Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64 3. Gegenstandpunkt a) Nach der hier vertretenen Ansicht ist § 64 Satz 1 nichts anderes als eine Spezialregel über den Ersatz des Gesamtgläubigerschadens durch Zahlung an die Gesellschaft (Rdnr. 14, 51) 1 . Die Zahlung kommt damit allen Gläubigern zugute: den sog. Altgläubigern aus der Zeit vor der Insolvenzverschleppung und den sog. Neugläubigern aus der Verschleppungsphase 2 . Sie trägt damit zur Kompensation des allseitigen Quotenschadens (Anh. § 64 Rdnr. 65 f.) bei. Gleichzeitig erleichtert die Bestimmung der Gesellschaft bzw. ihrem Insolvenzverwalter die schwierige Darlegung und ggf. Beweisführung hinsichtlich des Insolvenzverschleppungsschadens (Rdnr. 51). Nach § 64 Satz 1 (bzw. § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB) ist eine auf die Rückerstattung der Zahlungen gerichtete Klage deshalb ohne Weiteres schlüssig. Sie ist aber nicht ohne Weiteres in dieser Höhe begründet, weil der Gegenbeweis möglich ist. b) Der Gegenbeweis, dass der Gesamtgläubigerschaden – also die für die Erreichung der „Soll-Quote“ in der Insolvenz erforderliche Zahlung (Anh. § 64 Rdnr. 61, 67) – geringer ist als die nach § 64 Satz 1 eingeforderte Summe, ist nach der hier vertretenen Ansicht zulässig 3 . Der Gesamtgläubigerschaden entspricht dem Betrag, um den die Insolvenzmasse zur Herbeiführung der ohne Insolvenzverschleppung erzielbaren Quote erhöht werden muss. Der nach Altmeppen zu zahlende Verlustausgleich 4 wird dem i.d.R. entsprechen (Anh. § 64 Rdnr. 63, 67). De lege ferenda ist eine solche Regelung zu empfehlen 5 . 4. Geltendmachung des Anspruchs a) Gläubigerin ist die Gesellschaft 6 : Nach Insolvenzverfahrenseröffnung macht der Insolvenzverwalter den Anspruch geltend 7 . Grundlage ist im Geltungsbereich des § 64 nicht § 92 InsO (zu dieser Bestimmung vgl. Anh. § 64 Rdnr. 66), sondern § 80 Abs. 1 InsO 8 . Der Anspruch gehört zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO). Eine Sondermasse braucht der Insolvenzverwalter nicht zu bilden 9 , denn das Geleistete kommt allen Insolvenzgläubigern zugute. 1 Deutlich noch BGH, NJW 1974, 1089 = KTS 1974, 230 = AG 1974, 359; Kühn, NJW 1970, 591; s. auch OLG Hamburg, BB 1959, 208 = MDR 1959, 311 = GmbHR 1959, 111 mit Anm. Trude. 2 Mühe hat deshalb BGHZ 138, 211, 218 = NJW 1998, 2667 = ZIP 1998, 776. 3 Vgl. schon 9. Aufl., Rdnr. 35; Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.34; heute auch Casper, in: Ulmer, Rdnr. 82. 4 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27, 31 f. 5 Vgl. Karsten Schmidt, ZIP 2009, 1551, 1554. 6 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7. 7 Beispiele BGHZ 131, 325 = GmbHR 1996, 221; BGHZ 143, 184 = NJW 2000, 668 = ZIP 2000, 184; BGHZ 146, 264 = GmbHR 2001, 190 = NJW 2001, 1280 = ZIP 2001, 235. 8 Vgl. nur Poertzgen, Organhaftung, S. 223; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 95. 9 Poertzgen, Organhaftung, S. 226. Karsten Schmidt | 4183 56 57 58

59 60 61 62 §64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung b) Auch außerhalb des Insolvenzverfahrens ist § 64 Satz 1, anders als § 92 InsO, anwendbar 1 . Der Anspruch kann dann im Namen der Gesellschaft von deren Vertreter (Geschäftsführer oder Liquidator als Nachfolger des Haftungsschuldners) geltend gemacht werden 2 . Der Anspruch ist pfändbar 3 . Er kann also – namentlich im Fall einer Insolvenzablehnung mangels Masse (§ 26 InsO) – von einem Gesellschaftsgläubiger gepfändet und diesem nach § 835 ZPO überwiesen werden 4 . c) Die Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess liegt, was die objektive Voraussetzung des § 64 Satz 1 anlangt, bei der Partei, die den Anspruch geltend macht 5 . Vom in Anspruch genommenen Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen ist dagegen: der Ausnahmetatbestand der erlaubten Zahlung nach § 64 Satz 2 (vgl. Rdnr. 38), die Exkulpation (Rdnr. 47) sowie die Behauptung, dass der Insolvenzverschleppungsschaden geringer ist als die Summe der unter § 64 Satz 1 fallenden Zahlungen (Rdnr. 57). d) Verzicht und Vergleich: aa) Grundsatz: Verzicht und Vergleich der Gesellschaft hinsichtlich des Ersatzanspruchs sind, wie aus den entsprechend anwendbaren §§ 43 Abs. 3, 9b Abs. 1 folgt, insoweit unwirksam, als der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist (§ 64 Satz 4). Das ergibt sich im Gegensatz zu § 43 im Grunde von selbst, denn es geht zwar um einen Anspruch der Gesellschaft, jedoch um Schadensersatz für die Gläubiger, nicht für die Gesellschaft (vgl. auch Rdnr. 6). Das Vergleichsverbot gilt allerdings nicht, wenn der Vergleich Bestandteil eines Insolvenzplans der Gesellschaft ist oder wenn mit einem seinerseits insolventen Haftungsschuldner ein Vergleich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wird (§ 9b Abs. 1 Satz 2). Die durch § 64 Satz 4 nur exemplarisch in Bezug genommenen Regeln gelten nicht nur für § 64, sondern für den ganzen Anspruch der Gesellschaft auf Liquidation des Gesamtgläubigerschadens durch Auffüllung des Gesellschaftsvermögens (dazu Anh. § 64 Rdnr. 65 ff.). Sie gelten aber nur für den Ersatz des Gesamtschadens, nicht für die Individualschadensansprüche einzelner Gläubiger. Diese können wegen des den Gesamtschaden übersteigenden Individualschadens (Anh. § 64 Rdnr. 68) auf den Ersatz verzichten. Der Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung gebührt dagegen allen Gläubigern. Auch der Insolvenzverwalter darf nicht auf den Anspruch verzichten 6 , es sei denn, alle Gläubiger stimmten zu (ein theoretischer Fall!). bb) Zulässige Vergleiche: Das Verzichts- und Vergleichsverbot gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insol- 1 Richtig Poertzgen, Organhaftung, S. 220; a.M. BGH, NJW 2001, 304, 305 = ZIP 2000, 1896; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 16; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/ Hueck, Rdnr. 82; Nerlich, in: Michalski, Rdnr. 47. 2 Poertzgen, Organhaftung, S. 220 Fn. 31. 3 BGH, NJW 2001, 304, 305 = GmbHR 2000, 1149, 1150 = ZIP 2000, 1896, 1897 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 17; Karsten Schmidt, GmbHR 2000, 1225 ff. 4 BGH, NJW 2001, 304, 305; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 82; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 95. 5 BGHZ 163, 134, 145 = GmbHR 2005, 1117, 1121 = ZIP 2005, 1426, 1430. 6 Ausführlich noch 8. Aufl., Rdnr. 43; a.M. noch Scholz in der 5. Aufl., Rdnr. 10. 4184 | Karsten Schmidt

Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64<br />

3. Gegenstandpunkt<br />

a) Nach der hier vertretenen Ansicht ist § 64 Satz 1 nichts anderes als eine<br />

Spezialregel über den Ersatz des Gesamtgläubigerschadens durch Zahlung an<br />

die Gesellschaft (Rdnr. 14, 51) 1 . Die Zahlung kommt damit allen Gläubigern<br />

zugute: den sog. Altgläubigern aus der Zeit vor der Insolvenzverschleppung und<br />

den sog. Neugläubigern aus der Verschleppungsphase 2 . Sie trägt damit zur Kompensation<br />

des allseitigen Quotenschadens (Anh. § 64 Rdnr. 65 f.) bei. Gleichzeitig<br />

erleichtert die Bestimmung der Gesellschaft bzw. ihrem Insolvenzverwalter<br />

die schwierige Darlegung und ggf. Beweisführung hinsichtlich des Insolvenzverschleppungsschadens<br />

(Rdnr. 51). Nach § 64 Satz 1 (bzw. § 130a Abs. 1 Satz 1<br />

HGB) ist eine auf die Rückerstattung der Zahlungen gerichtete Klage deshalb<br />

ohne Weiteres schlüssig. Sie ist aber nicht ohne Weiteres in dieser Höhe begründet,<br />

weil der Gegenbeweis möglich ist.<br />

b) Der Gegenbeweis, dass der Gesamtgläubigerschaden – also die für die Erreichung<br />

der „Soll-Quote“ in der Insolvenz erforderliche Zahlung (Anh. § 64<br />

Rdnr. 61, 67) – geringer ist als die nach § 64 Satz 1 eingeforderte Summe, ist<br />

nach der hier vertretenen Ansicht zulässig 3 . Der Gesamtgläubigerschaden<br />

entspricht dem Betrag, um den die Insolvenzmasse zur Herbeiführung der<br />

ohne Insolvenzverschleppung erzielbaren Quote erhöht werden muss. Der<br />

nach Altmeppen zu zahlende Verlustausgleich 4 wird dem i.d.R. entsprechen<br />

(Anh. § 64 Rdnr. 63, 67). De lege ferenda ist eine solche Regelung zu empfehlen<br />

5 .<br />

4. Geltendmachung des Anspruchs<br />

a) Gläubigerin ist die Gesellschaft 6 : Nach Insolvenzverfahrenseröffnung macht<br />

der Insolvenzverwalter den Anspruch geltend 7 . Grundlage ist im Geltungsbereich<br />

des § 64 nicht § 92 InsO (zu dieser Bestimmung vgl. Anh. § 64 Rdnr. 66),<br />

sondern § 80 Abs. 1 InsO 8 . Der Anspruch gehört zur Insolvenzmasse (§ 35<br />

InsO). Eine Sondermasse braucht der Insolvenzverwalter nicht zu bilden 9 , denn<br />

das Geleistete kommt allen Insolvenzgläubigern zugute.<br />

1 Deutlich noch BGH, NJW 1974, 1089 = KTS 1974, 230 = AG 1974, 359; Kühn, NJW<br />

1970, 591; s. auch OLG Hamburg, BB 1959, 208 = MDR 1959, 311 = GmbHR 1959, 111<br />

mit Anm. Trude.<br />

2 Mühe hat deshalb BGHZ 138, 211, 218 = NJW 1998, 2667 = ZIP 1998, 776.<br />

3 Vgl. schon 9. Aufl., Rdnr. 35; Karsten <strong>Schmidt</strong>, in: Karsten <strong>Schmidt</strong>/Uhlenbruck, Die<br />

GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.34; heute auch Casper, in: Ulmer,<br />

Rdnr. 82.<br />

4 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27, 31 f.<br />

5 Vgl. Karsten <strong>Schmidt</strong>, ZIP 2009, 1551, 1554.<br />

6 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7.<br />

7 Beispiele BGHZ 131, 325 = GmbHR 1996, 221; BGHZ 143, 184 = NJW 2000, 668 =<br />

ZIP 2000, 184; BGHZ 146, 264 = GmbHR 2001, 190 = NJW 2001, 1280 = ZIP 2001,<br />

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8 Vgl. nur Poertzgen, Organhaftung, S. 223; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 95.<br />

9 Poertzgen, Organhaftung, S. 226.<br />

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