Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64 Überweisung von Gesellschaftsvermögen auf ein für die Gesellschaft selbst geführtes Treuhandkonto ist dagegen nur haftungsfrei, wenn die Valuta wirtschaftlich im Vermögen der Gesellschaft verbleibt und nicht nur ein Rückzahlungsanspruch begründet wird 1 . Anders, wenn die Insolvenzmassen getrennt sind. Die Durchleitung von Zahlungen zwischen den Gesellschaften eines Konzerns 2 bzw. einer GmbH & Co. KG 3 kann nach der Rechtsprechung eine verbotene Zahlung sein. Nach einem BGH-Urteil vom 5. 5. 2008 4 verletzt der Geschäftsführer einer GmbH seine Massesicherungspflicht aus § 64 Satz 1 grundsätzlich auch dann, wenn er mit Geldern, die von anderen Konzerngesellschaften auf das Geschäftskonto der GmbH gezahlt worden sind, Schulden dieser Gesellschaften begleicht. Seine Haftung ist aber ausgeschlossen, wenn es sich um die weisungsgemäße Verwendung treuhänderischer Mittel handelt 5 . Bedenklich ist ein Urteil vom 31. 3. 2003 über eine umsatz- und gewerbesteuerliche Organschaft 6 . Hier hatte im Rahmen einer umsatz- und gewerbesteuerlichen Organschaft der Geschäftsführer einer Holdinggesellschaft von einer Bau-Tochtergesellschaft eine Gutschrift entgegengenommen und sodann aus dem kreditorischen Bankkonto mittels Scheck die Zahlung an das Finanzamt vorgenommen. Im Saldo war dies ein neutraler, die Gläubiger nicht schädigender Vorgang 7 . Dennoch entschied der BGH 8 : „Der Geschäftsführer einer GmbH verletzt seine Pflicht, das Gesellschaftsvermögen zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller künftigen Insolvenzgläubiger zusammenzuhalten, auch dann, wenn er bei Insolvenzreife der Gesellschaft Mittel von einem Dritten zu dem Zweck erhält, eine bestimmte Schuld zu tilgen, und kurze Zeit später dementsprechend die Zahlung an den Gesellschaftsgläubiger erwirkt.“ 2. Unbare Zahlungen (Buchgeldtransfers) Unbare Zahlungen (Buchgeldtransfers) sind mit erfasst. Voraussetzung ist, dass die Zahlungen dem Geschäftsführer zuzurechnen, nämlich von ihm veranlasst, mit seinem Wissen und Willen geschehen oder von ihm nicht verhindert worden sind 9 . Daran fehlt es z.B. bei Kontopfändungen 10 . Hierbei ist zu unterscheiden zwischen kreditorischen und debitorischen Bankkonten. 1 Vgl. LG Berlin, GmbHR 2006, 658 = ZIP 2006, 865. 2 Vgl. BGH, GmbHR 2003, 664 = NJW 2003, 2316 = ZIP 2003, 1005; insoweit bestätigend BGH, GmbHR 2008, 813 = NJW 2008, 2504 = ZIP 2008, 1129. 3 OLG Celle, GmbHR 2008, 101 = ZIP 2007, 2210. 4 BGH, GmbHR 2008, 813 = NJW 2008, 2504 = ZIP 2008, 1229. 5 Zust. Karsten Schmidt, ZIP 2008, 1401, 1406; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; der BGH sieht dies als Fall des Satzes 2; abl. Dahl/Schmitz, NZG 2008, 532 ff. 6 BGH, GmbHR 2003, 664 = NJW 2003, 2316 = ZIP 2003, 1005; zust. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; mit Recht krit. Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 79. 7 So in der Vorinstanz OLG Brandenburg, GmbHR 2002, 910. 8 BGH, GmbHR 2003, 664 = NJW 2003, 2316 = ZIP 2003, 1005. 9 Exemplarisch BGH, GmbHR 2009, 654 = ZIP 2009, 860; BGH, NJW 2009, 1598 = ZIP 2009, 956. 10 BGH, NJW 2009, 1598 = ZIP 2009, 956. Karsten Schmidt | 4171 25
26 §64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung a) Kreditorisches Bankkonto Zahlung i.S. von § 64 Satz 1 ist ohne Weiteres die Banküberweisung von einem kreditorisch geführten Bankkonto der Gesellschaft auf das eines Gläubigers1 . Dasselbe gilt für die Zahlung per Scheck2 . Erfasst ist auch die Zahlung aus einem für die Gesellschaft geführten Treuhandkonto3 . Beim Lastschriftverfahren kann die Abbuchung vom Konto der Gesellschaft eine Zahlung i.S. von § 64 Satz 1 sein4 . Die Geschäftsführer sind also ggf. angehalten, die Abbuchungsermächtigung zu widerrufen. Beim kreditorischen Bankkonto gilt die einfache Regel: Lastschrift zu Gunsten eines Dritten ist Zahlung, Gutschrift zugunsten der Gesellschaft ist Inkasso5 . b) Debitorisches Konto Bei einem debitorischen Konto ergeben sich charakteristische Schwierigkeiten. Nach der Rechtsprechung des BGH kehrt sich die Beurteilung von Vorgängen als Inkasso und als Zahlung um6 : Eingänge auf dem debitorischen Konto sind Zahlungen an die Bank7 . Unbare Zahlungen, diezu Lasten des debitorischen Kontos geleistet werden, fallen dagegen, weil sie „allein zum Nachteil der Bank“ gehen und nur einen Gläubigeraustausch bewirken, nach der Auffassung des BGH grundsätzlich nicht als „Zahlung“ unter § 64 Satz 1 bzw. § 130a Abs. 1 HGB8 . In der Literatur wird dieser Standpunkt teils unterstützt9 , teils bestritten10 . Vertreten wird auch eine vermittelnde Ansicht, die beim Inkasso darauf abstellt, ob hierdurch eine nutzbare Kreditlinie erweitert wird11 . Das OLG Köln hat eine Zahlung vom debitorischen Konto in einem Fall als von § 64 erfasst angesehen, in dem die Kreditlinie der Bank durch Kreditsicherheiten gedeckt war. Dann soll offenbar keine Zahlung „zum Nachteil der Bank“ vorliegen12 27 . 1 OLG Celle, GmbHR 1997, 901, 902; Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.38; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 84; Wicke, Rdnr. 20. 2 Vgl. BGH, GmbHR 2003, 1213 = NJW 2003, 2316 = ZIP 2003, 1005; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 84. 3 OLG Düsseldorf, ZIP 1998, 2101; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 84. 4 LG Köln, GmbHR 1990, 136 = WM 1990, 411; Casper, in: Ulmer, Rdnr. 84. 5 Vgl. Karsten Schmidt, ZIP 2008, 1401, 1406: „Nehmen ist seliger denn Geben“. 6 Vgl. Karsten Schmidt, ZIP 2008, 1401, 1406 f.: „Geben ist seliger denn Nehmen“. 7 BGHZ 143, 184 = GmbHR 2000, 182 = NJW 2000, 668 = ZIP 2000, 184; BGH, GmbHR 2007, 596 = ZIP 2007, 1006; st. Rspr. 8 BGH, GmbHR 2007, 596 = ZIP 2007, 1006; BGH, NJW 2009, 1598, 1599 = ZIP 2009, 956. 9 Vgl. nur Casper, in: Ulmer, Rdnr. 84, 87; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 8; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 9 a.E. (bezüglich der Zahlungen vom debitorischen Konto); Wicke, Rdnr. 20. 10 Vgl. Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.38 ff.; Karsten Schmidt, ZIP 2008, 2401 ff.; vgl. bezüglich der Eingänge auf dem Konto kritisch auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 10; Werres, ZInsO 2008, 1001, 1003. 11 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 88. 12 OLG Köln v. 15. 5. 2008 – 18 U 43/06; anders aber Kallmeyer, in: GmbH-Handbuch, Rdnr. I 4078. 4172 | Karsten Schmidt
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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64<br />
Überweisung von Gesellschaftsvermögen auf ein für die Gesellschaft selbst<br />
geführtes Treuhandkonto ist dagegen nur haftungsfrei, wenn die Valuta wirtschaftlich<br />
im Vermögen der Gesellschaft verbleibt und nicht nur ein Rückzahlungsanspruch<br />
begründet wird 1 . Anders, wenn die Insolvenzmassen getrennt<br />
sind. Die Durchleitung von Zahlungen zwischen den Gesellschaften eines Konzerns<br />
2 bzw. einer GmbH & Co. KG 3 kann nach der Rechtsprechung eine verbotene<br />
Zahlung sein. Nach einem BGH-Urteil vom 5. 5. 2008 4 verletzt der Geschäftsführer<br />
einer GmbH seine Massesicherungspflicht aus § 64 Satz 1 grundsätzlich<br />
auch dann, wenn er mit Geldern, die von anderen Konzerngesellschaften<br />
auf das Geschäftskonto der GmbH gezahlt worden sind, Schulden dieser<br />
Gesellschaften begleicht. Seine Haftung ist aber ausgeschlossen, wenn es sich<br />
um die weisungsgemäße Verwendung treuhänderischer Mittel handelt 5 . Bedenklich<br />
ist ein Urteil vom 31. 3. 2003 über eine umsatz- und gewerbesteuerliche<br />
Organschaft 6 . Hier hatte im Rahmen einer umsatz- und gewerbesteuerlichen<br />
Organschaft der Geschäftsführer einer Holdinggesellschaft von einer<br />
Bau-Tochtergesellschaft eine Gutschrift entgegengenommen und sodann aus<br />
dem kreditorischen Bankkonto mittels Scheck die Zahlung an das Finanzamt<br />
vorgenommen. Im Saldo war dies ein neutraler, die Gläubiger nicht schädigender<br />
Vorgang 7 . Dennoch entschied der BGH 8 : „Der Geschäftsführer einer GmbH<br />
verletzt seine Pflicht, das Gesellschaftsvermögen zur ranggerechten und gleichmäßigen<br />
Befriedigung aller künftigen Insolvenzgläubiger zusammenzuhalten,<br />
auch dann, wenn er bei Insolvenzreife der Gesellschaft Mittel von einem <strong>Dr</strong>itten<br />
zu dem Zweck erhält, eine bestimmte Schuld zu tilgen, und kurze Zeit<br />
später dementsprechend die Zahlung an den Gesellschaftsgläubiger erwirkt.“<br />
2. Unbare Zahlungen (Buchgeldtransfers)<br />
Unbare Zahlungen (Buchgeldtransfers) sind mit erfasst. Voraussetzung ist, dass<br />
die Zahlungen dem Geschäftsführer zuzurechnen, nämlich von ihm veranlasst,<br />
mit seinem Wissen und Willen geschehen oder von ihm nicht verhindert worden<br />
sind 9 . Daran fehlt es z.B. bei Kontopfändungen 10 . Hierbei ist zu unterscheiden<br />
zwischen kreditorischen und debitorischen Bankkonten.<br />
1 Vgl. LG Berlin, GmbHR 2006, 658 = ZIP 2006, 865.<br />
2 Vgl. BGH, GmbHR 2003, 664 = NJW 2003, 2316 = ZIP 2003, 1005; insoweit bestätigend<br />
BGH, GmbHR 2008, 813 = NJW 2008, 2504 = ZIP 2008, 1129.<br />
3 OLG Celle, GmbHR 2008, 101 = ZIP 2007, 22<strong>10.</strong><br />
4 BGH, GmbHR 2008, 813 = NJW 2008, 2504 = ZIP 2008, 1229.<br />
5 Zust. Karsten <strong>Schmidt</strong>, ZIP 2008, 1401, 1406; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff,<br />
Rdnr. 9; der BGH sieht dies als Fall des Satzes 2; abl. Dahl/Schmitz, NZG 2008, 532 ff.<br />
6 BGH, GmbHR 2003, 664 = NJW 2003, 2316 = ZIP 2003, 1005; zust. Kleindiek, in:<br />
Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 9; mit Recht krit. Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck,<br />
Rdnr. 79.<br />
7 So in der Vorinstanz OLG Brandenburg, GmbHR 2002, 9<strong>10.</strong><br />
8 BGH, GmbHR 2003, 664 = NJW 2003, 2316 = ZIP 2003, 1005.<br />
9 Exemplarisch BGH, GmbHR 2009, 654 = ZIP 2009, 860; BGH, NJW 2009, 1598 = ZIP<br />
2009, 956.<br />
10 BGH, NJW 2009, 1598 = ZIP 2009, 956.<br />
Karsten <strong>Schmidt</strong> | 4171<br />
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