Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel Nachtrag MoMiG § 16 des Bestimmtheitsgrundsatzes bei der Übertragung von Geschäftsanteilen (hierzu § 15 Rdnr. 89), und zwar unter Berücksichtigung der durch das MoMiG vorgegebenen Wertungen der Deregulierung der Nennbetragsgrößen von Geschäftsanteilen, der zulässigen Übernahme mehrerer Geschäftsanteile durch einen Gesellschafter und der Teilung von Geschäftsanteilen sowie der Stärkung des Verkehrsschutzes mit der Einführung des gutgläubigen Erwerbs nach § 16 Abs. 3. Einem an § 16 Abs. 3 orientierten, wertend reduzierten Verständnis des Bestimmtheitsgrundsatzes steht der Wortlaut des § 16 Abs. 3 Sätze 1 und 2 mit seiner Differenzierung zwischen dem „Nichtberechtigten“ und dem „Berechtigten“ nicht zwingend entgegen. Denn zum einen geht es nicht um eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung von § 16 Abs. 3, sondern um das Verständnis eines Rechtsgrundsatzes unter Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen und zum anderen schließt das idealtypische Begriffspaar Berechtigter/Nichtberechtigter Verfügungen eines „Nicht(so)berechtigten“ nicht aus 1 . In einer ersten Fallgruppe können die Sachverhalte zusammengefasst werden, in denen sämtliche Geschäftsanteile eines Gesellschafters, die in der Gesellschafterliste in ihrer Gesamtheit mit gleichem Nennbetrag, aber in der tatsächlichen Rechtslage widersprechender Stückelung aufgeführt sind, an einen Erwerber übertragen werden. Nach bisher herrschendem Verständnis konnte in diesen Fällen im Grundsatz (d.h. ausgenommen Sondersituationen mit unterschiedlicher Rechtsausstattung oder Belastung der einzelnen Geschäftsanteile) mit Hilfe einer Auslegung der entsprechenden Willenserklärung und unter Zuhilfenahme des Rechtsgrundsatzes falsa demonstratio non nocet in dem Sinne gelöst werden, dass die tatsächlich existenten Geschäftsanteile entgegen Fehlbezeichnung und Eintragungsstand in der Gesellschafterliste übertragen werden 2 . Nach Einführung von § 16 Abs. 3 liegt es jedenfalls bei Vorliegen von dessen Voraussetzungen (3-Jahresfrist, Zurechnung, keine Bösgläubigkeit) näher, den Inhalt der ergänzenden Vertragsauslegung am Inhalt des Gesellschafterlistenbestandes zu orientieren und dann die fehlende Teilung bzw. Zusammenlegung von Geschäftsanteile ex lege anzunehmen. Der Annahme einer Teilung bzw. Zusammenlegung ex lege steht auch nicht entgegen, dass dadurch die unterschiedlichen Gutglaubenskonzeptionen des § 892 BGB einerseits und § 16 Abs. 3 andererseits unzulässigerweise verwischt werden. Ein Gleichlauf mit dem ansonsten deutlich erweiterten Verkehrsschutzkonzept des § 892 BGB rechtfertigt sich in den Fällen der fehlerhaften Stückelung dann, wenn der Verfügungsgegenstand mit Hilfe der Willenserklärung der Beteiligten und dem Gesellschafterlistenbestand identifizierbar ist; der Schutz der Mitgesellschafter und sonstiger Dritter wird durch die übrigen, für den Gutglaubenserwerb weiter erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 3 erfüllt. In einer zweiten Fallgruppe sind die der ersten Fallgruppe entsprechenden Sachverhalte zusammengefasst, bei denen allerdings nur eine teilweise Übertragung des vom Erwerber gehaltenen Geschäftsanteilsbestands vorliegt. Hier hatte bislang die 1 Zutr. Böttcher/Blasche, NZG 2007, 565, 569; dagegen Wiersch, S. 137 ff.; Berger, in: Bunnemann/Zirngibl, Auswirkungen des MoMiG auf bestehende GmbHs, S. 189 f. 2 Hierzu BGH, NJW-RR 1987, 807, 808; s. auch § 15 Rdnr. 113. Seibt | 3371 72

73 74 § 16 Nachtrag MoMiG Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel Rechtsprechung angenommen, dass eine Auslegung der Willenserklärungen die Nichtigkeit der Anteilsübertragung nicht vermeiden kann 1 . Sofern die vom Erwerber gehaltenen Geschäftsanteile den gleichen Rechtsinhalt und keine unterschiedlichen Belastungen aufweisen, führen die Wertungsentscheidungen des MoMiG-Gesetzgebers dazu, dass im Regelfall die Auslegung zur Übertragung der Geschäftsanteile im Umfang des Gesellschafterlistenbestandes erfolgt ist; die fehlenden Teilungen bzw. Zusammenlegungen von Geschäftsanteilen erfolgen hier ebenfalls ex lege. In einer dritten Fallgruppe können die Sachverhalte zusammengefasst werden, in denen die Summe der Nennbeträge der in einer Gesellschafterliste einem Gesellschafter zugeordneten Geschäftsanteile den Nennbetragsumfang der tatsächlichen, anders gestückelten Geschäftsanteile überschreitet. In diesem Fall kann die Auslegung der Willenserklärung nicht zu einem hinreichend bestimmten Ergebnis führen und es träte überdies ein Wertungswiderspruch zu der Versagung eines Gutglaubensschutzes für nicht existente Geschäftsanteile (Rdnr. 69) ein 2 . f) Belastungen des Geschäftsanteils Die Regelung des § 16 Abs. 3 ermöglicht de lege lata keinen gutgläubigen lastenfreien Erwerb in Bezug auf an Geschäftsanteilen bestehenden Pfandrechten oder Nießbrauchsrechten3 . Gegen die Zulässigkeit einer Analogiebildung von § 16 Abs. 3 zur Begründung eines Gutglaubensschutzes in Bezug auf Belastungen spricht die intensive Diskussion dieses Problemkreises im Gesetzgebungsverfahren und die trotzdem unterbliebene Änderung des Gesetzeswortlautes; damit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke als Analogievoraussetzung4 . Konsequenterweise fehlt es daher auch an einem, von der Rechtsscheinwirkung getragenen Eintragungsrecht von Belastungen an Geschäftsanteilen5 . De lege ferenda sollten auch Belastungen an Geschäftsanteilen (z.B. Pfandrecht, Nießbrauch) in eine, in zwei Abteilungen untergliederte Gesellschafterliste eingetragen werden können, damit dann auch diese vom Gutglaubensschutz des § 16 Abs. 3 mit der Folge erfasst werden können, dass nicht eingetragene Belastungen gutgläubig hinwegerworben werden können 6 . Die Nichterstreckung 1 OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668. 2 Insoweit zutr. Wiersch, S. 140 ff.; vgl. auch Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH- Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Wiersch, S. 201; Götze/Bressler, NZG 2007, 894, 897; Vossius, DB 2007, 2299, 2303; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 55; Wachter, ZNotP 2008, 378, 397; Wegen, in: FS Lüer, 2008, S. 321, 331 f.; Zessel, GmbHR 2009, 303; obiter jetzt OLG München, ZIP 2009, 1911; a.A. Reymann, WM 2008, 2095, 2098 ff. 4 Gegen Reymann, WM 2008, 2095, 2100 ff. 5 S. auch Rdnr. 20; vgl. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Haas/Oechsler, NZG 2006, 806, 812; abweichend Reymann, WM 2008, 2095, 2101 ff. (Eintragung als Widerspruch). 6 I.E. ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Wicke, Rdnr. 28; Wiersch, S. 202 ff.; Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 202; Grunewald, ZIP 2006, 685, 689; Gehling, ZIP 2006, 686, 689; Harbarth, ZIP 2008, 57, 63; Klöckner, NZG 2008, 841, 844; Kort, GmbHR 3372 | Seibt

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§ 16 Nachtrag MoMiG Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel<br />

Rechtsprechung angenommen, dass eine Auslegung der Willenserklärungen die<br />

Nichtigkeit der Anteilsübertragung nicht vermeiden kann 1 . Sofern die vom Erwerber<br />

gehaltenen Geschäftsanteile den gleichen Rechtsinhalt und keine unterschiedlichen<br />

Belastungen aufweisen, führen die Wertungsentscheidungen des<br />

MoMiG-Gesetzgebers dazu, dass im Regelfall die Auslegung zur Übertragung<br />

der Geschäftsanteile im Umfang des Gesellschafterlistenbestandes erfolgt ist;<br />

die fehlenden Teilungen bzw. Zusammenlegungen von Geschäftsanteilen erfolgen<br />

hier ebenfalls ex lege. In einer dritten Fallgruppe können die Sachverhalte<br />

zusammengefasst werden, in denen die Summe der Nennbeträge der in einer<br />

Gesellschafterliste einem Gesellschafter zugeordneten Geschäftsanteile den<br />

Nennbetragsumfang der tatsächlichen, anders gestückelten Geschäftsanteile<br />

überschreitet. In diesem Fall kann die Auslegung der Willenserklärung nicht zu<br />

einem hinreichend bestimmten Ergebnis führen und es träte überdies ein Wertungswiderspruch<br />

zu der Versagung eines Gutglaubensschutzes für nicht existente<br />

Geschäftsanteile (Rdnr. 69) ein 2 .<br />

f) Belastungen des Geschäftsanteils<br />

Die Regelung des § 16 Abs. 3 ermöglicht de lege lata keinen gutgläubigen<br />

lastenfreien Erwerb in Bezug auf an Geschäftsanteilen bestehenden Pfandrechten<br />

oder Nießbrauchsrechten3 . Gegen die Zulässigkeit einer Analogiebildung<br />

von § 16 Abs. 3 zur Begründung eines Gutglaubensschutzes in Bezug auf Belastungen<br />

spricht die intensive Diskussion dieses Problemkreises im Gesetzgebungsverfahren<br />

und die trotzdem unterbliebene Änderung des Gesetzeswortlautes;<br />

damit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke als Analogievoraussetzung4<br />

. Konsequenterweise fehlt es daher auch an einem, von der<br />

Rechtsscheinwirkung getragenen Eintragungsrecht von Belastungen an Geschäftsanteilen5<br />

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De lege ferenda sollten auch Belastungen an Geschäftsanteilen (z.B. Pfandrecht,<br />

Nießbrauch) in eine, in zwei Abteilungen untergliederte Gesellschafterliste eingetragen<br />

werden können, damit dann auch diese vom Gutglaubensschutz des<br />

§ 16 Abs. 3 mit der Folge erfasst werden können, dass nicht eingetragene Belastungen<br />

gutgläubig hinwegerworben werden können 6 . Die Nichterstreckung<br />

1 OLG Düsseldorf, MDR 1978, 668.<br />

2 Insoweit zutr. Wiersch, S. 140 ff.; vgl. auch Wachter, in: Römermann/Wachter, GmbH-<br />

Beratung nach dem MoMiG, GmbHR-Sonderheft 2008, S. 51, 59.<br />

3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Wiersch, S. 201; Götze/Bressler, NZG 2007,<br />

894, 897; Vossius, DB 2007, 2299, 2303; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 55;<br />

Wachter, ZNotP 2008, 378, 397; Wegen, in: FS Lüer, 2008, S. 321, 331 f.; Zessel,<br />

GmbHR 2009, 303; obiter jetzt OLG München, ZIP 2009, 1911; a.A. Reymann, WM<br />

2008, 2095, 2098 ff.<br />

4 Gegen Reymann, WM 2008, 2095, 2100 ff.<br />

5 S. auch Rdnr. 20; vgl. auch Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Haas/Oechsler,<br />

NZG 2006, 806, 812; abweichend Reymann, WM 2008, 2095, 2101 ff. (Eintragung als<br />

Widerspruch).<br />

6 I.E. ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 60; Wicke, Rdnr. 28; Wiersch, S. 202 ff.;<br />

Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 202; Grunewald, ZIP 2006, 685, 689; Gehling, ZIP 2006,<br />

686, 689; Harbarth, ZIP 2008, 57, 63; Klöckner, NZG 2008, 841, 844; Kort, GmbHR<br />

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