In ständiger Rechtsprechung wandte das BAG § 19 BetrVG 1972 entsprechend an 2 . Durch die Neuregelung in § 11 DrittelbG wurde diese Lücke positivrechtlich geschlossen. Abgesehen von Unterschieden bei den anfechtungsberechtigten Personen und Unternehmensorganen ist die Neuregelung mit § 22 MitbestG identisch. Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Ersatzmitglieds der Arbeitnehmer kann nach § 11 Abs. 1 DrittelbG beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Anfechtungsberechtigt sind nach § 11 Abs. 2 Satz 1 DrittelbG drei Wahlberechtigte, die wahlvorschlagsberechtigten Betriebsräte 3 und die Geschäftsführer als das zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugte Organ. Den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften steht im Gegensatz zur alten Rechtslage kein Anfechtungsrecht zu 4 . Der mit einer Begründung 5 zu versehende Anfechtungsantrag ist binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tag der Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger an gerechnet, zulässig (§ 11 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG). Ausnahmsweise ist die Wahl bei einem offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoß nichtig, „wenn gegen die Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen ist, dass auch der Anschein einer Wahl nicht mehr vorliegt“ 6 . Nichtig ist hiernach die Wahl bei Wahlfälschungen, bei grober Verletzung der Grundsätze über die geheime Wahl und bei öffentlicher Auszählung der Stimmen, bei Verhinderung oder Beeinflussung von Wahlvorgängen durch Drohung mit Gewalt. Das gilt entsprechend für die Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat nach MitbestG 7 . § 22 MitbestG enthält keine abschließende Regelung der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Wählbarkeitsvoraussetzungen. Ist 1 Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 250 Rdnr. 39; Fitting/Wlotzke/Wißmann, § 6 MitbestG Rdnr. 6; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rdnr. 55; Großfeld/Brondics, AG 1987, 301. 2 BAG, AP Nr. 1 und 3 zu § 76 BetrVG 1952; BAG, DB 1982, 755 = SAE 1983, 35 (Konzen); BAG, DB 1993, 2030. 3 Ulmer/Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 11 DrittelbG Rdnr. 3. 4 Ulmer/Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 11 DrittelbG Rdnr. 3; zur alten Rechtslage: BAGE 18, 61. 5 Ulmer/Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 11 DrittelbG Rdnr. 5; Raiser, § 22 MitbestG Rdnr. 5. 6 BAG, AP Nr. 54 zu § 19 BetrVG 1972; BAG, AP Nr. 11 zu § 81 BetrVG 1972; BAG, AP Nr. 2 zu § 19 BetrVG 1972: für Betriebsratswahl. 7 Zur Nichtigkeit s. auch Fitting/Wlotzke/Wißmann, § 21 MitbestG Rdnr. 6; Ulmer/Henssler, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 21 MitbestG Rdnr. 38; zu den Rechtsfolgen des Verstoßes gegen § 100 Abs. 2 AktG s. Stein, AG 1983, 49. Uwe H. Schneider | 3083 248 249 250
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Die Nichtigkeitsgründe sind in § 250 AktG aufgeführt. Ihr Vorliegen führt sinngemäß<br />
auch zur Nichtigkeit der Wahl der Arbeitnehmervertreter1 . Die Wahl<br />
eines Aufsichtsratsmitglieds ist hiernach insbesondere dann nichtig,<br />
– wenn der Gewählte keine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person<br />
ist, §§ 250 Abs. 1 Nr. 4, 100 Abs. 1 AktG entsprechend2 ;<br />
– wenn der Beschluss in einer Gesellschafterversammlung gefasst worden ist,<br />
die nicht ordnungsgemäß einberufen worden war, es sei denn, dass alle Gesellschafter<br />
erschienen oder vertreten waren, § 250 i.V.m. § 241 Nr. 1 AktG<br />
entsprechend;<br />
– wenn der Beschluss auf Anfechtungsklage durch Urteil rechtskräftig für nichtig<br />
erklärt worden war, § 250 i.V.m. § 241 Nr. 5 AktG entsprechend;<br />
– wenn der Aufsichtsrat unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 <strong>Dr</strong>ittelbG, § 96<br />
Abs. 2, § 97 Abs. 2 Satz 1 oder § 98 Abs. 4 AktG zusammengesetzt wird;<br />
– wenn die gewählte Person nach § 100 Abs. 2 AktG bei Beginn ihrer Amtszeit<br />
nicht Aufsichtsratsmitglied sein kann;<br />
– wenn durch die Wahl die gesetzliche Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder<br />
überschritten wird, §§ 95, 96 Abs. 2, 97 Abs. 2, 98 Abs. 4 i.V.m. § 250 Abs. 1<br />
AktG.<br />
Die Aufzählung der Nichtigkeitsgründe in § 250 AktG ist, von zwei Ausnahmen<br />
abgesehen, abschließend. Zwar wird § 241 Nr. 4 in § 250 AktG nicht aufgeführt.<br />
Es ist jedoch ein allgemeiner Rechtsgedanke, dass sittenwidrige<br />
Rechtsgeschäfte durch die Rechtsordnung nicht anerkannt werden. Daher ist<br />
die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds auch dann nichtig, wenn die Bestellung<br />
gegen die guten Sitten verstößt, z.B. die Bestellung einer Person, die mehrfach<br />
wegen Untreue vorbestraft ist 3 .<br />
Ferner führt das Fehlen bestimmter Wählbarkeitsvoraussetzungen über § 250<br />
Abs. 1 Nr. 4 AktG hinaus zur Nichtigkeit der Wahl. Zum einen gilt dies für die<br />
in § 105 AktG enthaltene allgemeine Wählbarkeitsvoraussetzung (s. Rdnr. 256) 4<br />
und zum anderen für die besonderen Wählbarkeitsvoraussetzungen für die Arbeitnehmervertreter<br />
nach § 6 Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 2 und 3 MitbestG<br />
(s. Rdnr. 270). Ist das bestellte Aufsichtsratsmitglied bereits Geschäftsführer, so<br />
folgt für den obligatorischen Aufsichtsrat die Nichtigkeit aus § 105 Abs. 2<br />
Satz 3 AktG, wonach das Aufsichtsratsamt sogar dann ruht, wenn ein Aufsichtsratsmitglied<br />
nur vorübergehend zum Stellvertreter von fehlenden oder<br />
verhinderten Geschäftsführern berufen wurde.<br />
1 Eb. bei Fehlen der Wählbarkeitsvoraussetzungen nach § 100: Fitting/Wlotzke/Wißmann,<br />
§ 22 MitbestG Rdnr. 8; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 6 MitbestG<br />
Rdnr. 16; Raiser, § 6 MitbestG Rdnr. 26; Stein, AG 1983, 51; Henssler, in: Ulmer/<br />
Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 22 MitbestG Rdnr. 10 ff.; a.A.: Schröder,<br />
Mängel und Heilung der Wählbarkeit bei Aufsichtsrats- und Betriebsratswahlen, 1979,<br />
S. 17 ff.<br />
2 Lutter/Hommelhoff, Anh. § 47 Rdnr. 22 f.<br />
3 A.A.: Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 250 Rdnr. 15.<br />
4 Für Nichtigkeit auch: Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 105 Rdnr. 6.<br />
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