Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64 ne Zahlung unweigerlich in die Haftung wegen Verstoßes gegen das gesellschaftsrechtliche „Zahlungsverbot“ geriet 1 . Auflösen konnte der Geschäftsführer diesen Konflikt zwar, indem er den Insolvenzantrag stellte, aber bei der Bewertung ex post war das keine Hilfe. Die aus diesem Grund unerträgliche Praxis ist überholt 2 . Gesetzlich gebotene Zahlungen sind durch § 64 Satz 2 privilegiert. c) Unverboten sind Zahlungen, die zu einem mit § 15a InsO zu vereinbarenden Sanierungsversuch beitragen oder im Fall späterer Insolvenzverfahrenseröffnung größere Nachteile von der Masse abwenden 3 . Das gilt unter strengen Voraussetzungen insbesondere für laufende Aufwendungen wie Löhne, Gehälter, Versicherungsprämien, Mietzahlungen usw., die für die vorübergehende Aufrechterhaltung des Betriebs erforderlich sind 4 . Größere Aufwendungen für eine Sanierung können dagegen nur gerechtfertigt sein, wenn dies durch die Finanzlage gerechtfertigt ist 5 . Ein substanzloses Sanierungskonzept rechtfertigt die Zahlungen nicht 6 . d) Zahlungen, die auch im Insolvenzfall als Masseschulden beglichen werden müssten, können gleichfalls von § 64 Satz 1 ausgenommen sein 7 . Hierfür genügt allerdings nicht, dass sie auch von einem Insolvenzverwalter hätten begründet (§ 55 Abs. 2 Nr. 1) oder durch Erfüllung eines laufenden Vertrags (§ 103 InsO) hätten zu Masseverbindlichkeiten gemacht werden können (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) 8 . Soweit der Insolvenzverwalter Wahlrechte hat, dürfen Geschäftsführer bzw. Liquidatoren in der Insolvenzverschleppungsphase nicht ihr Geschäftsleiterermessen an die Stelle des insolvenzrechtlich motivierten Verwalterermessens setzen. Aber Leistungen, die bei normalem Lauf der Dinge, insbesondere auch unter vorläufiger Insolvenzverwaltung, masseschmälernd aus dem Gesellschaftsvermögen befriedigt worden wären, sind von Satz 2 erfasst und damit privilegiert 9 . Dies gilt z.B. für Dauerschuldverhältnisse, die auch unter Insolvenzbedingungen fortbestehen (§§ 108 ff., 135 Abs. 3 InsO) 10 sowie für durch Vormerkung (§ 106 InsO) bzw. Eigentumsvorbehalt gesicherte Sachleis- 1 Hierzu ausführlich Uwe H. Schneider/Brouwer, ZIP 2007, 1033 ff.; Berger/Herbst, BB 2006, 437 ff. 2 Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.44 ff. 3 BGHZ 146, 264, 275 = GmbHR 2001, 190, 193 = NJW 2001, 1280, 1282 = ZIP 2001, 235, 238; BGH, GmbHR 2008, 142, 143 = NJW-RR 2008, 495, 496; OLG Hamburg, GmbHR 2004, 797; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 89; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Karsten Schmidt, ZHR 168 (2004), 637, 668. 4 OLG Celle, GmbHR 2004, 568 = ZIP 2004, 1210; OLG Celle, GmbHR 2008, 1034; OLG Hamburg, GmbHR 2004, 797; zur Abgrenzung OLG Dresden, GmbHR 2005, 173. 5 BGH, GmbHR 2007, 936 = ZIP 2007, 1501; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 11. 6 OLG Dresden, GmbHR 2005, 173. 7 Weitherzig Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21. 8 Die Frage wurde vor allem zu Satz 3 bei Nutzungsüberlassungen nach § 135 Abs. 3 InsO diskutiert. 9 In gleicher Richtung Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Casper, in Ulmer, Rdnr. 89. 10 OLG Celle, GmbHR 2004, 568 = ZIP 2004, 1210. Karsten Schmidt | 4177 41 42

43 44 45 §64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung tungen (§§ 106, 107 InsO). Zahlungen wegen ungerechtfertigter Bereicherung (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) sind dagegen nicht gemäß § 64 Satz 2 privilegiert, selbst wenn es sich im Fall rechtzeitiger Insolvenzeröffnung um Bereicherungen der Masse und damit um Masseschulden gehandelt hätte. Hier hilft nur die Verrechnung bei zeitnaher Hin- und Herleistung (Rdnr. 31). 6. Zurechnung a) Die Geschäftsführer bzw. Liquidatoren (§ 71 Abs. 4) sind erstattungspflichtig. Obwohl § 64 Satz 1 neutral formuliert ist („geleistet werden“), sieht das Gesetz sie als Zahlende an. Dazu ist zu allererst eine Zurechenbarkeit der Zahlung erforderlich 1 . Es haftet nur, wer als Geschäftsführer oder Liquidator die Zahlung veranlasst oder geduldet hat (z.B. durch Nicht-Widerruf eines Dauerauftrags oder einer Abbuchungsermächtigung oder durch Gewährenlassen unter Mitgeschäftsführern), also nicht z.B. bei Pfändungsmaßnahmen 2 . Aber Gesamtverantwortung (Rdnr. 48) genügt. Faktische Geschäftsführer sind mit erfasst (vgl. Anh. § 64 Rdnr. 22 f.). b) Eine Haftung Dritter als Teilnehmer nach § 830 BGB kommt nach h.M. nicht in Betracht, weil der Anspruch nach § 64 Satz 1 keinen deliktsrechtlichen Inhalt hat 3 . Dem wird hier zwar nicht in der Begründung gefolgt (vgl. Rdnr. 14 zur Einbeziehung des § 64 in die Insolvenzverschleppungshaftung), wohl aber im Ergebnis: Die aus § 64 Satz 1 folgende Beweiserleichterung (Rdnr. 14) kommt nur gegenüber den Geschäftsführern als den typischerweise für das Gesellschaftsvermögen Verantwortlichen zum Zuge. Im Fall der Führungslosigkeit (§ 35 Satz 2) wird allerdings aus § 15a Abs. 3 Satz 1 zu folgern sein, dass § 64 Satz 1 statt gegen die Geschäftsführer gegen die Gesellschafter wirkt 4 . c) Mitglieder eines Aufsichtsrats oder Beirats können in Insolvenzverschleppungsfällen und damit auch bei der Haftung für Zahlungen nach § 52 i.V.m. §§ 116, 92 AktG der Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet sein 5 .§64 Satz 1 (bzw. § 130a Satz 1 HGB) wirkt nicht direkt gegen sie (vgl. auch Rdnr. 102). 7. Verschulden und Exkulpation a) Verschuldenserfordernis 46 Die Haftung aus § 64 setzt hinsichtlich aller Merkmale, nicht nur hinsichtlich der Zahlungen (vgl. § 64 Satz 2) ein Verschulden voraus. Fahrlässigkeit 1 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6, unter Berufung auf BGH, NJW 2009, 1598 = ZIP 2009, 956 f. 2 BGH, NJW 2009, 1598 = ZIP 2009, 956. 3 BGHZ 146, 264, 278 = NJW 2001, 1280, 1283 = ZIP 2001, 235, 239 mit Anm. Altmeppen; BGH, GmbHR 2008, 702, 703 = ZIP 2008, 1026; OLG Celle, GmbHR 2007, 318, 320 = ZIP 2007, 631, 633; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6. 4 Vgl. auch Goette, WPg 2008, 231, 238; Kindler, NJW 2008, 3249, 3254 f.; a.M. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6. 5 Zur Aufsichtsratshaftung BGH, GmbHR 2009, 654 = ZIP 2009, 860; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 6; Bork, NZG 2009, 775. 4178 | Karsten Schmidt

Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64<br />

ne Zahlung unweigerlich in die Haftung wegen Verstoßes gegen das gesellschaftsrechtliche<br />

„Zahlungsverbot“ geriet 1 . Auflösen konnte der Geschäftsführer diesen<br />

Konflikt zwar, indem er den Insolvenzantrag stellte, aber bei der Bewertung ex<br />

post war das keine Hilfe. Die aus diesem Grund unerträgliche Praxis ist überholt 2 .<br />

Gesetzlich gebotene Zahlungen sind durch § 64 Satz 2 privilegiert.<br />

c) Unverboten sind Zahlungen, die zu einem mit § 15a InsO zu vereinbarenden<br />

Sanierungsversuch beitragen oder im Fall späterer Insolvenzverfahrenseröffnung<br />

größere Nachteile von der Masse abwenden 3 . Das gilt unter strengen Voraussetzungen<br />

insbesondere für laufende Aufwendungen wie Löhne, Gehälter,<br />

Versicherungsprämien, Mietzahlungen usw., die für die vorübergehende Aufrechterhaltung<br />

des Betriebs erforderlich sind 4 . Größere Aufwendungen für eine<br />

Sanierung können dagegen nur gerechtfertigt sein, wenn dies durch die Finanzlage<br />

gerechtfertigt ist 5 . Ein substanzloses Sanierungskonzept rechtfertigt die<br />

Zahlungen nicht 6 .<br />

d) Zahlungen, die auch im Insolvenzfall als Masseschulden beglichen werden<br />

müssten, können gleichfalls von § 64 Satz 1 ausgenommen sein 7 . Hierfür genügt<br />

allerdings nicht, dass sie auch von einem Insolvenzverwalter hätten begründet<br />

(§ 55 Abs. 2 Nr. 1) oder durch Erfüllung eines laufenden Vertrags (§ 103<br />

InsO) hätten zu Masseverbindlichkeiten gemacht werden können (§ 55 Abs. 1<br />

Nr. 2 InsO) 8 . Soweit der Insolvenzverwalter Wahlrechte hat, dürfen Geschäftsführer<br />

bzw. Liquidatoren in der Insolvenzverschleppungsphase nicht ihr Geschäftsleiterermessen<br />

an die Stelle des insolvenzrechtlich motivierten Verwalterermessens<br />

setzen. Aber Leistungen, die bei normalem Lauf der Dinge, insbesondere<br />

auch unter vorläufiger Insolvenzverwaltung, masseschmälernd aus dem<br />

Gesellschaftsvermögen befriedigt worden wären, sind von Satz 2 erfasst und<br />

damit privilegiert 9 . Dies gilt z.B. für Dauerschuldverhältnisse, die auch unter<br />

Insolvenzbedingungen fortbestehen (§§ 108 ff., 135 Abs. 3 InsO) 10 sowie für<br />

durch Vormerkung (§ 106 InsO) bzw. Eigentumsvorbehalt gesicherte Sachleis-<br />

1 Hierzu ausführlich Uwe H. Schneider/Brouwer, ZIP 2007, 1033 ff.; Berger/Herbst, BB<br />

2006, 437 ff.<br />

2 Karsten <strong>Schmidt</strong>, in: Karsten <strong>Schmidt</strong>/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung<br />

und Insolvenz, Rdnr. 11.44 ff.<br />

3 BGHZ 146, 264, 275 = GmbHR 2001, 190, 193 = NJW 2001, 1280, 1282 = ZIP 2001, 235,<br />

238; BGH, GmbHR 2008, 142, 143 = NJW-RR 2008, 495, 496; OLG Hamburg, GmbHR<br />

2004, 797; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 89; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 12;<br />

Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Karsten <strong>Schmidt</strong>, ZHR 168 (2004), 637,<br />

668.<br />

4 OLG Celle, GmbHR 2004, 568 = ZIP 2004, 1210; OLG Celle, GmbHR 2008, 1034;<br />

OLG Hamburg, GmbHR 2004, 797; zur Abgrenzung OLG <strong>Dr</strong>esden, GmbHR 2005, 173.<br />

5 BGH, GmbHR 2007, 936 = ZIP 2007, 1501; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff,<br />

Rdnr. 11.<br />

6 OLG <strong>Dr</strong>esden, GmbHR 2005, 173.<br />

7 Weitherzig Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21.<br />

8 Die Frage wurde vor allem zu Satz 3 bei Nutzungsüberlassungen nach § 135 Abs. 3<br />

InsO diskutiert.<br />

9 In gleicher Richtung Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 21; Casper, in Ulmer,<br />

Rdnr. 89.<br />

10 OLG Celle, GmbHR 2004, 568 = ZIP 2004, 12<strong>10.</strong><br />

Karsten <strong>Schmidt</strong> | 4177<br />

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