Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel Nachtrag MoMiG § 16 Kausalität) oder jedenfalls (Mit-)Verantwortung. Die Intensität der geforderten Beziehung ist eine Wertungsentscheidung zwischen den Polen des Rechtserhaltungsinteresses des Berechtigten einerseits und den Erwerbsinteressen des Rechtsverkehrs auf der anderen Seite (Rdnr. 103), bei der die allgemeine verkehrsschutzfreundliche Konzeption des § 16 Abs. 3 zu berücksichtigen ist. Hieraus ergeben sich drei Folgen zur weiteren Konturierung des Zurechnungsbegriffes, nämlich (i) dass eine Zurechnung im Falle eines aktiven Tuns oder Unterlassens nur bei einer ansonsten bestehenden Zurechnungsfähigkeit des Berechtigten bzw. Zurechenbarkeit der Handlung oder des Unterlassens in Frage kommt (Rdnr. 105), (ii) die Frage des Verschuldens irrelevant ist (da es um die Abgrenzung von Risikosphären geht) (Rdnr. 105) und (iii) die Anforderungen an das aktive Tun oder Unterlassen nicht überspannt werden dürfen (Rdnr. 106). Eine Zurechnung der Unrichtigkeit einer Listeneintragung zum Berechtigten scheidet – wie bei den Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff. BGB 1 – aus (Frage der Zurechnungsfähigkeit), wenn der Berechtigte (i) geschäftsunfähig (§ 104 BGB) oder (ii) nur beschränkt geschäftsfähig (§§ 2, 106 BGB) ohne ausreichende Einsichtsfähigkeit 2 ist. Denn bei dieser Personengruppe trägt der den Rechtsverlust legitimierende Gedanke nicht, dass ein GmbH-Gesellschafter besondere Sorgfalt im Zusammenhang mit der Gesellschafterliste und ihrer Kontrolle auszuüben hat. Eine Ausnahme ist aus Verkehrsschutzinteressen nur für den Fall zuzulassen, dass ein Notar eine nach § 105 Abs. 1 BGB oder § 108 BGB unerkannt nichtige Abtretung beurkundet und anschließend die insoweit unrichtige Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht (§ 40 Abs. 2) 3 . Zudem scheidet eine Zurechnung der Unrichtigkeit zum Berechtigten – ebenfalls wie bei den Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff. BGB 4 – bei Ausübung von vis absoluta oder vis compulsiva in einem Umfang auf den Berechtigten ausgeübt wird, dass eine unwiderstehliche Gewalt- oder Zwangslage besteht 5 . Auf die Frage eines Verschuldens kommt es wegen der notwendigen Abgrenzung von Risikosphären und Interessenlagen nicht an; die Zurechnung ist verschuldensunabhängig 6 . Eine Zurechnung durch Unterlassen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Berechtigte die Unrichtigkeit der Listeneintragung kennt oder kennen muss und dennoch keine möglichen Maßnahmen zu ihrer Beseitigung ergreift, z.B. gegenüber den Geschäftsführern unter Beifügung entsprechender Nachwei- 1 Vgl. Bassenge, in: Palandt, § 935 BGB Rdnr. 5; Wiegand, in: Staudinger, 2008, § 935 BGB Rdnr. 10; Quack, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 935 BGB Rdnr. 7; hiergegen (Abstellen auf Einsichtsfähigkeit) Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 52 Rdnr. 42; Henssler, in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 935 BGB Rdnr. 6. 2 So ist eine Zurechnung der Unrichtigkeit im Einzelfall (!) auch bei einer nur beschränkt geschäftsfähigen Person möglich, z.B. bei einem unternehmerisch tätigen 17-Jährigen mit ausreichender Einsichtsfähigkeit. 3 Wiersch, S. 98 ff. 4 Bassenge, in: Palandt, § 935 BGB Rdnr. 5; Wiegand, in: Staudinger, 2008, § 935 BGB Rdnr. 11; Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 52 Rdnr. 43; strenger allerdings Quack, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 935 BGB Rdnr. 7. 5 Vgl. Reymann, BB 2009, 506 ff.; differenzierend Wiersch, S. 102 ff. 6 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80; Leistikow, Das neue GmbH-Recht, 2009, § 4 Rdnr. 207; Kort, GmbHR 2009, 169, 175; Wiersch, S. 92; Zessel, GmbHR 2009, 303, 304. Seibt | 3391 105 106
107 § 16 Nachtrag MoMiG Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel se anregt, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, oder selbst die Zuordnung eines Widerspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung zu erreichen versucht 1 . Dies betrifft beispielsweise die Fälle einer wirksamen Abtretung (ggf. mit Eintritt einer auflösenden Bedingung) sowie einer wirksamen Kaduzierung bzw. Preisgabe, in der die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste im Anschluss an die Anteilsübertragung unterbleibt (Zurechnung an den Erwerber) 2 . Es ist daher auch zu pauschal, mit der Regierungsbegründung (S. 88) anzunehmen (Rdnr. 103), eine zurechenbare Unrichtigkeit liege dann vor, wenn zunächst der Scheinerbe des früheren Gesellschafters in der Gesellschafterliste eingetragen wird und der wahre Erbe es unterlässt, die Geschäftsführer zur Einreichung einer korrigierten Liste zu veranlassen. Denn es kommen durchaus Fälle in Betracht, in denen dem Berechtigten die Unrichtigkeit nicht zuzurechnen ist (Fund eines abweichenden Testaments nach Aufnahme der Gesellschafterliste im Handelsregister) 3 . Eine Zurechnung auf Grund aktiven Tuns kommt insbesondere für die Fälle einer unwirksamen Abtretung von Geschäftsanteilen in Betracht, solange der Berechtigte für die Einreichung der unrichtigen Liste zum Handelsregister nur kausal wird, d.h. er die unrichtige Publizierung durch sein Verhalten in irgendeiner Weise veranlasst 4 . Etwas anderes gilt aus Verkehrsschutzinteressen auch nicht, wenn der Einreichende der Gesellschafterliste hierzu auf Grund einer arglistigen Täuschung veranlasst wurde 5 . 7. Verhältnis des Berechtigten zum Nichtberechtigten Der gutgläubige Erwerber ist dem materiell-rechtlichen Berechtigten im Grundsatz nicht zum Ausgleich verpflichtet 6 . Allerdings haftet ein unentgeltlicher Erwerber gegebenenfalls nach § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB und ein unentgeltlicher Drittempfänger nach § 822 BGB. Darüber hinaus kann der Berechtigte vom verfügenden Nichtberechtigten die Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten beanspruchen (§ 816 Abs. 1 Satz 1 BGB) 7 , d.h. die Herausgabe der Gegen- 1 Zu solchen Fällen auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80; Wicke, Rdnr. 22; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkung des MoMiG auf bestehende GmbHs, S. 195; Wiersch, S. 87 ff.; Apfelbaum, DB 2008, 2470, 2475; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 898; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421. 2 A.A. Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Wicke, Rdnr. 22, die beide eine Zurechnung verneinen, wenn ein Notar die ihm gemäß § 40 Abs. 2 obliegende Einreichungspflicht verletzen. 3 Ebenso Apfelbaum, BB 2008, 2470, 2475; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Götze/ Bressler, NZG 2007, 894, 897 Fn. 56; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Noack, DB 2007, 1395, 1399; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungsund Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 112; Wiersch, S.90f. 4 Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897 f.; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Wiersch, S. 91 ff.; im Grundsatz auch Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkung des MoMiG auf bestehende GmbHs, S. 196; a.A. Vossius, DB 2007, 2299, 2302. 5 A.A. Apfelbaum, BB 2008, 2470, 2476; Vossius, DB 2007, 2299, 2302. 6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 81; zu § 932 BGB BGH, JZ 1956, 490 f.; zu § 892 BGB RGZ 85, 61, 64; RGZ 90, 395, 397 f.; Wacke, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 892 BGB Rdnr. 74. 7 Grunewald, ZIP 2006, 685, 688 f. 3392 | Seibt
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107<br />
§ 16 Nachtrag MoMiG Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel<br />
se anregt, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen,<br />
oder selbst die Zuordnung eines Widerspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung<br />
zu erreichen versucht 1 . Dies betrifft beispielsweise die Fälle einer wirksamen<br />
Abtretung (ggf. mit Eintritt einer auflösenden Bedingung) sowie einer<br />
wirksamen Kaduzierung bzw. Preisgabe, in der die Einreichung einer geänderten<br />
Gesellschafterliste im Anschluss an die Anteilsübertragung unterbleibt (Zurechnung<br />
an den Erwerber) 2 . Es ist daher auch zu pauschal, mit der Regierungsbegründung<br />
(S. 88) anzunehmen (Rdnr. 103), eine zurechenbare Unrichtigkeit<br />
liege dann vor, wenn zunächst der Scheinerbe des früheren Gesellschafters in<br />
der Gesellschafterliste eingetragen wird und der wahre Erbe es unterlässt, die<br />
Geschäftsführer zur Einreichung einer korrigierten Liste zu veranlassen. Denn<br />
es kommen durchaus Fälle in Betracht, in denen dem Berechtigten die Unrichtigkeit<br />
nicht zuzurechnen ist (Fund eines abweichenden Testaments nach Aufnahme<br />
der Gesellschafterliste im Handelsregister) 3 . Eine Zurechnung auf<br />
Grund aktiven Tuns kommt insbesondere für die Fälle einer unwirksamen<br />
Abtretung von Geschäftsanteilen in Betracht, solange der Berechtigte für die<br />
Einreichung der unrichtigen Liste zum Handelsregister nur kausal wird, d.h. er<br />
die unrichtige Publizierung durch sein Verhalten in irgendeiner Weise veranlasst<br />
4 . Etwas anderes gilt aus Verkehrsschutzinteressen auch nicht, wenn der<br />
Einreichende der Gesellschafterliste hierzu auf Grund einer arglistigen Täuschung<br />
veranlasst wurde 5 .<br />
7. Verhältnis des Berechtigten zum Nichtberechtigten<br />
Der gutgläubige Erwerber ist dem materiell-rechtlichen Berechtigten im Grundsatz<br />
nicht zum Ausgleich verpflichtet 6 . Allerdings haftet ein unentgeltlicher<br />
Erwerber gegebenenfalls nach § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB und ein unentgeltlicher<br />
<strong>Dr</strong>ittempfänger nach § 822 BGB. Darüber hinaus kann der Berechtigte vom<br />
verfügenden Nichtberechtigten die Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten<br />
beanspruchen (§ 816 Abs. 1 Satz 1 BGB) 7 , d.h. die Herausgabe der Gegen-<br />
1 Zu solchen Fällen auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 80; Wicke, Rdnr. 22; Berger,<br />
in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkung des MoMiG auf bestehende GmbHs, S. 195;<br />
Wiersch, S. 87 ff.; Apfelbaum, DB 2008, 2470, 2475; Götze/Bressler, NZG 2007, 894,<br />
898; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421.<br />
2 A.A. Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Wicke, Rdnr. 22, die beide eine Zurechnung<br />
verneinen, wenn ein Notar die ihm gemäß § 40 Abs. 2 obliegende Einreichungspflicht<br />
verletzen.<br />
3 Ebenso Apfelbaum, BB 2008, 2470, 2475; Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 792; Götze/<br />
Bressler, NZG 2007, 894, 897 Fn. 56; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Noack, DB<br />
2007, 1395, 1399; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungsund<br />
Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 112; Wiersch, S.90f.<br />
4 Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897 f.; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 421; Wiersch,<br />
S. 91 ff.; im Grundsatz auch Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkung des MoMiG<br />
auf bestehende GmbHs, S. 196; a.A. Vossius, DB 2007, 2299, 2302.<br />
5 A.A. Apfelbaum, BB 2008, 2470, 2476; Vossius, DB 2007, 2299, 2302.<br />
6 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 81; zu § 932 BGB BGH, JZ 1956, 490 f.; zu § 892<br />
BGB RGZ 85, 61, 64; RGZ 90, 395, 397 f.; Wacke, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009,<br />
§ 892 BGB Rdnr. 74.<br />
7 Grunewald, ZIP 2006, 685, 688 f.<br />
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