Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64 eine Verlustdeckungshaftung nicht trägt (dagegen Anh. § 64 Rdnr. 55 f.). De lege ferenda kann die Gesetzgebung allerdings bei diesem Modell anknüpfen 1 . 5. Verständnis der „Erstattungspflicht“ Mit der Kontroverse über die Normstruktur des sog. „Zahlungsverbots“ gehen unterschiedliche Vorstellungen über die Rechtsfolgen einher (vgl. dazu im Einzelnen Rdnr. 49 ff.). a) Nach der vom Bundesgerichtshof angeführten herrschenden Auffassung (Rdnr. 8) begründet § 64 bzw. § 130a HGB einen Anspruch sui generis der Gesellschaft. Dieser Anspruch hat nach Ansicht des BGH nichts mit der bis 2008 in § 64 Abs. 1 a.F. geregelten, durch die Reform 2008 (MoMiG) in die Insolvenzordnung ausgewanderten „Insolvenzantragspflicht“ und mit dem Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung zu tun 2 . Dieser Anspruch sui generis ist nach der Rechtsprechung kein Schadensersatzanspruch und schon gar kein Anspruch wegen Verletzung des § 15a InsO. Er richtet sich einfach auf Wiederherstellung des durch die Zahlung verminderten Gesellschaftsvermögens. Kausalitäts- oder Schadensüberlegungen und Massekalkulationen werden nicht angestellt. Für diese Sichtweise spricht der Wortlaut des § 64 Satz 1. Anders lautet allerdings § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB (bis 2008 § 130a Abs. 3 Satz 1 HGB a.F.). Während § 64 vom „Ersatz von (verbotenen) Zahlungen“ spricht, ist nach dieser Bestimmung der Geschäftsführer „zum Ersatz des entstandenen Schadens“ verpflichtet 3 . Der BGH hat aber durch Urteile vom 5. 2. 2007 4 und vom 26. 3. 2007 5 ausdrücklich entschieden, dass auch § 130a Abs. 2 HGB – wie § 64 Satz 1 – im Sinne einer strikten Erstattungspflicht für jede unerlaubte Zahlung zu lesen ist, weil der in § 130a Abs. 2 HGB apostrophierte „Schaden“ schon durch den Abfluss von Mitteln aus dem Gesellschaftsvermögen bewirkt sei 6 . Dem folgt die wohl h.M. (vgl. auch Rdnr. 50) 7 . b) Die hier vertretene Auffassung bezieht § 64 Satz 1 (bzw. § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB) auch bezüglich der Rechtsfolge in die Insolvenzverschleppungshaftung nach § 15a InsO (vormals § 64 Abs. 1 a.F. bzw. § 130a Abs. 1 HGB a.F.) ein 8 . 1 Karsten Schmidt, ZIP 2009, 1551, 1554. 2 BGHZ 146, 264, 278 = GmbHR 2001, 190, 194 = NJW 2001, 1280, 1283 = ZIP 2001, 235, 239; BGH, GmbHR 2008, 702 = ZIP 2008, 1026; std. Rspr.; zust. Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, Rdnr. 5; Wicke, Rdnr. 19; ausführlich und zustimmend Haas, in: FS Gero Fischer, 2008, S. 209 f.; Goette, in: FS Kreft, 2004, S. 53, 58 f. = ZInsO 2005, 1, 3; Röhricht, ZIP 2005, 505, 509; unstimmig Casper, in: Ulmer, wo das „zweigleisige Modell“ de lege lata befürwortet (§ 64 Rdnr. 7), dann aber die Folge des Zahlungsverbots i.S. eines Schadensersatzes korrigiert wird (§ 64 Rdnr. 82). 3 Ähnlich in Österreich § 25 Abs. 3 Nr. 2 öGmbHG. 4 BGH, GmbHR 2007, 936 = ZIP 2007, 1501. 5 BGH, GmbHR 2007, 596 = ZIP 2007, 1006. 6 BGH, GmbHR 2007, 936 = ZIP 2007, 1501; so im Ergebnis auch schon OLG Schleswig, GmbHR 2005, 1625 = ZIP 2005, 2211; eingehende Kritik bei Karsten Schmidt, ZIP 2008, 1401 ff. 7 Vgl. nur Haas, in: FS Gero Fischer, 2008, S. 209 f. 8 Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.34; Karsten Schmidt, 9. Aufl., Rdnr. 25 ff., 35 ff.; in gleicher Rich- Karsten Schmidt | 4165 12 13 14

§64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Ihrer Rechtsnatur nach ist die Ersatzleistung Bestandteil des Schadensersatzes wegen Insolvenzverschleppung (Rdnr. 51) 1 . Aus dem Verschleppungsverbot (§ 15a InsO) und dem sog. Zahlungsverbot (§ 64 Satz 1, § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB) ergibt sich ein einheitlicher Verbots- und Haftungstatbestand des Wrongful Trading mit Schadensersatzfolge (vgl. Anh. § 64 Rdnr. 2, 15). § 64 (bzw. § 130a Abs. 1 HGB) steht deshalb nicht in einem Gegensatz zu § 15a InsO, sondern die Vorschrift ist Bestandteil der heute über § 823 Abs. 2 BGB konstruierten (Anh. § 64 Rdnr. 44) 2 Schadensersatzhaftung wegen Insolvenzverschleppung. Die Bestimmung des § 64 Satz 1 handelt wie die des § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB vom Insolvenzverschleppungsschaden 3 . Die Bestimmung läuft gleichwohl de lege lata nicht leer: § 64 Satz 1 (also der vormalige Absatz 2) enthält eine Darlegungs- und Beweiserleichterung für den durch Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen (der Masse) angerichteten Gesamtgläubigerschaden (vgl. Rdnr. 51 sowie Anh. § 64 Rdnr. 73). Gleichzeitig weist § 64 (§ 130a Abs. 2 HGB) den Anspruch auf Ersatz des Gesamtgläubigerschadens der Gesellschaft zu. § 64 ist gleichsam ein im materiellen Recht angesiedelter Urvater des § 92 InsO (dazu Anh. § 64 Rdnr. 56), ergänzt durch eine Darlegungs- und Beweiserleichterung 4 . Die Vorschrift bringt zum Ausdruck, dass der durch Schmälerung des Gesellschaftsvermögens entstehende Gesamtgläubigerschaden durch Leistung in das Gesellschaftsvermögen liquidiert werden kann (vgl. Rdnr. 56 ff.; Anh. § 64 Rdnr. 65 ff.) 5 . Indem der Insolvenzverwalter aus § 64 (§ 130a Abs. 2 HGB) gegen den oder die Verantwortlichen vorgeht, liquidiert er den durch die Zahlungen angerichteten mutmaßlichen Gesamtgläubigerschaden. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens kann auch ein Liquidator gegen die Verantwortlichen vorgehen oder ein Gläubiger, der den Anspruch gepfändet hat (Rdnr. 59). Die Höhe der Zahlungen begründet die widerlegliche Vermutung eines entsprechenden Gesamtgläubigerschadens. Dieser Zusammenhang mit § 15a InsO war bis 2008 aus dem Gesetz klarer abzulesen als heute. Bis damals waren nämlich die Verschleppungsverbote in den Absätzen 1 der § 64, § 130a HGB niedergelegt, die „Zahlungsverbote“ jeweils in den Absätzen 2. Die GmbH-Reform 2008 (MoMiG) hat diese Regelungen redaktionell auseinander gerissen, vermag jedoch deren Sinneinheit nicht zu zerstören. tung schon Karsten Schmidt, GmbHR 2000, 1226; Bitter, WM 2001, 666, 670 f.; so auch Poertzgen, Organhaftung, S. 226; sympathisierend Casper, in: Ulmer, Rdnr. 79 ff.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3 f.; für einen Ausgleich von Masseschmälerungen Bitter, WM 2001, 666 ff. 1 In dieser Hinsicht ähnlich Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32. 2 In dieser Hinsicht a.M. Altmeppen, ZIP 2001, 2201, 2205. 3 Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.34; der Sache nach ähnlich Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 27, 29: Insolvenzverschleppungsverlust. 4 Vgl. Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.42, Karsten Schmidt, ZHR 168 (2004), 637, 655. 5 Insofern, jedoch unter Ausschluss des § 823 Abs. 2 BGB, ähnlich Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, Rdnr. 32. 4166 | Karsten Schmidt

§64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung<br />

Ihrer Rechtsnatur nach ist die Ersatzleistung Bestandteil des Schadensersatzes<br />

wegen Insolvenzverschleppung (Rdnr. 51) 1 . Aus dem Verschleppungsverbot<br />

(§ 15a InsO) und dem sog. Zahlungsverbot (§ 64 Satz 1, § 130a Abs. 1 Satz 1<br />

HGB) ergibt sich ein einheitlicher Verbots- und Haftungstatbestand des Wrongful<br />

Trading mit Schadensersatzfolge (vgl. Anh. § 64 Rdnr. 2, 15). § 64 (bzw.<br />

§ 130a Abs. 1 HGB) steht deshalb nicht in einem Gegensatz zu § 15a InsO,<br />

sondern die Vorschrift ist Bestandteil der heute über § 823 Abs. 2 BGB konstruierten<br />

(Anh. § 64 Rdnr. 44) 2 Schadensersatzhaftung wegen Insolvenzverschleppung.<br />

Die Bestimmung des § 64 Satz 1 handelt wie die des § 130a Abs. 2<br />

Satz 1 HGB vom Insolvenzverschleppungsschaden 3 . Die Bestimmung läuft<br />

gleichwohl de lege lata nicht leer: § 64 Satz 1 (also der vormalige Absatz 2) enthält<br />

eine Darlegungs- und Beweiserleichterung für den durch Auszahlungen aus<br />

dem Gesellschaftsvermögen (der Masse) angerichteten Gesamtgläubigerschaden<br />

(vgl. Rdnr. 51 sowie Anh. § 64 Rdnr. 73). Gleichzeitig weist § 64 (§ 130a Abs. 2<br />

HGB) den Anspruch auf Ersatz des Gesamtgläubigerschadens der Gesellschaft<br />

zu. § 64 ist gleichsam ein im materiellen Recht angesiedelter Urvater des § 92<br />

InsO (dazu Anh. § 64 Rdnr. 56), ergänzt durch eine Darlegungs- und Beweiserleichterung<br />

4 . Die Vorschrift bringt zum Ausdruck, dass der durch Schmälerung<br />

des Gesellschaftsvermögens entstehende Gesamtgläubigerschaden durch Leistung<br />

in das Gesellschaftsvermögen liquidiert werden kann (vgl. Rdnr. 56 ff.;<br />

Anh. § 64 Rdnr. 65 ff.) 5 . Indem der Insolvenzverwalter aus § 64 (§ 130a Abs. 2<br />

HGB) gegen den oder die Verantwortlichen vorgeht, liquidiert er den durch die<br />

Zahlungen angerichteten mutmaßlichen Gesamtgläubigerschaden. Außerhalb<br />

eines Insolvenzverfahrens kann auch ein Liquidator gegen die Verantwortlichen<br />

vorgehen oder ein Gläubiger, der den Anspruch gepfändet hat (Rdnr. 59). Die<br />

Höhe der Zahlungen begründet die widerlegliche Vermutung eines entsprechenden<br />

Gesamtgläubigerschadens. Dieser Zusammenhang mit § 15a InsO war<br />

bis 2008 aus dem Gesetz klarer abzulesen als heute. Bis damals waren nämlich<br />

die Verschleppungsverbote in den Absätzen 1 der § 64, § 130a HGB niedergelegt,<br />

die „Zahlungsverbote“ jeweils in den Absätzen 2. Die GmbH-Reform 2008<br />

(MoMiG) hat diese Regelungen redaktionell auseinander gerissen, vermag jedoch<br />

deren Sinneinheit nicht zu zerstören.<br />

tung schon Karsten <strong>Schmidt</strong>, GmbHR 2000, 1226; Bitter, WM 2001, 666, 670 f.; so auch<br />

Poertzgen, Organhaftung, S. 226; sympathisierend Casper, in: Ulmer, Rdnr. 79 ff.; Kleindiek,<br />

in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 3 f.; für einen Ausgleich von Masseschmälerungen<br />

Bitter, WM 2001, 666 ff.<br />

1 In dieser Hinsicht ähnlich Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32.<br />

2 In dieser Hinsicht a.M. Altmeppen, ZIP 2001, 2201, 2205.<br />

3 Karsten <strong>Schmidt</strong>, in: Karsten <strong>Schmidt</strong>/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und<br />

Insolvenz, Rdnr. 11.34; der Sache nach ähnlich Altmeppen, in: Roth/Altmeppen,<br />

Rdnr. 27, 29: Insolvenzverschleppungsverlust.<br />

4 Vgl. Karsten <strong>Schmidt</strong>, in: Karsten <strong>Schmidt</strong>/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung<br />

und Insolvenz, Rdnr. 11.42, Karsten <strong>Schmidt</strong>, ZHR 168 (2004), 637, 655.<br />

5 Insofern, jedoch unter Ausschluss des § 823 Abs. 2 BGB, ähnlich Altmeppen, in: Roth/<br />

Altmeppen, Rdnr. 32.<br />

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