Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt
Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel Nachtrag MoMiG § 16 das Gesellschaftsverhältnis vorgenommenen Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen muss. Diese Bestimmung hat der MoMiG-Gesetzgeber nicht wiederholt, ohne damit allerdings eine konzeptionelle Rechtsänderung zu beabsichtigen. Sie ergibt sich vielmehr bereits aus dem Grundsatz in § 16 Abs. 1 Satz 1, der eine von der materiell rechtlichen Situation abgelöste relative Legitimationswirkung an die Eintragung in der Gesellschafterliste anknüpft 1 . Somit muss der noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragene Rechtsnachfolger die Rechtshandlungen des noch wirksam in der Gesellschafterliste eingetragenen Rechtsvorgängers generell gegen sich gelten lassen 2 . Dies gilt z.B. für die Auszahlung von Dividenden an den noch Eingetragenen 3 , für die Ausübung des Stimmrechts durch den noch Eingetragenen 4 und auch bei einer Zustimmung nach § 53 Abs. 3 zu einer Satzungsänderung, selbst wenn der Rechtsnachfolger hiervon keine Kenntnis hat 5 . Der noch nicht in die Gesellschafterliste eingetragene Rechtsnachfolger muss selbst einen Ausschluss seines Rechtsvorgängers aus wichtigem Grund oder die Einziehung des ihm materiell rechtlich zugeordneten Geschäftsanteils im Grundsatz gegen sich gelten lassen. Bereits nach früherer Rechtslage konnte der Rechtsnachfolger solchen Gefahren für seine Rechtsposition entgegenwirken, und zwar durch Vornahme der Anmeldung und durch Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen gegen den Rechtsvorgänger insbesondere aus dem der Rechtsänderung zu Grunde liegenden Kausalgeschäft. Auch nach neuem Recht kann der Rechtsnachfolger mögliche Rechtsbeeinträchtigungen durch den noch in der Gesellschafterliste Eingetragenen bis zur Aufnahme der die Veränderung anzeigenden Gesellschafterliste in das Handelsregister abwenden, und zwar wiederum auf zweifachem Weg: (1) Beruht der Rechtsübergang auf einem Kausalgeschäft, so wird der Rechtsnachfolger ausdrückliche Regelungen über die Vornahme von tatsächlichen Maßnahmen und Rechtshandlungen nur nach vorheriger Zustimmung vereinbaren. Hieraus ergeben sich dann Unterlassungs- und im Verletzungsfall Schadenersatzpflichten. (2) Darüber hinaus wird der Rechtsnachfolger im Regelfall bestrebt sein, auch die GmbH und die Mitgesellschafter von der eingetretenen Rechtsänderung und ggf. dem zwischen ihm und dem in der Gesellschafterliste eingetragenen Rechtsvorgänger Vereinbarten zu informieren. Denn die GmbH und ihre Gesellschafter sind in dem Fall, in dem ihnen eine Rechtsänderung mitgeteilt und (plausibel) nachgewiesen wurde, aus der mitgliedschaftlichen Treuepflicht oder bei Rechtsnachfolgern, die noch nicht Gesellschafter der GmbH sind (aus einer vorlaufenden Treuepflicht) verpflichtet, die materielle Rechtsposition des noch nicht eingetragenen Rechtsnachfolgers zu vereiteln oder wesentlich zu beeinträchtigen. Der noch nicht eingetragene Rechtsnachfolger kann korrespondierend hierzu bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen einstweiligen Rechtsschutz gegen die drohende Rechtsbeeinträch- 1 BR-Drucks. 354/07, S. 87 = Begr. RegE zu § 16 („Für die bisherige Regelung in § 16 Abs. 2 besteht kein gesondertes Regelungsbedürfnis, da sich die dort geregelten Rechtsfolgen bisher schon aus § 16 Abs. 1 ableiten ließen“). 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32; zur früheren Rechtslage Band I, § 16 Rdnr. 7. 3 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32. 4 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32. 5 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 32. Seibt | 3351 40
41 42 § 16 Nachtrag MoMiG Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel tigung erwirken. Darüber hinaus können Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung, die im Zeitraum zwischen der materiellen Rechtsänderung und der Aufnahme der die Veränderung ausweisenden Gesellschafterliste im Handelsregister zum Nachteil des noch nicht eingetragenen Rechtsnachfolgers vorgenommen werden, anfechtbar oder nichtig sein 1 . Schließlich kommen Schadensersatzansprüche in Betracht 2 . e) Erbrechtlicher Erwerb Für den erbrechtlichen Erwerb gelten im Grundsatz die gleichen Bestimmungen: Die Erben sind beim Tod eines Gesellschafters erst dann gegenüber der GmbH legitimiert und können erst dann die Gesellschafterrechte ausüben, wenn sie im Verfahren nach § 40 in die Gesellschafterliste eingetragen wurden und diese im Handelsregister aufgenommen worden ist3 . Damit ist der MoMiG- Gesetzgeber zu Recht nicht der herrschenden Auslegung zu § 67 Abs. 2 AktG gefolgt, derzufolge die Erben auch ohne Eintragung in das Handelsregister in die Aktionärsstellung einrücken4 . Für Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der GmbH haften die Erben jeder auch ohne Eintragung in der Gesellschafterliste gemäß §§ 1922, 1967 BGB, allerdings mit der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach §§ 1975 ff. BGB. Eine solche Haftungsbeschränkung kommt nach erfolgter Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste und deren Aufnahme in das Handelsregister – wiederum anders als im Aktienrecht5 – wegen § 16 Abs. 2 nicht mehr in Betracht, da der Erbe nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung stets unbeschränkt für die rückständigen Leistungen haftet (hierzu ausführlich Rdnr. 51 ff.) 6 . Der Wegfall der Erbenstellung hat eine erneute „Veränderung in den Personen der Gesellschafter“ (oder in Einzelfällen auch im Umfang ihrer Beteiligung) zur Folge, was wiederum das Verfahren nach § 40 auslöst. Allerdings bleibt beim Eintritt des Nacherbfalls die Rechtsstellung des Vorerben (vgl. §§ 2106, 2139 BGB) für die Zeit seiner Legitimation durch Eintragung in der Gesellschafterliste unberührt. Das Gleiche gilt im Fall der Ausschlagung (vgl. § 1945 BGB) für den in der Gesellschafterliste eingetragenen vorläufigen Erben. Die in § 1953 Abs. 1 BGB geregelte Rückwirkung betrifft nur das Verhältnis zum wirklichen Erben, nicht das Verhältnis zur GmbH. Hieraus folgt, dass Rechtsausübungen des Legitimierten wirksam bleiben und erhaltene Dividendenzahlungen mit Rechtsgrund geleistet wurden, aber an den wirklichen Erben gemäß §§ 1959 Abs. 1, 667, 681 BGB herauszugeben sind. Für eine zwischenzeitlich begründete 1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33. 2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33. 3 Gleichsinnig (aber verkürzend) Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Wicke, Rdnr. 6; a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18 f. 4 So OLG Jena, AG 2004, 268, 270; OLG Brandenburg, NZG 2002, 476, 478; Lutter/ Drygala, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2009, § 67 AktG Rdnr. 34; kritisch zu dieser Auslegung Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 61 ff.; Cahn, in: Spindler/Stilz, § 67 AktG Rdnr. 38. 5 Hierzu Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 65. 6 A.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Wicke, Rdnr. 7. 3352 | Seibt
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§ 16 Nachtrag MoMiG Rechtsstellung bei Gesellschafterwechsel<br />
tigung erwirken. Darüber hinaus können Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung,<br />
die im Zeitraum zwischen der materiellen Rechtsänderung<br />
und der Aufnahme der die Veränderung ausweisenden Gesellschafterliste im<br />
Handelsregister zum Nachteil des noch nicht eingetragenen Rechtsnachfolgers<br />
vorgenommen werden, anfechtbar oder nichtig sein 1 . Schließlich kommen Schadensersatzansprüche<br />
in Betracht 2 .<br />
e) Erbrechtlicher Erwerb<br />
Für den erbrechtlichen Erwerb gelten im Grundsatz die gleichen Bestimmungen:<br />
Die Erben sind beim Tod eines Gesellschafters erst dann gegenüber der<br />
GmbH legitimiert und können erst dann die Gesellschafterrechte ausüben,<br />
wenn sie im Verfahren nach § 40 in die Gesellschafterliste eingetragen wurden<br />
und diese im Handelsregister aufgenommen worden ist3 . Damit ist der MoMiG-<br />
Gesetzgeber zu Recht nicht der herrschenden Auslegung zu § 67 Abs. 2 AktG<br />
gefolgt, derzufolge die Erben auch ohne Eintragung in das Handelsregister in die<br />
Aktionärsstellung einrücken4 . Für Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber<br />
der GmbH haften die Erben jeder auch ohne Eintragung in der Gesellschafterliste<br />
gemäß §§ 1922, 1967 BGB, allerdings mit der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung<br />
nach §§ 1975 ff. BGB. Eine solche Haftungsbeschränkung kommt<br />
nach erfolgter Eintragung der Veränderung in der Gesellschafterliste und deren<br />
Aufnahme in das Handelsregister – wiederum anders als im Aktienrecht5 –<br />
wegen § 16 Abs. 2 nicht mehr in Betracht, da der Erbe nach ausdrücklicher<br />
gesetzlicher Anordnung stets unbeschränkt für die rückständigen Leistungen<br />
haftet (hierzu ausführlich Rdnr. 51 ff.) 6 .<br />
Der Wegfall der Erbenstellung hat eine erneute „Veränderung in den Personen<br />
der Gesellschafter“ (oder in Einzelfällen auch im Umfang ihrer Beteiligung) zur<br />
Folge, was wiederum das Verfahren nach § 40 auslöst. Allerdings bleibt beim<br />
Eintritt des Nacherbfalls die Rechtsstellung des Vorerben (vgl. §§ 2106, 2139<br />
BGB) für die Zeit seiner Legitimation durch Eintragung in der Gesellschafterliste<br />
unberührt. Das Gleiche gilt im Fall der Ausschlagung (vgl. § 1945 BGB) für<br />
den in der Gesellschafterliste eingetragenen vorläufigen Erben. Die in § 1953<br />
Abs. 1 BGB geregelte Rückwirkung betrifft nur das Verhältnis zum wirklichen<br />
Erben, nicht das Verhältnis zur GmbH. Hieraus folgt, dass Rechtsausübungen<br />
des Legitimierten wirksam bleiben und erhaltene Dividendenzahlungen mit<br />
Rechtsgrund geleistet wurden, aber an den wirklichen Erben gemäß §§ 1959<br />
Abs. 1, 667, 681 BGB herauszugeben sind. Für eine zwischenzeitlich begründete<br />
1 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33.<br />
2 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 33.<br />
3 Gleichsinnig (aber verkürzend) Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 34; Wicke, Rdnr. 6;<br />
a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 18 f.<br />
4 So OLG Jena, AG 2004, 268, 270; OLG Brandenburg, NZG 2002, 476, 478; Lutter/<br />
<strong>Dr</strong>ygala, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2009, § 67 AktG Rdnr. 34; kritisch zu dieser<br />
Auslegung Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 61 ff.; Cahn,<br />
in: Spindler/Stilz, § 67 AktG Rdnr. 38.<br />
5 Hierzu Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rdnr. 65.<br />
6 A.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 20; Wicke, Rdnr. 7.<br />
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