Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64 schäftsführer (Liquidatoren) 1 . Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) wird allerdings eine unzulängliche Dokumentation des Cash Flow, der Liquiditätsplanung und etwa erforderlicher Solvenzprognosen als Beweis gegen die Geschäftsführer bzw. Liquidatoren ausschlagen 2 . 5. Rechtsfolgen a) Leistungsverweigerungsrecht: aa) Ungeschriebene Rechtsfolge von § 64 Satz 3 (ungeschrieben, weil die Norm aus ex-post-Sicht als Anspruchsgrundlage formuliert ist; vgl. Rdnr. 68) ist ein Leistungsverweigerungsrecht 3 : Das Zahlungsverbot begründet für den Geschäftsführer eine Leistungsverweigerungspflicht, also auch (für die Gesellschaft) ein Leistungsverweigerungsrecht. Abweichende Weisungen der Gesellschafter binden den Geschäftsführer nicht (Rdnr. 69). bb) § 64 Satz 3 ist bezüglich der Zahlung kein Verbotsgesetz i.S. von § 134 BGB. Eine mit § 64 Satz 3 unvereinbare Leistungs- oder Fälligkeitsvereinbarung ist nicht ohne weiteres nichtig (dies ist ähnlich wie bei § 30). Der Rechtserwerb des Empfängers ist weder ohne weiteres ungültig noch auch nur rechtsgrundlos. Nichtig wäre nur die Vereinbarung oder der Beschluss, sich nicht an § 64 Satz 3 zu halten (vgl. schon Rdnr. 69). b) Erstattungspflicht: aa) Herrschende Auffassung: Die Geschäftsführer sind zum „Ersatz von Zahlungen“ verpflichtet. Die h.M. sieht hierin, wie in § 64 Satz 1 (Rdnr. 13) einen Anspruch eigener Art 4 . Nach h.M. bedeutet dies, dass die vom Zahlungsverbot betroffenen Zahlungen ohne Abzug in das Gesellschaftsvermögen (die Insolvenzmasse) zu erstatten sind. Hierfür ist kein Schadensnachweis erforderlich. Die Verpflichtung geht nach der sich an § 64 Satz 1 anlehnenden h.M. nicht auf Schadensersatz, sondern auf schlichte Rückerstattung 5 . In Anlehnung an diese Praxis zu § 64 Satz 1 (Rdnr. 50) wird die noch nicht etablierte h.M. auch hier dem Zahlungspflichtigen ein Recht auf Abtretung etwaiger Ansprüche gegen Zahlungsempfänger Zug um Zug gegen die ungekürzte Erstattung zugestehen 6 . bb) Eigene Auffassung: Der herrschenden Auffassung ist zwar nicht im Ansatz, wohl aber in den praktischen Ergebnissen zu folgen. In systematischer Hinsicht verdient zwar, wie bei § 64 Satz 1 (Rdnr. 14), eine schadensersatzrechtliche 1 Stadie, in: Heybrock, Rdnr. 28; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 109; Knof, DStR 207, 1580, 1858. 2 Vgl. auch Kleindiek; in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 31; Greulich/Rau, NZG 2008, 284, 288 f.; Knof, DStR 2007, 1580, 1585. 3 Stadie, in: Heybrock, Rdnr. 25; Hölzle, GmbHR 2007, 729, 732; Bormann, DB 2006, 2616. 4 Wicke, Rdnr. 26; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Knof, DStR 2007, 1580, 1584 m.w.N. zur entsprechenden Beurteilung durch den BGH zu § 64 Abs. 2 Satz 1 a.F.; ebenso Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681, 686. 5 Wicke, Rdnr. 26; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20; Knof, DStR 2007, 1536, 1537. 6 Vgl. Wicke, Rdnr. 26; Knof, DStR 2007, 1580, 1584; Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681, 686. Karsten Schmidt | 4197 91 92 93 94
95 96 97 98 99 §64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Deutung der Haftung den Vorzug. Sie verträgt sich auch mit der Verweisung des § 64 Satz 4 auf § 43 Abs. 3. Während aber die Schadensersatzleistung nach § 64 Satz 1 Bestandteil des Insolvenzverschleppungsschadens ist (Rdnr. 51), bezieht sich die Ersatzleistung nach § 64 Satz 3 nicht auf den ganzen Insolvenzverursachungsschaden. Dieser ist insgesamt allenfalls unter den Voraussetzungen des § 43 zu ersetzen (Insolvenzverursachungshaftung der Geschäftsführer), während der Verstoß gegen das Zahlungsverbot eine Ersatzpflicht nur in Höhe der Zahlung auslöst. Dies ist, wie bei § 64 Satz 1 (vgl. Rdnr. 56) der der Gesellschaft zuerkannte Mindestschaden der Insolvenzverursachung durch verbotene Zahlungen. Der Einwand, der Insolvenzverursachungsschaden sei insgesamt geringer als die Zahlung, kommt, anders als im Fall des § 64 Satz 1 (dazu Rdnr. 57), nicht in Betracht. Die Verpflichtung der Gesellschaft (des Insolvenzverwalters), ihre Ansprüche gegen den Empfänger (z.B. § 812 BGB, § 31) Zug um Zug abzutreten, folgt aus § 255 BGB. c) Mehrere Verantwortliche haften als Gesamtschuldner (rechtsähnlich § 43 Abs. 2) 1 . Dritte – also Personen, die keine, sei es auch nur faktischen, Geschäftsführer oder Liquidatoren sind – haften nicht, auch nicht als Gehilfen. Die §§ 839, 840 BGB gelten nicht, denn der Anspruch aus § 64 Satz 3 ist wirklich ein Anspruch eigener Art. d) Verzicht, Vergleich und Verjährung: Es gelten, wie für § 64 Satz 1, die Regeln von § 43 Abs. 3 und 4 einschließlich der Verweisung auf § 9b (vgl. § 64 Satz 4). Auf Rdnr. 61 f. ist zu verweisen. 6. Verhältnis zu anderen Haftungsbestimmungen a) § 64 Satz 3 und § 43: Die Ansprüche können konkurrieren. Eine Verletzung des Zahlungsverbots ist ein Sonderfall des § 43, begrenzt auf den durch die Zahlung herbeigeführten Schaden (arg. § 43 Abs. 2) 2 . Eine Insolvenzverursachungshaftung auf den gesamten Insolvenzschaden allein wegen der insolvenzbegründenden Zahlung lässt sich jedoch auch aus § 43 nicht herleiten. b) § 64 Satz 3 und Insolvenzverschleppungshaftung (§ 15a InsO, § 823 Abs. 2 BGB). Die Regelungen betreffen unterschiedliche Schäden. Eine kumulative Haftung kommt zum Zuge, wenn eine durch verbotene Zahlungen an Gesellschafter (Haftung nach § 64 Satz 3) ausgelöste Zahlungsunfähigkeit mit einer Insolvenzverschleppung einhergeht. c) Deliktsansprüche kommen nach § 826 BGB in Betracht 3 . Nicht zur Anwendung kommt § 823 Abs. 2 BGB, weil das Zahlungsverbot durch § 64 Satz 3 speziell sanktioniert ist. Die bloß fahrlässige Verletzung des § 64 Satz 3 führt deshalb nicht zur Erstattung des gesamten Insolvenzverursachungsschadens der Gesellschaft. 1 Vgl. sinngemäß Rdnr. 44, 48. 2 Zum Problem vgl. Strohn, ZHR 173 (2009), 589, 590 f. 3 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 20. 4198 | Karsten Schmidt
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§ 64 Satz 1 Bestandteil des Insolvenzverschleppungsschadens ist (Rdnr. 51), bezieht<br />
sich die Ersatzleistung nach § 64 Satz 3 nicht auf den ganzen Insolvenzverursachungsschaden.<br />
Dieser ist insgesamt allenfalls unter den Voraussetzungen<br />
des § 43 zu ersetzen (Insolvenzverursachungshaftung der Geschäftsführer),<br />
während der Verstoß gegen das Zahlungsverbot eine Ersatzpflicht nur in Höhe<br />
der Zahlung auslöst. Dies ist, wie bei § 64 Satz 1 (vgl. Rdnr. 56) der der Gesellschaft<br />
zuerkannte Mindestschaden der Insolvenzverursachung durch verbotene<br />
Zahlungen. Der Einwand, der Insolvenzverursachungsschaden sei insgesamt<br />
geringer als die Zahlung, kommt, anders als im Fall des § 64 Satz 1 (dazu<br />
Rdnr. 57), nicht in Betracht. Die Verpflichtung der Gesellschaft (des Insolvenzverwalters),<br />
ihre Ansprüche gegen den Empfänger (z.B. § 812 BGB, § 31) Zug um<br />
Zug abzutreten, folgt aus § 255 BGB.<br />
c) Mehrere Verantwortliche haften als Gesamtschuldner (rechtsähnlich § 43<br />
Abs. 2) 1 . <strong>Dr</strong>itte – also Personen, die keine, sei es auch nur faktischen, Geschäftsführer<br />
oder Liquidatoren sind – haften nicht, auch nicht als Gehilfen.<br />
Die §§ 839, 840 BGB gelten nicht, denn der Anspruch aus § 64 Satz 3 ist wirklich<br />
ein Anspruch eigener Art.<br />
d) Verzicht, Vergleich und Verjährung: Es gelten, wie für § 64 Satz 1, die Regeln<br />
von § 43 Abs. 3 und 4 einschließlich der Verweisung auf § 9b (vgl. § 64<br />
Satz 4). Auf Rdnr. 61 f. ist zu verweisen.<br />
6. Verhältnis zu anderen Haftungsbestimmungen<br />
a) § 64 Satz 3 und § 43: Die Ansprüche können konkurrieren. Eine Verletzung<br />
des Zahlungsverbots ist ein Sonderfall des § 43, begrenzt auf den durch die<br />
Zahlung herbeigeführten Schaden (arg. § 43 Abs. 2) 2 . Eine Insolvenzverursachungshaftung<br />
auf den gesamten Insolvenzschaden allein wegen der insolvenzbegründenden<br />
Zahlung lässt sich jedoch auch aus § 43 nicht herleiten.<br />
b) § 64 Satz 3 und Insolvenzverschleppungshaftung (§ 15a InsO, § 823 Abs. 2<br />
BGB). Die Regelungen betreffen unterschiedliche Schäden. Eine kumulative<br />
Haftung kommt zum Zuge, wenn eine durch verbotene Zahlungen an Gesellschafter<br />
(Haftung nach § 64 Satz 3) ausgelöste Zahlungsunfähigkeit mit einer<br />
Insolvenzverschleppung einhergeht.<br />
c) Deliktsansprüche kommen nach § 826 BGB in Betracht 3 . Nicht zur Anwendung<br />
kommt § 823 Abs. 2 BGB, weil das Zahlungsverbot durch § 64 Satz 3<br />
speziell sanktioniert ist. Die bloß fahrlässige Verletzung des § 64 Satz 3 führt<br />
deshalb nicht zur Erstattung des gesamten Insolvenzverursachungsschadens der<br />
Gesellschaft.<br />
1 Vgl. sinngemäß Rdnr. 44, 48.<br />
2 Zum Problem vgl. Strohn, ZHR 173 (2009), 589, 590 f.<br />
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