Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel Nachtrag MoMiG § 16 Haftung gelten die allgemeinen Grundsätze (Rdnr. 51 ff.). Auch die Rechtshandlungen des nach allgemeinen Grundsätzen (Rdnr. 103) zurechenbar in der Gesellschafterliste eingetragenen Scheinerben sind wirksam, wobei im Verhältnis zum Erben die §§ 2018 ff. BGB gelten 1 . f) Gesellschafter im Insolvenzverfahren Auch in dem Fall, in dem ein Gesellschafter insolvent wird, ist im Grundsatz zwischen der materiellen Rechtsinhaberschaft des Geschäftsanteils einerseits und der relativen Legitimationswirkung durch Eintragung in der Gesellschafterliste und deren Aufnahme im Handelsregister zu unterscheiden: Ob ein Geschäftsanteil zur Insolvenzmasse gehört, entscheidet sich primär danach, ob der von der Insolvenz betroffene Gesellschafter zum Zeitpunkt der [Eröffnung des Insolvenzverfahrens] materiell-rechtlich betrachtet Inhaber dieses Geschäftsanteils war. Auf eine der materiellen Rechtslage entgegenstehende Eintragung in der Gesellschafterliste kommt es nicht an. So gehört ein Geschäftsanteil nicht zur Masse, und der Insolvenzverwalter kann – mit Ausnahme einer erfolgreichen insolvenzmäßigen Anfechtung der Veräußerung nach §§ 129 ff. InsO oder bei Nichtigkeit der Veräußerung – den Geschäftsanteil nicht zur Masse ziehen, wenn der Gesellschafter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Geschäftsanteil abgetreten hatte, selbst wenn die Aufnahme der veränderten Gesellschafterliste in das Handelsregister erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Umgekehrt kann der Schuldner nach der Insolvenzeröffnung den Geschäftsanteil mit Wirkung auf die Insolvenzgläubiger nicht mehr abtreten. Das Verfügungsrecht steht dem Insolvenzverwalter zu (§§ 35, 80 InsO), es sei denn, das Insolvenzgericht hat ausnahmsweise Eigenverwaltung angeordnet (§ 270 InsO). Erfolgt eine Veränderung i.S. von § 40 Abs. 1 Satz 1 vor der Insolvenzeröffnung, so gelten für das Eintragungsverfahren folgende Grundsätze: Wirkt an der Veränderung ein deutscher Notar mit, so hat dieser die veränderte Gesellschafterliste zu erstellen, zu unterschreiben und zum Handelsregister einzureichen (§ 40 Abs. 2; hierzu Nachtrag MoMiG § 40 Rdnr. 41 ff. in diesem Band). In den anderen Fällen sind die an der Veränderung Beteiligten zur Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 an den zuständigen Geschäftsführer berechtigt, wenn der Rechtsvorgänger noch vor der Insolvenzeröffnung den Geschäftsanteil übertragen hatte; der Insolvenzverwalter ist wie nach der bisher hier vertretenen Auffassung zur früheren Rechtslage nicht befugt, die Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 gegenüber dem Geschäftsführer vorzunehmen 2 . Ist umgekehrt der Rechtsnachfolger in den Geschäftsanteil vor der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister in Insolvenz geraten, ist nur der Insolvenzverwalter zur Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 befugt. Denn in diesem Fall gehört der Geschäftsanteil materiell-rechtlich zur Insolvenzmasse des Rechtsnachfolgers und unterliegt daher der Verfügung des Insolvenzverwalters. Eine Mitteilung durch den Rechtsnachfolger persönlich ist nach § 81 InsO unwirksam 3 . 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Wicke, Rdnr. 7. 2 Zur früheren Rechtslage Band I, § 16 Rdnr. 48 mit Hinweis auf die überwiegende Gegenansicht. 3 Zur früheren Rechtslage und zu Einzelheiten Band I, § 16 Rdnr. 49. Seibt | 3353 43 44

45 § 16 Nachtrag MoMiG Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel 4. Rückbeziehung der Legitimationswirkung (§ 16 Abs. 1 Satz 2) a) Inhalt und Zweck der Regelung Häufig besteht ein praktisches Bedürfnis dafür, dass der Erwerber eines Geschäftsanteils bereits vor Aufnahme der ihn ausweisenden und insoweit geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister Rechtshandlungen in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vornehmen kann1 . Dies gilt beispielhaft für dessen Mitwirkung an der Abberufung des bisherigen Geschäftsführers und der Neubestellung einer anderen Person als neuen Geschäftsführer sowie in diesem Zusammenhang an der Beschlussfassung über den dienstrechtlichen Aufhebungsvertrag sowie den Abschluss eines neuen Geschäftsführer-Anstellungsvertrags. Dies gilt aber auch für die Beschlussfassung über Satzungsänderungen, die z.B. deshalb erforderlich sind, weil sich auf Grund einer im bisherigen Gesellschafterkreis vollzogenen Anteilsübertragung die Mehrheitsverhältnisse ändern oder weil ein bislang Gesellschaftsfremder neu in den Kreis der Gesellschafter eintritt und seinen Eintritt von der Änderung der Satzung abhängig macht; praktische Bedeutung hat die Regelung aber auch beim Erwerb von Vorratsgesellschaften und den dann notwendigen Satzungsänderungen. Zur Interessenwahrung des noch nicht legitimierten Rechtsnachfolgers regelt § 16 Abs. 1 Satz 2 im Wege einer Fiktion2 , dass eine ausschließlich auf Grund der Rechtswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 noch nicht wirksame (aber im Übrigen wirksame), sondern bis zur Aufnahme der veränderten Gesellschafterliste in das Handelsregister schwebend unwirksame Maßnahme des Rechtsnachfolgers mit Wirkung ex tunc als wirksam gilt3 , wenn die die Veränderung ausweisende Gesellschafterliste unverzüglich nach der Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. Die Rechtshandlung wird umgekehrt endgültig unwirksam, wenn eben keine unverzügliche Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister erfolgt4 . b) Rechtshandlung des Erwerbers in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis 46 Die mit § 16 Abs. 1 Satz 2 gesetzlich angeordnete Rückbeziehung der Legitimationswirkung bezieht sich auf eine „vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung“. Dieser Wortlaut lehnt sich an die Formulierung in § 16 Abs. 2 a.F. an, was trotz des unterschiedlichen Regelungskontexts bei der Auslegung berücksichtigt werden kann. Die Rückbeziehung der Legitimationswirkung scheint nach dem Wortlaut von § 16 Abs. 1 Satz 2 in doppelter Hinsicht im Anwendungsbereich beschränkt zu sein: (1) Zunächst bezieht sich die Rückbeziehung nur auf Rechtshandlungen eines 1 Zutr. BR-Drucks. 354/07, S. 85 = Begr. RegE zu § 16. Zu Fallgestaltungen vgl. auch D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 405 m.w.N. 2 Ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7; Kort, GmbHR 2009, 169, 174. 4 BR-Drucks. 354/07, S. 85 = Begr. RegE zu § 16; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 36; Heidinger, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, § 13 Rdnr. 390; Hasselmann, NZG 2009, 409, 411; D. Mayer, DNotZ 2008, 403, 405. 3354 | Seibt

Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel Nachtrag MoMiG § 16<br />

Haftung gelten die allgemeinen Grundsätze (Rdnr. 51 ff.). Auch die Rechtshandlungen<br />

des nach allgemeinen Grundsätzen (Rdnr. 103) zurechenbar in der Gesellschafterliste<br />

eingetragenen Scheinerben sind wirksam, wobei im Verhältnis<br />

zum Erben die §§ 2018 ff. BGB gelten 1 .<br />

f) Gesellschafter im Insolvenzverfahren<br />

Auch in dem Fall, in dem ein Gesellschafter insolvent wird, ist im Grundsatz<br />

zwischen der materiellen Rechtsinhaberschaft des Geschäftsanteils einerseits<br />

und der relativen Legitimationswirkung durch Eintragung in der Gesellschafterliste<br />

und deren Aufnahme im Handelsregister zu unterscheiden: Ob ein Geschäftsanteil<br />

zur Insolvenzmasse gehört, entscheidet sich primär danach, ob der<br />

von der Insolvenz betroffene Gesellschafter zum Zeitpunkt der [Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens] materiell-rechtlich betrachtet Inhaber dieses Geschäftsanteils<br />

war. Auf eine der materiellen Rechtslage entgegenstehende Eintragung in<br />

der Gesellschafterliste kommt es nicht an. So gehört ein Geschäftsanteil nicht<br />

zur Masse, und der Insolvenzverwalter kann – mit Ausnahme einer erfolgreichen<br />

insolvenzmäßigen Anfechtung der Veräußerung nach §§ 129 ff. InsO oder bei<br />

Nichtigkeit der Veräußerung – den Geschäftsanteil nicht zur Masse ziehen, wenn<br />

der Gesellschafter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Geschäftsanteil abgetreten<br />

hatte, selbst wenn die Aufnahme der veränderten Gesellschafterliste in<br />

das Handelsregister erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Umgekehrt<br />

kann der Schuldner nach der Insolvenzeröffnung den Geschäftsanteil mit<br />

Wirkung auf die Insolvenzgläubiger nicht mehr abtreten. Das Verfügungsrecht<br />

steht dem Insolvenzverwalter zu (§§ 35, 80 InsO), es sei denn, das Insolvenzgericht<br />

hat ausnahmsweise Eigenverwaltung angeordnet (§ 270 InsO).<br />

Erfolgt eine Veränderung i.S. von § 40 Abs. 1 Satz 1 vor der Insolvenzeröffnung,<br />

so gelten für das Eintragungsverfahren folgende Grundsätze: Wirkt an der Veränderung<br />

ein deutscher Notar mit, so hat dieser die veränderte Gesellschafterliste<br />

zu erstellen, zu unterschreiben und zum Handelsregister einzureichen (§ 40<br />

Abs. 2; hierzu Nachtrag MoMiG § 40 Rdnr. 41 ff. in diesem Band). In den anderen<br />

Fällen sind die an der Veränderung Beteiligten zur Mitteilung nach § 40<br />

Abs. 1 Satz 2 an den zuständigen Geschäftsführer berechtigt, wenn der Rechtsvorgänger<br />

noch vor der Insolvenzeröffnung den Geschäftsanteil übertragen hatte;<br />

der Insolvenzverwalter ist wie nach der bisher hier vertretenen Auffassung zur<br />

früheren Rechtslage nicht befugt, die Mitteilung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 gegenüber<br />

dem Geschäftsführer vorzunehmen 2 . Ist umgekehrt der Rechtsnachfolger in<br />

den Geschäftsanteil vor der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das<br />

Handelsregister in Insolvenz geraten, ist nur der Insolvenzverwalter zur Mitteilung<br />

nach § 40 Abs. 1 Satz 2 befugt. Denn in diesem Fall gehört der Geschäftsanteil<br />

materiell-rechtlich zur Insolvenzmasse des Rechtsnachfolgers und unterliegt<br />

daher der Verfügung des Insolvenzverwalters. Eine Mitteilung durch den<br />

Rechtsnachfolger persönlich ist nach § 81 InsO unwirksam 3 .<br />

1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 35; Wicke, Rdnr. 7.<br />

2 Zur früheren Rechtslage Band I, § 16 Rdnr. 48 mit Hinweis auf die überwiegende Gegenansicht.<br />

3 Zur früheren Rechtslage und zu Einzelheiten Band I, § 16 Rdnr. 49.<br />

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