Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64 zum Zuge kommen, wenn die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Eintritt der Überschuldung genügt nicht 1 . Umgekehrt kommt § 64 Satz 3 durchaus zum Zuge, wenn Überschuldung bereits eingetreten war und durch die Zahlung die Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt wird (z.B. bei Zahlungen während der Dreiwochenfrist des § 15a). Doch kann hier, wie auch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit, bereits § 64 Satz 1 zum Zuge kommen. bb) Nur eine zum Insolvenzantrag berechtigende Zahlungsunfähigkeit führt zur Haftung. Daran fehlt es nicht nur im Fall bloßer Zahlungsstockung (diese genügt nicht für § 17 Abs. 2 InsO), sondern auch dann, wenn die zunächst eingetretene Zahlungsunfähigkeit vor einer Insolvenzverfahrenseröffnung (§ 27 InsO) bzw. Ablehnung mangels Masse (§ 26 InsO) wieder behoben worden ist 2 . Die Haftung ist aber nicht ausgeschlossen, wenn die Verfahrenseröffnung selbst statt auf § 17 InsO (Zahlungsunfähigkeit) auf § 18 InsO (drohende Zahlungsunfähigkeit) oder § 19 InsO (Überschuldung) gestützt wurde. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entscheidet. cc) Kausalität der Zahlung für die Zahlungsunfähigkeit ist erforderlich. Hieran fehlt es, wenn Zahlungsunfähigkeit im Zahlungszeitpunkt bereits eingetreten war oder wenn sie nicht auf der Zahlung beruhte 3 . Wiederum greift das Verbot schon ex ante auf Grund der Eignung der Zahlung zur Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit (Rdnr. 68) ein. Aber die Ersatzpflicht setzt neben dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit den Ursachenzusammenhang zwischen Zahlung und Zahlungsunfähigkeit voraus 4 . Die Zahlung muss nicht die alleinige Ursache sein (kaum je beruht eine Insolvenz auf einer einzigen Ursache) 5 . Umgekehrt ist nicht erforderlich, dass es ohne die Zahlung niemals zur Zahlungsunfähigkeit gekommen wäre. Entscheidend ist, dass die Zahlung nicht hinfortgedacht werden kann, ohne dass die konkrete Zahlungsunfähigkeit zu dem konkreten Zeitpunkt entfiele. Vorverlegung einer bereits drohenden Zahlungsunfähigkeit durch die Zahlung kann als Verursachung ausreichen. Eine vom Gesetzgeber nicht gewollte (Rdnr. 65) unverhältnismäßige Ausdehnung der Haftungsbestimmung droht von dieser Kausalitätsbetrachtung nicht. Gegen sie sind die Geschäftsführer durch eine doppelte Sicherung geschützt: verboten sind Zahlungen, die (ex ante betrachtet) zur Zahlungsunfähigkeit führen „müssen“ (das Gesetz formuliert post: „mussten“), und auch dann haften die Geschäftsführer nicht, wenn dieser Tatbestand bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters nicht erkennbar war (vgl. Rdnr. 87). dd) Unmittelbare Kausalität ist erforderlich. Das bedeutet nicht, dass nicht weitere Unstände hinzutreten können (Rdnr. 83). Noch weniger bedeutet dies, 1 So ausdrücklich etwa Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681, 684; a.M. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 107; Casper, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 6.44. 2 Ähnlich Casper, in: Ulmer, Rdnr. 110; Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203, 1208. 3 Casper; in: Ulmer, Rdnr. 110; Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203, 1208. 4 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 108; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28. 5 Dies ist kein Problem des rechtmäßigen Alternativverhaltens; so aber Casper, in: Ulmer, Rdnr. 110 im Anschluss an Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203, 1208. Karsten Schmidt | 4193 82 83 84

85 §64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung dass die Zahlungsunfähigkeit bereits im Augenblick der Zahlung eintreten muss 1 . Aber es muss sich in diesem Moment klar abzeichnen, dass die Gesellschaft unter normalem Verlauf der Dinge ihre Verbindlichkeiten nicht mehr wird erfüllen können 2 . In diesem Sinne muss die Zahlung ohne Hinzutreten weiterer Kausalbeiträge zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen 3 . Diese Erwartung muss im Zeitpunkt der Zahlung feststehen bzw. bei gebotener Sorgfalt feststellbar sein (vgl. zum Solvenzkonzept des § 64 Satz 3 Rdnr. 71) 4 . Haftungsbegründend ist eine Zahlung nur, wenn sie sich in diesem kritischen Zeitpunkt als „Weichenstellung ins Aus“ darstellt 5 . Dass die Zahlung ein Schritt unter vielen hin zum Absturz der Gesellschaft war, genügt nicht für die Haftung 6 . Die Geschäftsführer sind keineswegs verpflichtet, jegliche Zahlungen an Gesellschafter zu ersetzen, die in irgendeiner mittelbaren Weise kausal für eine – möglicherweise erst mit erheblichem zeitlichen Abstand eintretende – Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geworden sind 7 . Ein naher zeitlicher Zusammenhang zwischen der Zahlung und dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit kann Indizwirkung haben, mehr nicht. Faustformeln etwa im Sinne einer Jahresfrist 8 sind wenig hilfreich 9 . ee) Gegenleistungen können bei der Feststellung der Kausalität berücksichtigt werden 10 . An der Kausalität fehlt es vor allem dann, wenn der Gesellschaft durch eine Gegenleistung des Gesellschafters im Ergebnis in gleichem Maße wieder liquide Vermögenswerte zugeführt werden 11 . Dasselbe gilt, wenn die Zahlung an den Gesellschafter einen sonst unvermeidlichen Mittelabfluss an einen Dritten vermeidet (z.B. für Dienstleistungen). Der Zahlungstatbestand wird insofern als Einheit gewürdigt. Die Ersatzpflicht besteht nur in dem Umfang („soweit“), wie der Gesellschaft tatsächlich liquide Vermögensmittel entzogen und nicht z.B. durch eine Gegenleistung des Gesellschafters ausgeglichen worden sind 12 . Zur Kompensation geeignet sind aber nur liquiditätswirksame Gegenleistungen. § 64 Satz 3 ist, anders als § 30, eine Liquiditätsschutzvorschrift. Deshalb gilt nicht die für § 30 maßgebliche bilanzielle Betrachtungsweise 13 . Beispielsweise kann der Auszahlung eines Darlehens an einen Gesell- 1 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46 f.; Greulich/Rau, NZG 2008, 284, 288. 2 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 47. 3 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46. 4 Wicke, Rdnr. 29; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 109. 5 Vgl. Casper, in: Ulmer, Rdnr. 109; Casper, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rdnr. 6.45; im Anschluss an Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681, 685; Greulich/Rau, NZG 2008, 284, 288. 6 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28 m.w.N.; a.M. Hölzle, GmbHR 2007, 729, 731. 7 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 47. 8 Dafür Casper, in: Ulmer, Rdnr. 109. 9 Ähnlich wohl Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 29. 10 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 105 (der sogar den Zahlungsbegriff verneinen will); Stadie, in: Heybrock, Rdnr. 22; Greulich/Rau, NZG 2008, 284, 287. 11 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46. 12 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 47. 13 So auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 27. 4194 | Karsten Schmidt

Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64<br />

zum Zuge kommen, wenn die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Eintritt der<br />

Überschuldung genügt nicht 1 . Umgekehrt kommt § 64 Satz 3 durchaus zum<br />

Zuge, wenn Überschuldung bereits eingetreten war und durch die Zahlung die<br />

Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt wird (z.B. bei Zahlungen während der <strong>Dr</strong>eiwochenfrist<br />

des § 15a). Doch kann hier, wie auch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit,<br />

bereits § 64 Satz 1 zum Zuge kommen.<br />

bb) Nur eine zum Insolvenzantrag berechtigende Zahlungsunfähigkeit führt<br />

zur Haftung. Daran fehlt es nicht nur im Fall bloßer Zahlungsstockung (diese<br />

genügt nicht für § 17 Abs. 2 InsO), sondern auch dann, wenn die zunächst<br />

eingetretene Zahlungsunfähigkeit vor einer Insolvenzverfahrenseröffnung (§ 27<br />

InsO) bzw. Ablehnung mangels Masse (§ 26 InsO) wieder behoben worden ist 2 .<br />

Die Haftung ist aber nicht ausgeschlossen, wenn die Verfahrenseröffnung selbst<br />

statt auf § 17 InsO (Zahlungsunfähigkeit) auf § 18 InsO (drohende Zahlungsunfähigkeit)<br />

oder § 19 InsO (Überschuldung) gestützt wurde. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit<br />

entscheidet.<br />

cc) Kausalität der Zahlung für die Zahlungsunfähigkeit ist erforderlich. Hieran<br />

fehlt es, wenn Zahlungsunfähigkeit im Zahlungszeitpunkt bereits eingetreten<br />

war oder wenn sie nicht auf der Zahlung beruhte 3 . Wiederum greift das Verbot<br />

schon ex ante auf Grund der Eignung der Zahlung zur Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit<br />

(Rdnr. 68) ein. Aber die Ersatzpflicht setzt neben dem Eintritt<br />

der Zahlungsunfähigkeit den Ursachenzusammenhang zwischen Zahlung und<br />

Zahlungsunfähigkeit voraus 4 . Die Zahlung muss nicht die alleinige Ursache<br />

sein (kaum je beruht eine Insolvenz auf einer einzigen Ursache) 5 . Umgekehrt<br />

ist nicht erforderlich, dass es ohne die Zahlung niemals zur Zahlungsunfähigkeit<br />

gekommen wäre. Entscheidend ist, dass die Zahlung nicht hinfortgedacht<br />

werden kann, ohne dass die konkrete Zahlungsunfähigkeit zu dem konkreten<br />

Zeitpunkt entfiele. Vorverlegung einer bereits drohenden Zahlungsunfähigkeit<br />

durch die Zahlung kann als Verursachung ausreichen. Eine vom Gesetzgeber<br />

nicht gewollte (Rdnr. 65) unverhältnismäßige Ausdehnung der Haftungsbestimmung<br />

droht von dieser Kausalitätsbetrachtung nicht. Gegen sie sind die Geschäftsführer<br />

durch eine doppelte Sicherung geschützt: verboten sind Zahlungen,<br />

die (ex ante betrachtet) zur Zahlungsunfähigkeit führen „müssen“ (das<br />

Gesetz formuliert post: „mussten“), und auch dann haften die Geschäftsführer<br />

nicht, wenn dieser Tatbestand bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen<br />

Geschäftsleiters nicht erkennbar war (vgl. Rdnr. 87).<br />

dd) Unmittelbare Kausalität ist erforderlich. Das bedeutet nicht, dass nicht<br />

weitere Unstände hinzutreten können (Rdnr. 83). Noch weniger bedeutet dies,<br />

1 So ausdrücklich etwa Greulich/Bunnemann, NZG 2006, 681, 684; a.M. Casper, in:<br />

Ulmer, Rdnr. 107; Casper, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und<br />

Praxis, Rdnr. 6.44.<br />

2 Ähnlich Casper, in: Ulmer, Rdnr. 110; Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203, 1208.<br />

3 Casper; in: Ulmer, Rdnr. 110; Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203, 1208.<br />

4 Begr. RegE MoMiG, BT-<strong>Dr</strong>ucks. 16/6140, S. 46; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 108; Kleindiek,<br />

in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 28.<br />

5 Dies ist kein Problem des rechtmäßigen Alternativverhaltens; so aber Casper, in: Ulmer,<br />

Rdnr. 110 im Anschluss an Böcker/Poertzgen, WM 2007, 1203, 1208.<br />

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