Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
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191 192 193 194 §52 Aufsichtsrat tragslage nicht nur bei der eigenen Gesellschaft, sondern auch bei den Konzernunternehmen zu berichten, soweit es von erheblichem Einfluss auf die Lage des herrschenden Unternehmens ist 1 . Das verlangt insbesondere bei größeren Konzernen die Einrichtung eines konzernweiten Informationssystems. Das Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats erstreckt sich dem Umfang nach auch auf die Tochtergesellschaften. § 111 Abs. 2 AktG begründet aber weder ein besonderes Recht des herrschenden Unternehmens noch des Organs „Aufsichtsrat“ gegenüber den Tochtergesellschaften. Das Einsichts- und Prüfungsrecht findet daher auch seine Grenze aus dem Recht der Tochtergesellschaft. Bedenklich sind daher Vorschläge der Regierungskommission „Corporate Governance“ 2 , das Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats zu erweitern. Ein vom Aufsichtsrat bestellter zur Berufsverschwiegenheit verpflichteter Sachverständiger solle die Rechte nach § 111 Abs. 2 Satz 1 auch gegenüber Tochterunternehmen i.S.d. § 290 Abs. 2 HGB und anderen Unternehmen i.S.d. § 310 HGB haben; er solle von deren gesetzlichen Vertretern Aufklärungen und Nachweise verlangen können. Kontrolladressat sind allein die Geschäftsführer des herrschenden Unternehmens. Der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens hat sich daher mit Fragen, die das beherrschte Unternehmen betreffen, an die Geschäftsführer des herrschenden Unternehmens zu wenden. Er darf sich, so lautet jedenfalls die Regel, nicht unmittelbar an die Geschäftsführer oder den Aufsichtsrat eines beherrschten Konzernunternehmens richten. bb) Der Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG betrifft lediglich die interne Willensbildung des herrschenden Unternehmens. Die Bindungen, denen das herrschende Unternehmen im Verhältnis zu den abhängigen Unternehmen unterliegt, sei es bei der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung, sei es bei der Erteilung von Weisungen oder sei es bei tatsächlichen Einwirkungen, sind allein aus dem Recht des beherrschten Unternehmens zu entwickeln 3 . Unabhängig hiervon kann der Zustimmungsvorbehalt konzernweit angelegt sein: – Der Aufsichtsrat der herrschenden GmbH kann nicht nur Maßnahmen, etwa eine Kreditaufnahme, bei der eigenen Gesellschaft, sondern auch Maßnahmen, die bei einem beherrschten Konzernunternehmen verwirklicht werden, einem konzernweiten Ad-hoc-Zustimmungsvorbehalt unterwerfen 4 . Das dem 1 Uwe H. Schneider, in: FS Kropff, 1997, S. 279; weitergehend: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., Rdnr. 231 ff. 2 Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rdnr. 22 S. 66. 3 Anders aber wohl: Götz, ZGR 1990, 648, der das Innenverhältnis und das Außenverhältnis nicht hinreichend unterscheidet; s. ferner Götz, ZGR 1998, 543; Kropff, in: Semler/ v. Schenck (Hrsg.), Arbeitshandbuch Aufsichtsratsmitglieder, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 87 f.; Reuter, DB 1999, 2250, 2252. 4 Ebenso: Lutter, in: FS R. Fischer, 1979, S. 149; Götz, ZGR 1990, 646; Boujong, AG 1995, 203, 205; Martens, ZHR 159 (1995), 580; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, § 7. 3068 | Uwe H. Schneider
Aufsichtsrat §52 Aufsichtsrat zustehende Ermessen kann sich auf Null reduzieren, so dass er entsprechende Vorgänge bei Tochtergesellschaften seiner Zustimmung unterwerfen muss. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn sich entsprechende Haftungsrisiken für das herrschende Unternehmen ergeben. – Auch kann in die Satzung oder in eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführer ein konzernweiter Zustimmungsvorbehalt aufgenommen werden. Ist in der Satzung des herrschenden Unternehmens für Maßnahmen, die beim herrschenden Unternehmen verwirklicht werden, ein Zustimmungsvorbehalt ausdrücklich vorgesehen, fehlt aber ein satzungsmäßiger konzernweiter Zustimmungsvorbehalt, so ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Vorbehalts zu ermitteln, ob es sich um einen konzernweiten Zustimmungsvorbehalt handelt. Entsprechende Maßnahmen sind aus der Sicht des herrschenden Unternehmens neu zu qualifizieren. Danach ist zu beurteilen, ob sie dem Zustimmungsvorbehalt unterworfen sind oder nicht 1 . Verweigert der Aufsichtsrat die Zustimmung, so können sich die Gesellschafter des herrschenden Unternehmens durch einfachen Mehrheitsbeschluss darüber hinwegsetzen 2 . Kommt ein solcher Gesellschafterbeschluss nicht zustande, so sind die Geschäftsführer gehalten, dafür zu sorgen, dass die Maßnahme nicht verwirklicht wird. – Auch wenn aus der Sicht der herrschenden GmbH die Zustimmung des Aufsichtsrats nicht einzuholen ist, kann dessen Mitwirkung im Vertragskonzern nach § 308 Abs. 3 AktG erforderlich werden, wenn für eine aus der Sicht des beherrschten Unternehmens zustimmungsbedürftige Maßnahme nicht innerhalb angemessener Frist die Zustimmung durch den Aufsichtsrat dieses Unternehmens erteilt wird 3 . cc) Während jedoch in der Regel der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens auf Überwachungsaufgaben beschränkt bleibt, wird er durch § 32 MitbestG unmittelbar in die Konzernleitung einbezogen. Ist die GmbH herrschendes Unternehmen im Konzern und im Anwendungsbereich des MitbestG, so haben ihre Geschäftsführer für bestimmte Entscheidungen in der Versammlung der Anteilseigner der Tochtergesellschaften, wenn auch sie im Anwendungsbereich des MitbestG liegen, keine Entscheidungsbefugnis. Die Entscheidung liegt beim Aufsichtsrat 4 . 1 Lutter, in: FS R. Fischer, 1979, S. 419, 433; Götz, ZGR 1990, 646, 654; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb. GesR IV AG, 3. Aufl., § 29 Rdnr. 40; Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 339; Lenz, AG 1997, 448, 452; a.A. für Zustimmungsvorbehalt in Geschäftsordnung: Hüffer, AktG, § 111 Rdnr. 21; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, § 7, B. II. 2 A.A.: OLG Koblenz, GmbHR 1991, 267: satzungsändernde Mehrheit erforderlich. 3 Zur Bedeutung dieser Vorschrift für die Konzernleitung: Sonnenschein, Organschaft und Konzerngesellschaftsrecht, 1976, S. 209. 4 Einzelheiten bei Uwe H. Schneider, in: GK-MitbestG, § 32. Uwe H. Schneider | 3069 195 196 197
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Aufsichtsrat zustehende Ermessen kann sich auf Null reduzieren, so dass er<br />
entsprechende Vorgänge bei Tochtergesellschaften seiner Zustimmung unterwerfen<br />
muss. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn sich entsprechende<br />
Haftungsrisiken für das herrschende Unternehmen ergeben.<br />
– Auch kann in die Satzung oder in eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführer<br />
ein konzernweiter Zustimmungsvorbehalt aufgenommen werden. Ist<br />
in der Satzung des herrschenden Unternehmens für Maßnahmen, die beim<br />
herrschenden Unternehmen verwirklicht werden, ein Zustimmungsvorbehalt<br />
ausdrücklich vorgesehen, fehlt aber ein satzungsmäßiger konzernweiter Zustimmungsvorbehalt,<br />
so ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung<br />
von Sinn und Zweck des Vorbehalts zu ermitteln, ob es sich um einen konzernweiten<br />
Zustimmungsvorbehalt handelt. Entsprechende Maßnahmen sind<br />
aus der Sicht des herrschenden Unternehmens neu zu qualifizieren. Danach<br />
ist zu beurteilen, ob sie dem Zustimmungsvorbehalt unterworfen sind oder<br />
nicht 1 . Verweigert der Aufsichtsrat die Zustimmung, so können sich die Gesellschafter<br />
des herrschenden Unternehmens durch einfachen Mehrheitsbeschluss<br />
darüber hinwegsetzen 2 . Kommt ein solcher Gesellschafterbeschluss<br />
nicht zustande, so sind die Geschäftsführer gehalten, dafür zu sorgen, dass<br />
die Maßnahme nicht verwirklicht wird.<br />
– Auch wenn aus der Sicht der herrschenden GmbH die Zustimmung des Aufsichtsrats<br />
nicht einzuholen ist, kann dessen Mitwirkung im Vertragskonzern<br />
nach § 308 Abs. 3 AktG erforderlich werden, wenn für eine aus der Sicht des<br />
beherrschten Unternehmens zustimmungsbedürftige Maßnahme nicht innerhalb<br />
angemessener Frist die Zustimmung durch den Aufsichtsrat dieses Unternehmens<br />
erteilt wird 3 .<br />
cc) Während jedoch in der Regel der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens<br />
auf Überwachungsaufgaben beschränkt bleibt, wird er durch § 32 MitbestG<br />
unmittelbar in die Konzernleitung einbezogen. Ist die GmbH herrschendes<br />
Unternehmen im Konzern und im Anwendungsbereich des MitbestG, so<br />
haben ihre Geschäftsführer für bestimmte Entscheidungen in der Versammlung<br />
der Anteilseigner der Tochtergesellschaften, wenn auch sie im Anwendungsbereich<br />
des MitbestG liegen, keine Entscheidungsbefugnis. Die Entscheidung<br />
liegt beim Aufsichtsrat 4 .<br />
1 Lutter, in: FS R. Fischer, 1979, S. 419, 433; Götz, ZGR 1990, 646, 654; Hoffmann-Becking,<br />
in: MünchHdb. GesR IV AG, 3. Aufl., § 29 Rdnr. 40; Hoffmann-Becking, ZHR<br />
159 (1995), 325, 339; Lenz, AG 1997, 448, 452; a.A. für Zustimmungsvorbehalt in<br />
Geschäftsordnung: Hüffer, AktG, § 111 Rdnr. 21; Brouwer, Zustimmungsvorbehalte des<br />
Aufsichtsrats im Aktien- und GmbH-Recht, 2008, § 7, B. II.<br />
2 A.A.: OLG Koblenz, GmbHR 1991, 267: satzungsändernde Mehrheit erforderlich.<br />
3 Zur Bedeutung dieser Vorschrift für die Konzernleitung: Sonnenschein, Organschaft<br />
und Konzerngesellschaftsrecht, 1976, S. 209.<br />
4 Einzelheiten bei Uwe H. Schneider, in: GK-MitbestG, § 32.<br />
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