Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
60 61 62 63 §52 Aufsichtsrat geln des Organisationsrechts zu schließen 1 . Verallgemeinernde Aussagen verbieten sich; denn dabei würden die Besonderheiten der jeweiligen statutarischen Regelung nicht hinreichend berücksichtigt. e) Pflichtaufsichtsrat und Beirat Hat die Gesellschaft einen obligatorischen Aufsichtsrat, so sind die Gesellschafter nicht gehindert, zusätzlich einen Beirat einzurichten2 . Weitgehend Einigkeit besteht, dass einem solchen Beirat aber keine Befugnisse eingeräumt werden dürfen, durch die die dem Pflichtaufsichtsrat übertragenen Befugnisse beschränkt werden. Dies ist nicht der Fall, wenn der Beirat Überwachungsbefugnisse hat 3 . Unbedenklich ist die gleichzeitige oder erweiterte Prüfung des Jahresabschlusses durch den Beirat. Unbedenklich ist ferner eine Beratung der Geschäftsführer im Rahmen der laufenden Unternehmensleitung und eine Erörterung der künftigen Unternehmenspolitik. Auch können einem solchen Beirat Berichts- und Informationsrechte zustehen. Zweifelhaft sind Weisungsbefugnisse eines Beirats auf dem Gebiet der Geschäftsführung. Gegen die Zulässigkeit wird vorgebracht, die Einrichtung eines Beirats mit Weisungsbefugnissen verändere die Struktur der GmbH zugunsten einer Repräsentativverfassung. In mitbestimmungspflichtigen Unternehmen entspreche es dem institutionellen Gehalt der Mitbestimmungsgesetze, alle unternehmerischen Funktionen, welche die Gesellschafter nicht selbst wahrnehmen, der Kontrolle durch den Aufsichtsrat zu unterwerfen 4 . Daraus wird abgeleitet, dass Beiräten keine Weisungsbefugnis auf dem Gebiet der Geschäftsführung eingeräumt werden darf. Damit wird aber der Zweck der Mitbestimmung überdehnt. Da auch bei einem Pflichtaufsichtsrat das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung erhalten bleibt, wird das Mitbestimmungsrecht nicht beschränkt, wenn das Weisungsrecht nicht durch die Gesellschafterversammlung, sondern durch einen Beirat wahrgenommen wird. 4. Corporate Governance und rechtspolitische Überlegungen Recht und Wirklichkeit einer auf langfristige Wertschöpfung ausgerichteten Leitung und Kontrolle von Unternehmen (Corporate Governance) stehen nicht nur bei der Aktiengesellschaft, sondern auch bei der GmbH 5 dauerhaft auf dem Prüfstand. In diesem Zusammenhang ist auch die gesetzliche Aufsichtsratsver- 1 Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 327. 2 Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 358; Raiser, § 25 MitbestG Rdnr. 147; Ulmer/ Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rdnr. 138, 142; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 79; Hoffmann/ Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl., Rdnr. 164; Hölters, GmbHR 1980, 5; Mertens, in: FS Stimpel, 1986, S. 565; Teubner, ZGR 1986, 573. 3 Ebenso: Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 360; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 74. 4 Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 361 f.; ferner Teubner, ZGR 1986, 565, 578; zweifelnd auch Fleck, GmbHR 1995, 883. 5 Ebenso Hopt, in: FS Mestmäcker, 1996, S. 913. 3026 | Uwe H. Schneider
Aufsichtsrat §52 fassung, insbesondere bei den Unternehmen in der Rechtsform der AG, in die rechtspolitische Diskussion geraten 1 . So hat die „Regierungskommission Corporate Governance“ 2001 u.a. die Größe des Aufsichtsrats, die Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern, die Entscheidungsbefugnisse von Aufsichtsratsausschüssen, die Sitzungsfrequenz, die interne Revision, die Berichts- und Redepflicht des Aufsichtsrats, seine Selbstevaluierung und den Umgang des Aufsichtsrats mit den Ergebnissen der Abschlussprüfung diskutiert und gesetzliche Änderungsvorschläge veröffentlicht. Diese Vorschläge, die vor dem Hintergrund der Kapitalmarktorientierung der Aktiengesellschaft zu sehen sind, lassen sich nur begrenzt auf die GmbH übertragen 2 .Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere die unterschiedliche Stellung des Aufsichtsrats, die originären Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung usw. Die Vorschläge ergänzen das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 1. 5. 1998. Dieses Gesetz hat auch für die GmbH die Aufsichtsratsverfassung geändert 3 . Das gilt vor allem, aber nicht nur, für die mitbestimmte GmbH. Für die mitbestimmte GmbH gelten unmittelbar aufgrund von Verweisungsvorschriften u.a. § 100 Abs. 2 Satz 3, § 111 Abs. 2 Satz 3, § 124 Abs. 3 Satz 3 und § 171 AktG sowie § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB. Mittelbar ergeben sich Auswirkungen aufgrund der erweiterten Berichtspflicht des Geschäftsführers der mitbestimmten GmbH nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG. In einer ersten Stufe der legislatorischen Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission Corporate Governance sind im Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG) vom 19. 7. 2002 4 sowie im Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. 9. 2005 5 weitere Änderungen der Aufsichtsratsverfassung erfolgt. Darüber hinaus hat die in der Folge eingesetzte Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex am 26. 2. 2002 erstmals den „Deutschen Corporate Governance Kodex“ 6 vorgelegt und diesen in der Folgezeit jährlich 1 Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003; Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001; Lutter, ZHR 159 (1995), 287; Lutter, ZGR 2001, 224; Röller, AG 1994, 333; Möllers, ZIP 1995, 1725; Baums, ZIP 1995, 11; Dörner/Oser, DB 1995, 1085; Theisen, AG 1995, 193; Wiedemann, ZIP 1997, 1565; Dreher, in: Feddersen/Hommelhoff/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1996, S. 33 ff.; Uwe H. Schneider, DB 2000, 2413; Peltzer/ v. Werder, AG 2001, 1; Berrar, Die Entwicklung der Corporate Governance in Deutschland im internationalen Vergleich, 2001; Berrar, NZG 2001, 1113. 2 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Vorbem. § 35 Rdnr. 11 f. 3 Zu den Auswirkungen des KonTraG auf die GmbH: Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, Vorbem. § 35 Rdnr. 12; Altmeppen, ZGR 1999, 291; allgemein: Hommelhoff/ Mattheus, AG 1998, 249; Claussen, DB 1998, 177; Deckert, NZG 1998, 710; Hommelhoff, in: FS Sandrock, 2000, S. 373. 4 BGBl. I 2002, 2681; näher dazu: Seibert, ZIP 2001, 2192. 5 BGBl. I 2005, 2802. 6 www.corporate-governance-code.de. S. zuvor auch schon die Corporate Governance Grundsätze der Grundsatzkommission Corporate Governance, abgedr. mit Einführung von Uwe H. Schneider/Strenger in AG 2000, 106. Uwe H. Schneider | 3027 64 65 66 67
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geln des Organisationsrechts zu schließen 1 . Verallgemeinernde Aussagen verbieten<br />
sich; denn dabei würden die Besonderheiten der jeweiligen statutarischen<br />
Regelung nicht hinreichend berücksichtigt.<br />
e) Pflichtaufsichtsrat und Beirat<br />
Hat die Gesellschaft einen obligatorischen Aufsichtsrat, so sind die Gesellschafter<br />
nicht gehindert, zusätzlich einen Beirat einzurichten2 .<br />
Weitgehend Einigkeit besteht, dass einem solchen Beirat aber keine Befugnisse<br />
eingeräumt werden dürfen, durch die die dem Pflichtaufsichtsrat übertragenen<br />
Befugnisse beschränkt werden. Dies ist nicht der Fall, wenn der Beirat Überwachungsbefugnisse<br />
hat 3 . Unbedenklich ist die gleichzeitige oder erweiterte<br />
Prüfung des Jahresabschlusses durch den Beirat. Unbedenklich ist ferner eine<br />
Beratung der Geschäftsführer im Rahmen der laufenden Unternehmensleitung<br />
und eine Erörterung der künftigen Unternehmenspolitik. Auch können einem<br />
solchen Beirat Berichts- und Informationsrechte zustehen.<br />
Zweifelhaft sind Weisungsbefugnisse eines Beirats auf dem Gebiet der Geschäftsführung.<br />
Gegen die Zulässigkeit wird vorgebracht, die Einrichtung eines<br />
Beirats mit Weisungsbefugnissen verändere die Struktur der GmbH zugunsten<br />
einer Repräsentativverfassung. In mitbestimmungspflichtigen Unternehmen<br />
entspreche es dem institutionellen Gehalt der Mitbestimmungsgesetze, alle<br />
unternehmerischen Funktionen, welche die Gesellschafter nicht selbst wahrnehmen,<br />
der Kontrolle durch den Aufsichtsrat zu unterwerfen 4 . Daraus wird<br />
abgeleitet, dass Beiräten keine Weisungsbefugnis auf dem Gebiet der Geschäftsführung<br />
eingeräumt werden darf. Damit wird aber der Zweck der Mitbestimmung<br />
überdehnt. Da auch bei einem Pflichtaufsichtsrat das Weisungsrecht der<br />
Gesellschafterversammlung erhalten bleibt, wird das Mitbestimmungsrecht<br />
nicht beschränkt, wenn das Weisungsrecht nicht durch die Gesellschafterversammlung,<br />
sondern durch einen Beirat wahrgenommen wird.<br />
4. Corporate Governance und rechtspolitische Überlegungen<br />
Recht und Wirklichkeit einer auf langfristige Wertschöpfung ausgerichteten<br />
Leitung und Kontrolle von Unternehmen (Corporate Governance) stehen nicht<br />
nur bei der Aktiengesellschaft, sondern auch bei der GmbH 5 dauerhaft auf dem<br />
Prüfstand. In diesem Zusammenhang ist auch die gesetzliche Aufsichtsratsver-<br />
1 Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 327.<br />
2 Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 358; Raiser, § 25 MitbestG Rdnr. 147; Ulmer/<br />
Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG<br />
Rdnr. 138, 142; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 79; Hoffmann/<br />
Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl., Rdnr. 164; Hölters, GmbHR 1980, 5; Mertens, in: FS<br />
Stimpel, 1986, S. 565; Teubner, ZGR 1986, 573.<br />
3 Ebenso: Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 360; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 74.<br />
4 Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 361 f.; ferner Teubner, ZGR 1986, 565, 578; zweifelnd<br />
auch Fleck, GmbHR 1995, 883.<br />
5 Ebenso Hopt, in: FS Mestmäcker, 1996, S. 913.<br />
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