Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64 Personen, Treugeber, Nießbraucher sowie im Konzernverbund 1 . Gleichzustellen ist aber auch jede sonstige Zahlung an einen Dritten für Rechnung des Gesellschafters 2 , richtigerweise wohl sogar die Zahlung auf eine Forderung des Gesellschafters an seinen Gläubiger, der diese Forderung gepfändet hat (§§ 829, 835 ZPO) 3 . Der Geschäftsführer kann in diesem Fall das Zahlungsverbot auch dem Pfändungspfandgläubiger entgegenhalten (§ 804 Abs. 2 ZPO, §§ 1275, 404 BGB). Auch die Leistung der Gesellschaft als Bürgin oder Garantin für den Gesellschafter kann unter Satz 3 fallen (Rdnr. 75). Zweifelhaft ist, ob es sich wie bei § 30 um eine Leistung „causa societatis“, also an den Gesellschafter als solchen, handeln muss, m.a.W. um eine Leistung, die unter der Voraussetzungen des § 30 eine verbotene Ausschüttung wäre 4 . Die Frage ist zu verneinen. § 64 Satz 3 meint jede Zahlung 5 . Zahlungen „causa societatis“ sind einerseits immer erfasst, auch wenn sie nicht dem Gesellschafter selbst zufließen (s. oben). Eine Zahlung „causa societatis“ ist aber für die Anwendung von § 64 Satz 3 nicht erforderlich. Es handelt sich bei § 64 Satz 3 um eine Liquiditätsschutznorm, und diese setzt – anders als die Kapitalschutznorm des § 30 – nicht bei der Schmälerung des Gesellschaftsvermögens durch offene oder verdeckte Ausschüttungen an die Gesellschafter an, sondern bei der Liquiditätsgefährdung durch jedwede Zahlung an die Gesellschafter. § 64 Satz 3 nimmt deshalb keine Rücksicht auf das Bedürfnis, noch Austauschgeschäfte mit der Gesellschaft zu tätigen, sofern diese Austauschgeschäfte die Liquidität der Gesellschaft schmälern. Auch Fälligkeit der Gesellschafterforderung hindert die Anwendung der Bestimmung nicht 6 . Wäre dies richtig, so liefe § 64 Satz 3 leer 7 . Aus § 64 Satz 3 ergibt sich deshalb ein Leistungsverweigerungsrecht (Rdnr. 91). bb) Die Gesellschaftereigenschaft muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Zahlung vorliegen 8 . In Fällen eines vorherigen Ausscheidens wird allerdings häufig noch eine Zahlung an den Empfänger als vormaligen Gesellschafter oder eine Zahlung für Rechnung eines Anteilserwerbers vorliegen (so u.U. in Buy-out- Fällen). Das genügt 9 . cc) Der Rechtsgrund der Zahlung ist ohne Belang. Es kann sich um eine Zahlung ohne oder mit Rechtsgrund handeln, und der Rechtsgrund kann gesellschaftsrechtlicher oder rein schuldrechtlicher Art sein (vgl. neuerlich Rdnr. 77). 1 Ähnlich Casper, in: Ulmer, Rdnr. 106; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 26. 2 Vgl. auch Casper, in: Ulmer, Rdnr. 106. 3 Zum hiermit einhergehenden Leistungsverweigerungsrecht vgl. alsbald im Text. 4SoAltmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 61, 64; für § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG Cahn, Der Konzern 2009, 7, 11; krit., jedoch zögernd, Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 25. 5 So auch Spliedt, ZIP 2009, 149, 159 f. 6 Spliedt, ZIP 2009, 149, 160; a.M. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 61. 7 Es würde eine Vereinbarung zwischen der Gesellschaft (Geschäftsführer) und dem Gesellschafter über die Fälligkeit (die sogar konkludent in der Zahlung selbst liegen könnte) ausreichen, um Satz 3 unanwendbar zu machen (hierfür aber expressis verbis Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 63). 8 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 106 (aber mit bedenklicher Gleichsetzung des Kausalgeschäfts z.Z. der Beteiligung). 9 Ähnlich Casper, in: Ulmer, Rdnr. 106. Karsten Schmidt | 4191 78 79
80 81 §64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Gewinnausschüttungen, auch wenn nach § 46 Nr. 1 beschlossen, können nach Satz 3 ebenso verboten sein wie Entgeltzahlungen für Drittgeschäfte mit Gesellschaftern. Auch Gehaltszahlungen an einen Gesellschafter-Geschäftsführer fallen unter § 64 Satz 3 1 . Zahlungen auf Gesellschafterdarlehen sind auch dann erfasst, wenn das Darlehen auf Grund des Kleinbeteiligungsprivilegs (§ 39 Abs. 5 InsO = § 32a Abs. 3 Satz 2 a.F.) oder auf Grund des Sanierungsprivilegs (§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO = § 32a Abs. 3 Satz 3 a.F.) nicht den Sonderregeln über Gesellschafterdarlehen unterliegt 2 . Zweifelhaft ist, ob dasselbe bei der Zahlung von Nutzungsentgelt an Gesellschafter gilt 3 . Aus § 135 Abs. 3 InsO ist grundsätzlich zu folgern, dass die Zahlung von Nutzungsentgelt an Gesellschafter selbst noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterläuft. Zahlungen von Nutzungsentgelt vor der Verfahrenseröffnung sind deshalb, anders als nach der dem MoMiG vorausgegangenen Rechtsprechung (vgl. §§ 32a, b Rdnr. 140 mit Kritik Rdnr. 135) weder nach § 30 Abs. 1 verboten noch wie Leistungen auf Darlehenszinsen nach § 135 InsO anfechtbar (vgl. dazu Nachtrag MoMiG zu §§ 32a/b a.F. Rdnr. 68 in diesem Band). Hierin könnte man einen Wertungskonflikt sehen. Indes gilt § 64 Satz 3 nicht nur, wie § 30 Abs. 1, für Zahlungen causa societatis (Rdnr. 79) und auch nicht nur für Zahlungen, die im Insolvenzfall der Anfechtung unterliegen. Das spricht gegen ein aus § 135 Abs. 3 InsO ablesbares generelles Privileg für Nutzungsentgelt. Die Lösung des Konflikts sollte in der Anwendung des § 64 Satz 2 gesehen werden: Wenn mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters angenommen werden kann, dass die Ausübung des Nutzungsrechts selbst im Fall der Insolvenzverfahrenseröffnung „für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist“ (§ 135 Abs. 3 Satz 1 InsO), ist die Zahlung des Nutzungsentgelts auch noch im Vorfeld der Zahlungsunfähigkeit „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ vereinbar (§ 64 Satz 2). Die Zahlung von Nutzungsentgelt an einen Gesellschafter ist also bei einem betriebsnotwendigen Gegenstand haftungsfrei. Diese Lösung setzt allerdings voraus, dass der Ausnahmetatbestand des § 64 Satz 2 im Rahmen von § 64 Satz 3 überhaupt anwendbar ist (dazu Rdnr. 88). c) Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit: Das Gesetz verbietet Zahlungen, soweit sie zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen müssen (die Vergangenheitsform beruht auf der ex-post-Perspektive des Gesetzeswortlauts; vgl. dazu Rdnr. 68). Im Einzelnen bedeutet dies: aa) Es muss Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) eingetreten sein (zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit vgl. Vor § 64 Rdnr. 6) 4 . Zwar kommt der Verbotstatbestand schon vor der Zahlungsunfähigkeit zum Zuge, denn er stellt auf die Eignung der Zahlung zur Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit ab (Rdnr. 68). Aber die in § 64 Satz 3 ex post angeordnete Ersatzpflicht als Sanktion kann erst 1 A.M. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 61. 2 So wohl auch Casper, in: Ulmer, Rdnr. 106; a.M. für § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG Cahn, Der Konzern 2009, 7, 12. 3 Vgl. Greulich/Rau, NZG 2008, 284, 287, die für die Gegenleistung keine unmittelbare Liquiditätsqualität fordern, sondern auf den in der Folge zu erwartenden Liquiditätszufluss abstellen. 4 Begr. RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S. 46. 4192 | Karsten Schmidt
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§64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung<br />
Gewinnausschüttungen, auch wenn nach § 46 Nr. 1 beschlossen, können nach<br />
Satz 3 ebenso verboten sein wie Entgeltzahlungen für <strong>Dr</strong>ittgeschäfte mit Gesellschaftern.<br />
Auch Gehaltszahlungen an einen Gesellschafter-Geschäftsführer<br />
fallen unter § 64 Satz 3 1 . Zahlungen auf Gesellschafterdarlehen sind auch dann<br />
erfasst, wenn das Darlehen auf Grund des Kleinbeteiligungsprivilegs (§ 39<br />
Abs. 5 InsO = § 32a Abs. 3 Satz 2 a.F.) oder auf Grund des Sanierungsprivilegs<br />
(§ 39 Abs. 4 Satz 2 InsO = § 32a Abs. 3 Satz 3 a.F.) nicht den Sonderregeln über<br />
Gesellschafterdarlehen unterliegt 2 . Zweifelhaft ist, ob dasselbe bei der Zahlung<br />
von Nutzungsentgelt an Gesellschafter gilt 3 . Aus § 135 Abs. 3 InsO ist grundsätzlich<br />
zu folgern, dass die Zahlung von Nutzungsentgelt an Gesellschafter<br />
selbst noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterläuft. Zahlungen<br />
von Nutzungsentgelt vor der Verfahrenseröffnung sind deshalb, anders als nach<br />
der dem MoMiG vorausgegangenen Rechtsprechung (vgl. §§ 32a, b Rdnr. 140<br />
mit Kritik Rdnr. 135) weder nach § 30 Abs. 1 verboten noch wie Leistungen auf<br />
Darlehenszinsen nach § 135 InsO anfechtbar (vgl. dazu Nachtrag MoMiG zu<br />
§§ 32a/b a.F. Rdnr. 68 in diesem Band). Hierin könnte man einen Wertungskonflikt<br />
sehen. Indes gilt § 64 Satz 3 nicht nur, wie § 30 Abs. 1, für Zahlungen<br />
causa societatis (Rdnr. 79) und auch nicht nur für Zahlungen, die im Insolvenzfall<br />
der Anfechtung unterliegen. Das spricht gegen ein aus § 135 Abs. 3 InsO<br />
ablesbares generelles Privileg für Nutzungsentgelt. Die Lösung des Konflikts<br />
sollte in der Anwendung des § 64 Satz 2 gesehen werden: Wenn mit der Sorgfalt<br />
eines ordentlichen Geschäftsleiters angenommen werden kann, dass die Ausübung<br />
des Nutzungsrechts selbst im Fall der Insolvenzverfahrenseröffnung „für<br />
die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist“ (§ 135<br />
Abs. 3 Satz 1 InsO), ist die Zahlung des Nutzungsentgelts auch noch im Vorfeld<br />
der Zahlungsunfähigkeit „mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“<br />
vereinbar (§ 64 Satz 2). Die Zahlung von Nutzungsentgelt an einen Gesellschafter<br />
ist also bei einem betriebsnotwendigen Gegenstand haftungsfrei. Diese<br />
Lösung setzt allerdings voraus, dass der Ausnahmetatbestand des § 64 Satz 2 im<br />
Rahmen von § 64 Satz 3 überhaupt anwendbar ist (dazu Rdnr. 88).<br />
c) Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit: Das Gesetz verbietet Zahlungen,<br />
soweit sie zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen müssen (die Vergangenheitsform<br />
beruht auf der ex-post-Perspektive des Gesetzeswortlauts; vgl.<br />
dazu Rdnr. 68). Im Einzelnen bedeutet dies:<br />
aa) Es muss Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) eingetreten sein (zum Begriff<br />
der Zahlungsunfähigkeit vgl. Vor § 64 Rdnr. 6) 4 . Zwar kommt der Verbotstatbestand<br />
schon vor der Zahlungsunfähigkeit zum Zuge, denn er stellt auf die<br />
Eignung der Zahlung zur Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit ab (Rdnr. 68).<br />
Aber die in § 64 Satz 3 ex post angeordnete Ersatzpflicht als Sanktion kann erst<br />
1 A.M. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 61.<br />
2 So wohl auch Casper, in: Ulmer, Rdnr. 106; a.M. für § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG Cahn, Der<br />
Konzern 2009, 7, 12.<br />
3 Vgl. Greulich/Rau, NZG 2008, 284, 287, die für die Gegenleistung keine unmittelbare<br />
Liquiditätsqualität fordern, sondern auf den in der Folge zu erwartenden Liquiditätszufluss<br />
abstellen.<br />
4 Begr. RegE MoMiG, BT-<strong>Dr</strong>ucks. 16/6140, S. 46.<br />
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Karsten <strong>Schmidt</strong>