Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung §64 § 130a Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (1) Nachdem bei einer Gesellschaft, bei der kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, dürfen die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter und die Liquidatoren für die Gesellschaft keine Zahlungen leisten. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Entsprechendes gilt für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht, wenn zu den Gesellschaftern der offenen Handelsgesellschaft eine andere offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. (2) Wird entgegen § 15a Abs. 1 der Insolvenzordnung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht oder nicht rechtzeitig beantragt oder werden entgegen Absatz 2 Zahlungen geleistet, so sind die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter und die Liquidatoren der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist dabei streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. Die Ersatzpflicht kann durch Vereinbarung mit den Gesellschaftern weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, dass die Handlung auf einem Beschluss der Gesellschafter beruht. Satz 4 gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren in fünf Jahren. (3) Diese Vorschriften gelten sinngemäß, wenn die in den Absätzen 1 und 2 genannten organschaftlichen Vertreter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. § 177a Angaben auf Geschäftsbriefen: Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Die §§ 125a und 130a gelten auch für die Gesellschaft, bei der ein Kommanditist eine natürliche Person ist, § 130a jedoch mit der Maßgabe, dass an Stelle des Absatzes 1 Satz 4 der § 172 Abs. 6 Satz 2 anzuwenden ist. Der in § 125a Abs. 1 Satz 2 für die Gesellschafter vorgeschriebenen Angaben bedarf es nur für die persönlich haftenden Gesellschafter der Gesellschaft. b) Gesetzesgeschichtlich basiert § 130a HGB auf dem Ersten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 29. 7. 1976 (BGBl. I 1976, 2034). Die mit Wirkung vom 1. 11. 2008 in Kraft getretenen Änderungen durch das MoMiG vom 23. 10. 2008 (BGBl. I 2008, 2026) entsprechen im Wesentlichen denen des § 64 (dazu Rdnr. 2). Auch in § 130a HGB wurde dessen Absatz 1 a.F. als Regelung über die „Insolvenzantragspflicht“ aufgehoben (Art. 3 Nr. 12 Buchst. a MoMiG) und in die insolvenzrechtliche Regelung des § 15a InsO aufgenommen (Art. 9 Nr. 3 MoMiG). Die Vorschrift ist im Anhang zu § 64 kommentiert. Der aufgehobene § 130a Abs. 1 HGB a.F. hatte folgenden Wortlaut: (1) Wird eine Gesellschaft, bei der kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, zahlungsunfähig oder ergibt sich die Überschuldung der Gesellschaft, so ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen; dies gilt nicht, wenn zu den Ge- Karsten Schmidt | 4161 5

6 §64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sellschaftern der offenen Handelsgesellschaft eine andere offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Antragspflichtig sind die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter und die Liquidatoren. Der Antrag ist ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft, zu stellen. (2) ... (3) ... (4) ... Die Neufassung des § 130a Abs. 1–3 HGB (Rdnr. 4) entspricht im Wesentlichen den Absätzen 2–4 des § 130a HGB a.F. Neu ist, wie Satz 3 des § 64, der § 130a Abs. 1 Satz 3 HGB n.F. über Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten (dazu Rdnr. 64 ff.). 3. Normzweck und Normstruktur a) Der allgemeine Normzweck des § 64 (bzw. § 130a HGB) zielt auf Gläubigerschutz 1 . Die Bestimmung dient, nicht anders als § 15a InsO, dem Schutz der Altgläubiger wie der Neugläubiger gegen Insolvenzverschleppungsschäden, die sie durch Schmälerung des Gesellschaftsvermögens, also der potentiellen Insolvenzmasse (§ 35 InsO) erleiden 2 . Einer Gegenansicht, wonach das „Zahlungsverbot“ – insofern vergleichbar mit § 43 – die Gläubiger nur mittelbar, unmittelbar dagegen das Gesellschaftsvermögen schützt (Rdnr. 11) 3 , wird hier nicht gefolgt. Sie ist nicht vom Schutzzweck des § 64 (bzw. § 130a HGB) geleitet, sondern von dem Versuch, die in § 64 artikulierte Rechtsfolge (Erstattungsanspruch der Gesellschaft) zu erklären. In der Tat ist aus § 64 und noch deutlicher aus § 130a HGB herzuleiten, dass der Gesellschaft ein Anspruch auf Ersatz des Verschleppungsschadens der Gläubigergesamtheit zusteht (Anh. § 64 Rdnr. 65 ff.). Aber Schutzsubjekte sind doch nur die Gläubiger 4 . Nach einer weiteren Gegenansicht wird durch die gesetzlichen Zahlungsverbote die Gläubigergleichbehandlung gesichert 5 . § 64 bzw. § 130a HGB sei die Sanktion für die Vorwegbefriedigung eines Gläubigers. Doch ist diese Auffassung abzulehnen. Nach ihr müsste die gegen § 64 verstoßende Zahlung ein Sonderfall eines Anfechtungstatbestands sein, und es wäre unbegreiflich, warum nicht der Empfänger der Zahlung, sondern der für die Zahlung verantwortliche Geschäftsführer das Geleistete nach § 64 herausrücken soll 6 . Missverständlich ist deshalb auch die vom BGH ver- 1 BGHZ 143, 184, 186 = NJW 2000, 668 = ZIP 2000, 184, 185; BGH, GmbHR 2009, 654 = ZIP 2009, 860. 2 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 77; Bitter, WM 2001, 666, 670 ff.; im Ergebnis ähnlich auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32. 3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 5. Aufl., Rdnr. 94 ff. (nicht mehr so deutlich in der 6. Aufl., Rdnr. 26); Altmeppen/Wilhelm, NJW 1999, 673, 678; Altmeppen, ZIP 2001, 2201, 2205 f., 2211. 4 Insofern wie hier auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32. 5 Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 78; Schulze-Osterloh, in: FS Bezzenberger, 2001, S. 415 ff., 423; Goette, in: FS Kreft, S. 53, 58 f. = ZInsO 2005, 1, 3. 6 So auch Bitter, WM 2001, 666, 669 in Fn. 34; Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.34; dagegen aber Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 78. 4162 | Karsten Schmidt

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§64 Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung<br />

sellschaftern der offenen Handelsgesellschaft eine andere offene Handelsgesellschaft<br />

oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter<br />

eine natürliche Person ist. Antragspflichtig sind die organschaftlichen Vertreter der<br />

zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter und die Liquidatoren.<br />

Der Antrag ist ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt<br />

der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft, zu stellen.<br />

(2) ...<br />

(3) ...<br />

(4) ...<br />

Die Neufassung des § 130a Abs. 1–3 HGB (Rdnr. 4) entspricht im Wesentlichen<br />

den Absätzen 2–4 des § 130a HGB a.F. Neu ist, wie Satz 3 des § 64, der § 130a<br />

Abs. 1 Satz 3 HGB n.F. über Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit<br />

führen mussten (dazu Rdnr. 64 ff.).<br />

3. Normzweck und Normstruktur<br />

a) Der allgemeine Normzweck des § 64 (bzw. § 130a HGB) zielt auf Gläubigerschutz<br />

1 . Die Bestimmung dient, nicht anders als § 15a InsO, dem Schutz der<br />

Altgläubiger wie der Neugläubiger gegen Insolvenzverschleppungsschäden, die<br />

sie durch Schmälerung des Gesellschaftsvermögens, also der potentiellen Insolvenzmasse<br />

(§ 35 InsO) erleiden 2 . Einer Gegenansicht, wonach das „Zahlungsverbot“<br />

– insofern vergleichbar mit § 43 – die Gläubiger nur mittelbar, unmittelbar<br />

dagegen das Gesellschaftsvermögen schützt (Rdnr. 11) 3 , wird hier nicht gefolgt.<br />

Sie ist nicht vom Schutzzweck des § 64 (bzw. § 130a HGB) geleitet, sondern von<br />

dem Versuch, die in § 64 artikulierte Rechtsfolge (Erstattungsanspruch der Gesellschaft)<br />

zu erklären. In der Tat ist aus § 64 und noch deutlicher aus § 130a<br />

HGB herzuleiten, dass der Gesellschaft ein Anspruch auf Ersatz des Verschleppungsschadens<br />

der Gläubigergesamtheit zusteht (Anh. § 64 Rdnr. 65 ff.). Aber<br />

Schutzsubjekte sind doch nur die Gläubiger 4 . Nach einer weiteren Gegenansicht<br />

wird durch die gesetzlichen Zahlungsverbote die Gläubigergleichbehandlung gesichert<br />

5 . § 64 bzw. § 130a HGB sei die Sanktion für die Vorwegbefriedigung<br />

eines Gläubigers. Doch ist diese Auffassung abzulehnen. Nach ihr müsste die<br />

gegen § 64 verstoßende Zahlung ein Sonderfall eines Anfechtungstatbestands<br />

sein, und es wäre unbegreiflich, warum nicht der Empfänger der Zahlung, sondern<br />

der für die Zahlung verantwortliche Geschäftsführer das Geleistete nach<br />

§ 64 herausrücken soll 6 . Missverständlich ist deshalb auch die vom BGH ver-<br />

1 BGHZ 143, 184, 186 = NJW 2000, 668 = ZIP 2000, 184, 185; BGH, GmbHR 2009, 654 =<br />

ZIP 2009, 860.<br />

2 Casper, in: Ulmer, Rdnr. 77; Bitter, WM 2001, 666, 670 ff.; im Ergebnis ähnlich auch<br />

Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32.<br />

3 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, 5. Aufl., Rdnr. 94 ff. (nicht mehr so deutlich in der<br />

6. Aufl., Rdnr. 26); Altmeppen/Wilhelm, NJW 1999, 673, 678; Altmeppen, ZIP 2001,<br />

2201, 2205 f., 2211.<br />

4 Insofern wie hier auch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 32.<br />

5 Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 78; Schulze-Osterloh, in: FS Bezzenberger,<br />

2001, S. 415 ff., 423; Goette, in: FS Kreft, S. 53, 58 f. = ZInsO 2005, 1, 3.<br />

6 So auch Bitter, WM 2001, 666, 669 in Fn. 34; Karsten <strong>Schmidt</strong>, in: Karsten <strong>Schmidt</strong>/<br />

Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rdnr. 11.34; dagegen aber<br />

Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 78.<br />

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Karsten <strong>Schmidt</strong>

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