Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel Nachtrag MoMiG § 16 seits und heteronomen Rechtsbedingungen andererseits zu unterscheiden: (1) Ein nach § 158 BGB bedingtes Rechtsgeschäft ist tatbestandlich vollendet und vollgültig, seine Rechtswirkungen sind allerdings bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe und die Rechtsstellung des bedingt Berechtigten kann nicht mehr durch die andere Vertragspartei zerstört werden 1 . Für die Frage der Gutgläubigkeit im Rahmen der §§ 892, 932 ff. BGB sowie für die Frage der Unrichtigkeit des Grundbuchs im Rahmen des § 892 BGB ist auf die Vornahme des Verfügungsgeschäfts abzustellen, so dass es einem Erwerber nicht mehr schadet, wenn er nach diesem Zeitpunkt aber vor Bedingungseintritt bösgläubig wird oder z.B. ein Widerspruch in das Grundbuch eingetragen wird. In dieser Entsprechung ist in den Fällen aufschiebend bedingter Übertragungen von Geschäftsanteilen für sämtliche positiven und negativen Voraussetzungen der Regelung des § 16 Abs. 3 grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Beurkundung des Verfügungsgeschäfts abzustellen 2 . Dies gilt auch für die aufschiebend bedingte Bestellung beschränkter dinglicher Rechte an Geschäftsanteilen 3 . (2) Bei heteronomen Rechtsbedingungen, wie beispielsweise der fusionskartellrechtlichen Freigabe einer bzw. des außenwirtschaftsrechtlichen Einspruchs gegenüber einer Transaktion (§ 40 GWB, § 31 Abs. 3 AWG) oder Vinkulierungen i.S. von § 15 Abs. 5, steht dem Erwerber vor dem Eintritt der heteronomen Wirksamkeitsvoraussetzung keine gesicherte Rechtsposition (Anwartschaftsrecht) zu, sondern eine bloße Erwerbsaussicht. Im Rahmen der Gutglaubensvorschriften der §§ 892, 932 ff. BGB wird hier bis zum Zeitpunkt der Erteilung der erforderlichen Genehmigung dem Rechtserhaltungsinteresse des Berechtigten gegenüber den Verkehrsschutzinteressen der Vorrang eingeräumt 4 . Diese Interessenabwägung ist auch für § 16 Abs. 3 überzeugend, so dass bei heteronomen Rechtsbedingungen sämtliche Voraussetzungen des Gutglaubenstatbestand des § 16 Abs. 3 sowohl im Zeitpunkt der Beurkundung des Verfügungsgeschäfts als auch im Zeitpunkt des Eintritts der heteronomen Rechtsbedingung (falls letzterer zeitlich nach der Beurkundung des Verfügungsgeschäfts liegt) vorliegen müssen 5 . 4. Keine Bösgläubigkeit a) Konzeption und Funktion Nach § 16 Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 ist ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen, 84 „wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist“. Dieser Doppel-Ausschlussgrund von positiver Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis der mangelnden Rechtsinhaberschaft passt sich an sich nicht in das System der deutschen Gutglaubensvor- 1 Heinrichs, in: Palandt, § 158 BGB Rdnr. 8 f.; Bork, in: Staudinger, 2003, § 158 BGB Rdnr. 1; Wolf, in: Soergel, 13. Aufl. 1999, § 158 BGB Rdnr. 8. 2 Ebenso Wiersch, S. 79 f.; Greitemann/Bergjan, in: FS Pöllath, 2008, S. 271, 285 f.; a.A. Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 899. 3 Wiersch, S.80f. 4 Vgl. Bassenge, in: Palandt, § 892 BGB Rdnr. 25, § 932 BGB Rdnr. 14; Gursky, in: Staudinger, 2008, § 892 BGB Rdnr. 193 und 211; a.A. Stürner, in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 892 BGB Rdnr. 38. 5 Ebenso Wiersch, S. 83. Seibt | 3379

85 86 § 16 Nachtrag MoMiG Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel schriften ein, da hier in Bezug auf künstliche Rechtsscheintatbestände wie Grundbuch und Erbschein (vgl. §§ 892, 2366 BGB) nur positive Kenntnis von der Nichtberechtigung einem Erwerb vom Nichtberechtigten entgegensteht. Demgegenüber schadet beim schwachen Rechtsscheinträger des Besitzes bereits die grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung, so dass hier erhöhte Nachforschungs- und Überprüfungsobliegenheiten bestehen. Der BMJ- Referentenentwurf sah noch systematisch überzeugend einen Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nur bei positiver Kenntnis der Nichtberechtigung vor 1 . Offenbar geht der Gesetzgeber neu von einer, gegenüber den sonstigen künstlichen Rechtsscheinträgern wie Grundbuch und Erbschein deutlich verringerten Zuverlässigkeit der Gesellschafterliste aus, was wegen der fehlenden hoheitlichen materiellen Prüfung der Eintragung in der Gesellschafterliste immerhin nachvollziehbar ist 2 . Der Doppel-Ausschlussgrund von positiver Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis bürdet dem (potenziellen) Erwerber eine erhöhte Nachforschungs- und Überprüfungsobliegenheit auf und schwächt damit die Verkehrsschutzinteressen gegenüber den Rechtsbewahrungsinteressen des materiell Berechtigten. b) Ausschlusstatbestand und Praxisfolgen Dem Erwerber ist die mangelnde Berechtigung bekannt, wenn er weiß, dass der Veräußerer nicht der wahre Rechtsinhaber ist. Der Erwerber muss demnach alle Tatsachen kennen, aus denen sich die mangelnde Berechtigung des Veräußerers ergibt, und den rechtlichen Schluss auf die fehlende Rechtsinhaberschaft gezogen haben. Wertet der Erwerber die Tatsachen auf Grund eines Rechtsirrtums falsch, so liegt allenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vor3 . In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Merkmal der grob fahrlässigen Unkenntnis der Nichtberechtigung bei § 932 BGB ist von einer auf grober Fahrlässigkeit beruhenden Unkenntnis auszugehen, wenn der Erwerber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen 4 . Dabei ist von einem durchschnittlichen, objektivierten, auf die berufsspezifischen oder gruppentypischen Fähigkeiten abstellenden Maßstab auszugehen und der ermittelte Sorgfaltsmaßstab auf die Umstände des Einzelfalls zu beziehen 5 . Die Bestimmung einer grob fahrlässigen Unkenntnis entzieht sich einer typisierenden Betrachtung, sondern beurteilt sich stets vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des jeweiligen Ein- 1 RefE v. 29. 5. 2006, S. 4; kritisch hierzu Rau, DStR 2006, 1892, 1899 (Beschränkung auf positive Bösgläubigkeit „nicht sachgerecht“). 2 Kritisch allerdings Wiersch, S. 115 ff. 3 Vgl. H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 932 BGB Rdnr. 38; Henssler, in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 932 BGB Rdnr. 16; Wiegand, in: Staudinger, 2004, § 932 BGB Rdnr. 41; zu § 932 BGB RGZ 74, 354; BGH v. 21. 12. 1960 – VIII ZR 145/59; ähnlich zu § 439 BGB a.F. (§ 442 BGB n.F.) BGH, NJW 1979, 713, 714. 4 Zu § 932 Abs. 2 BGB BGH, NJW 2005, 1365; BGH, NJW-RR 2000, 576, 577; BGH, NJW 1994, 2022, 2023; BGHZ 10, 14, 16; Bassenge, in: Palandt, § 932 BGB Rdnr. 10; Henssler, in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 932 BGB Rdnr. 20. 5 Vgl. Wiegand, in: Staudinger, 2004, § 932 BGB Rdnr. 44 f. 3380 | Seibt

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§ 16 Nachtrag MoMiG Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel<br />

schriften ein, da hier in Bezug auf künstliche Rechtsscheintatbestände wie<br />

Grundbuch und Erbschein (vgl. §§ 892, 2366 BGB) nur positive Kenntnis von<br />

der Nichtberechtigung einem Erwerb vom Nichtberechtigten entgegensteht.<br />

Demgegenüber schadet beim schwachen Rechtsscheinträger des Besitzes bereits<br />

die grob fahrlässige Unkenntnis von der Nichtberechtigung, so dass hier<br />

erhöhte Nachforschungs- und Überprüfungsobliegenheiten bestehen. Der BMJ-<br />

Referentenentwurf sah noch systematisch überzeugend einen Ausschluss des<br />

gutgläubigen Erwerbs nur bei positiver Kenntnis der Nichtberechtigung vor 1 .<br />

Offenbar geht der Gesetzgeber neu von einer, gegenüber den sonstigen künstlichen<br />

Rechtsscheinträgern wie Grundbuch und Erbschein deutlich verringerten<br />

Zuverlässigkeit der Gesellschafterliste aus, was wegen der fehlenden hoheitlichen<br />

materiellen Prüfung der Eintragung in der Gesellschafterliste immerhin<br />

nachvollziehbar ist 2 . Der Doppel-Ausschlussgrund von positiver Kenntnis<br />

und grob fahrlässiger Unkenntnis bürdet dem (potenziellen) Erwerber eine erhöhte<br />

Nachforschungs- und Überprüfungsobliegenheit auf und schwächt damit<br />

die Verkehrsschutzinteressen gegenüber den Rechtsbewahrungsinteressen des<br />

materiell Berechtigten.<br />

b) Ausschlusstatbestand und Praxisfolgen<br />

Dem Erwerber ist die mangelnde Berechtigung bekannt, wenn er weiß, dass der<br />

Veräußerer nicht der wahre Rechtsinhaber ist. Der Erwerber muss demnach alle<br />

Tatsachen kennen, aus denen sich die mangelnde Berechtigung des Veräußerers<br />

ergibt, und den rechtlichen Schluss auf die fehlende Rechtsinhaberschaft gezogen<br />

haben. Wertet der Erwerber die Tatsachen auf Grund eines Rechtsirrtums<br />

falsch, so liegt allenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vor3 .<br />

In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Merkmal der grob fahrlässigen Unkenntnis<br />

der Nichtberechtigung bei § 932 BGB ist von einer auf grober Fahrlässigkeit<br />

beruhenden Unkenntnis auszugehen, wenn der Erwerber die im Verkehr<br />

erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem<br />

Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem<br />

hätte einleuchten müssen 4 . Dabei ist von einem durchschnittlichen, objektivierten,<br />

auf die berufsspezifischen oder gruppentypischen Fähigkeiten abstellenden<br />

Maßstab auszugehen und der ermittelte Sorgfaltsmaßstab auf die Umstände<br />

des Einzelfalls zu beziehen 5 . Die Bestimmung einer grob fahrlässigen<br />

Unkenntnis entzieht sich einer typisierenden Betrachtung, sondern beurteilt<br />

sich stets vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des jeweiligen Ein-<br />

1 RefE v. 29. 5. 2006, S. 4; kritisch hierzu Rau, DStR 2006, 1892, 1899 (Beschränkung auf<br />

positive Bösgläubigkeit „nicht sachgerecht“).<br />

2 Kritisch allerdings Wiersch, S. 115 ff.<br />

3 Vgl. H. P. Westermann, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 932 BGB Rdnr. 38;<br />

Henssler, in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 932 BGB Rdnr. 16; Wiegand, in: Staudinger,<br />

2004, § 932 BGB Rdnr. 41; zu § 932 BGB RGZ 74, 354; BGH v. 21. 12. 1960 – VIII ZR<br />

145/59; ähnlich zu § 439 BGB a.F. (§ 442 BGB n.F.) BGH, NJW 1979, 713, 714.<br />

4 Zu § 932 Abs. 2 BGB BGH, NJW 2005, 1365; BGH, NJW-RR 2000, 576, 577; BGH, NJW<br />

1994, 2022, 2023; BGHZ 10, 14, 16; Bassenge, in: Palandt, § 932 BGB Rdnr. 10; Henssler,<br />

in: Soergel, 13. Aufl. 2002, § 932 BGB Rdnr. 20.<br />

5 Vgl. Wiegand, in: Staudinger, 2004, § 932 BGB Rdnr. 44 f.<br />

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