Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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198 199 200 §52 Aufsichtsrat b) Der Aufsichtsrat in der beherrschten GmbH aa) Im Vertragskonzern ändert sich die unternehmerische Interessenausrichtung der beherrschten GmbH. Zwingender Maßstab für alle Maßnahmen der Unternehmensleitung ist nicht mehr allein das Gesellschaftsinteresse. Weisungen des herrschenden Unternehmens können auch dem Interesse des herrschenden Unternehmens oder der anderen Konzernunternehmen dienen, § 308 AktG entsprechend1 . Erhalten und gesichert bleibt allein das Substanzinteresse der beherrschten GmbH. In diesen Grenzen behält der Aufsichtsrat der beherrschten GmbH seine Überwachungsaufgaben. Der Aufsichtsrat der beherrschten GmbH hat zwar weder die Gesellschafterversammlung noch das herrschende Unternehmen zu überwachen und zu beraten. Das Zustimmungserfordernis bleibt jedoch auch für solche Maßnahmen erhalten, die auf einer Weisung des herrschenden Unternehmens beruhen. Der Aufsichtsrat kann im Rahmen der geänderten Interessenbindung weiterhin frei entscheiden2 . Wird die Zustimmung verweigert, so führt dies freilich nur dazu, dass sich das herrschende Unternehmen nochmals mit der Angelegenheit befassen muss und der Zustimmung von dessen Aufsichtsrat bedarf, § 308 AktG entsprechend. bb) Im faktischen Konzern wird der Überwachungsraum des Aufsichtsrats der beherrschten GmbH nicht eingeschränkt 3 . Der Aufsichtsrat der beherrschten GmbH hat vielmehr zunächst einmal dieselben Aufgaben wie der Aufsichtsrat einer konzernfreien GmbH. Tatsächlich ergeben sich jedoch erhebliche Unterschiede, wenn das herrschende Unternehmen nicht über die Gesellschafterversammlung, sondern an dieser vorbei, die einheitliche Leitung durchsetzt. Gerade im zuletzt genannten Fall kommt dem Aufsichtsrat der beherrschten GmbH eine besondere Aufgabe zu 4 . Er hat im Rahmen seiner Überwachung sicherzustellen, dass bei der Konzernleitung die Interessen der beherrschten Gesellschaft gewahrt bleiben 5 . Zu berücksichtigen ist dabei die eigenständige Entscheidungsorganisation der GmbH. Wenn sich bei einer Aktiengesellschaft Anhaltspunkte für nachteilige vom herrschenden Unternehmen veranlasste Maßnahmen ergeben, so soll es Aufgabe des Aufsichtsrats sein, den Sachverhalt aufzuklären und gegebenenfalls für einen unverzüglichen Nachteilsausgleich Sorge zu tragen 6 . Bei der GmbH ist zu unterscheiden: Werden nachteilige Weisungsbeschlüsse durch die Gesellschafterversammlung getroffen, so ist es nicht 1 Ebenso Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl., S. 445; Lutter/Hommelhoff, Anh. § 13 Rdnr. 34. 2 Lenz, AG 1997, 454. 3 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 869; Kleindiek, in: Hommelhoff/ Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 572, 595; Uwe H. Schneider, in: FS Raiser, 2006, S. 341. 4 A.A. Martens, ZHR 159 (1995), 587: keine praktische Bedeutung. 5 S. auch BGH, ZIP 1993, 1882; Laule, AG 1990, 154: kein „Aufopfern“ im Interesse der anderen verbundenen Unternehmen im Konzern; Scheffler, DB 1994, 795; Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 595; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 389; Uwe H. Schneider, in: FS Raiser, 2005, S. 341; s. auch Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 344. 6 Rowedder, in: FS Duden, 1977, S. 501, 511. 3070 | Uwe H. Schneider

Aufsichtsrat §52 die Aufgabe des Aufsichtsrats, dagegen einzuschreiten. Der Adressat der Überwachung sind die Geschäftsführer. Der Aufsichtsrat hat daher auch nur zu klären, ob die Geschäftsführer sich in der Befolgung konzernleitender Maßnahmen im Rahmen des Gesellschaftsinteresses halten. Werden dagegen nachteilige Maßnahmen ohne Veranlassung seitens der Gesellschafterversammlung durch die Geschäftsführer vorgenommen, so muss der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit einschreiten. Eine Informationspflicht obliegt ihm im Verhältnis zum herrschenden Unternehmen nicht. c) Doppelmandate im Konzern aa) Vor einiger Zeit sind rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Organverflechtung bei Konzernlagen erhoben worden1 . Für die GmbH sind diese jedenfalls nicht begründet. Es bestehen jedoch eine Reihe von Beschränkungen. Allgemein zur „Unabhängigkeit“ der Aufsichtsratsmitglieder s. Rdnr. 264. bb) Folgt man der h.A., dass Aufsichtsratsmitglieder keinem Wettbewerbsverbot unterliegen, so sind Aufsichtsratsmitglieder jedenfalls aus diesem Grund nicht gehindert, zugleich Aufsichtsratsmitglied bei einem anderen Unternehmen desselben Konzerns zu sein, selbst wenn dieses im gleichen Handelszweig Geschäfte macht. Aber auch wenn man der an dieser Stelle vertretenen Ansicht folgt, dass zwar in der Regel für Aufsichtsratsmitglieder ein Wettbewerbsverbot besteht, so gilt dies doch nicht bei Konzernlagen (s. dazu Rdnr. 505). cc) Mitglied des Aufsichtsrats der herrschenden GmbH kann nicht sein, wer gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens ist, § 52, § 2 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 25 MitbestG, jeweils i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 AktG. Das Verbot erstreckt sich auch auf leitende Angestellte des beherrschten Unternehmens 2 . Das ist im Konzern eine Konkretisierung des Grundsatzes der Funktionstrennung zwischen Geschäftsführung und Überwachung, weil der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens auch die Vorgänge bei den Konzernunternehmen zu überwachen hat 3 . Daher gilt die Einschränkung auch für die gesetzlichen Vertreter eines von der GmbH abhängigen ausländischen Unternehmens 4 . Das gesetzliche Bestellungshindernis gilt auch für den fakultativen Aufsichtsrat. Folgt man allerdings der Ansicht, dass auch Geschäftsführer Mitglied des 1 S. zu dieser Diskussion anstelle vieler: Decher, Personelle Verflechtung im Aktienkonzern, 1990; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., Rdnr. 459; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570; Säcker, ZHR 151 (1987), 59 ff.; Semler, in: FS Stiefel, 1987, S. 719; Wiesner, in: MünchHdb. GesR IV AG, 3. Aufl., § 20 Rdnr. 10. 2 A.A. Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rdnr. 46; Semler, in: MünchKomm. AktG, § 100 Rdnr. 35; Hüffer, AktG, § 100 Rdnr. 5; Stein, AG 1983, 49. 3 Vgl. noch Ausschussbericht zu § 100 bei Kropff, AktG, S. 136: widerspricht dem natürlichen Organisationsgefälle im Konzern; Stein, AG 1983, 49. Zur Einschränkung von § 100 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 AktG im Blick auf § 105 Abs. 1 AktG, § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG 1976: Martens, in: FS Hilger-Stumpf, 1983, S. 437, 464. 4 A.A. Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Rdnr. 10. Uwe H. Schneider | 3071 201 202 203 204

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§52 Aufsichtsrat<br />

b) Der Aufsichtsrat in der beherrschten GmbH<br />

aa) Im Vertragskonzern ändert sich die unternehmerische Interessenausrichtung<br />

der beherrschten GmbH. Zwingender Maßstab für alle Maßnahmen der<br />

Unternehmensleitung ist nicht mehr allein das Gesellschaftsinteresse. Weisungen<br />

des herrschenden Unternehmens können auch dem Interesse des herrschenden<br />

Unternehmens oder der anderen Konzernunternehmen dienen, § 308<br />

AktG entsprechend1 . Erhalten und gesichert bleibt allein das Substanzinteresse<br />

der beherrschten GmbH. In diesen Grenzen behält der Aufsichtsrat der beherrschten<br />

GmbH seine Überwachungsaufgaben. Der Aufsichtsrat der beherrschten<br />

GmbH hat zwar weder die Gesellschafterversammlung noch das<br />

herrschende Unternehmen zu überwachen und zu beraten. Das Zustimmungserfordernis<br />

bleibt jedoch auch für solche Maßnahmen erhalten, die auf einer<br />

Weisung des herrschenden Unternehmens beruhen. Der Aufsichtsrat kann im<br />

Rahmen der geänderten Interessenbindung weiterhin frei entscheiden2 .<br />

Wird die Zustimmung verweigert, so führt dies freilich nur dazu, dass sich das<br />

herrschende Unternehmen nochmals mit der Angelegenheit befassen muss und<br />

der Zustimmung von dessen Aufsichtsrat bedarf, § 308 AktG entsprechend.<br />

bb) Im faktischen Konzern wird der Überwachungsraum des Aufsichtsrats der<br />

beherrschten GmbH nicht eingeschränkt 3 . Der Aufsichtsrat der beherrschten<br />

GmbH hat vielmehr zunächst einmal dieselben Aufgaben wie der Aufsichtsrat<br />

einer konzernfreien GmbH. Tatsächlich ergeben sich jedoch erhebliche Unterschiede,<br />

wenn das herrschende Unternehmen nicht über die Gesellschafterversammlung,<br />

sondern an dieser vorbei, die einheitliche Leitung durchsetzt. Gerade<br />

im zuletzt genannten Fall kommt dem Aufsichtsrat der beherrschten<br />

GmbH eine besondere Aufgabe zu 4 . Er hat im Rahmen seiner Überwachung<br />

sicherzustellen, dass bei der Konzernleitung die Interessen der beherrschten<br />

Gesellschaft gewahrt bleiben 5 . Zu berücksichtigen ist dabei die eigenständige<br />

Entscheidungsorganisation der GmbH. Wenn sich bei einer Aktiengesellschaft<br />

Anhaltspunkte für nachteilige vom herrschenden Unternehmen veranlasste<br />

Maßnahmen ergeben, so soll es Aufgabe des Aufsichtsrats sein, den Sachverhalt<br />

aufzuklären und gegebenenfalls für einen unverzüglichen Nachteilsausgleich<br />

Sorge zu tragen 6 . Bei der GmbH ist zu unterscheiden: Werden nachteilige Weisungsbeschlüsse<br />

durch die Gesellschafterversammlung getroffen, so ist es nicht<br />

1 Ebenso Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl., S. 445; Lutter/Hommelhoff, Anh.<br />

§ 13 Rdnr. 34.<br />

2 Lenz, AG 1997, 454.<br />

3 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 869; Kleindiek, in: Hommelhoff/<br />

Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 572, 595; Uwe H.<br />

Schneider, in: FS Raiser, 2006, S. 341.<br />

4 A.A. Martens, ZHR 159 (1995), 587: keine praktische Bedeutung.<br />

5 S. auch BGH, ZIP 1993, 1882; Laule, AG 1990, 154: kein „Aufopfern“ im Interesse der<br />

anderen verbundenen Unternehmen im Konzern; Scheffler, DB 1994, 795; Kleindiek,<br />

in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 595;<br />

Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 2003, S. 389; Uwe H. Schneider, in: FS<br />

Raiser, 2005, S. 341; s. auch Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 344.<br />

6 Rowedder, in: FS Duden, 1977, S. 501, 511.<br />

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Uwe H. Schneider

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