Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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542 543 §52 Aufsichtsrat Vertretungsorgans für den Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens benannt haben, für dessen Pflichtverletzungen als Aufsichtsratsmitglied nach § 31 BGB einstehen müssen 1 . Einer solchen Haftung widerspricht beim konzernfreien Unternehmen die Eigenverantwortlichkeit des Aufsichtsratsmitglieds 2 . Ein nur „mit Rücksicht auf sein Hauptamt gewählter Repräsentant“ 3 wird als Aufsichtsratsmitglied nicht allein deshalb, weil er auch bei einem anderen Unternehmen Organmitglied ist, „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“ tätig. Einer anderen Beurteilung bedarf es im Konzern bei einer Organverflechtung 4 insbesondere, wenn Organmitglieder des herrschenden Unternehmens in Ausübung der Konzernleitung bei dem beherrschten Unternehmen als Aufsichtsratsmitglied tätig werden. Gegen die Anwendbarkeit auch bei Konzernlagen wird vorgebacht, das Aufsichtsratsmitglied der abhängigen Gesellschaft sei verpflichtet, die Interessen dieser Gesellschaft wahrzunehmen. Das Aufsichtsratsmitglied könne daher nicht zugleich in Ausführung einer ihm gegenüber dem herrschenden Unternehmen zustehenden Verrichtung handeln 5 . Dabei wird verkannt, dass nicht nur im Vertragskonzern, sondern auch im faktischen Konzern Organmitglieder des herrschenden Unternehmens in Organen des beherrschten Unternehmens tätig werden, um im Rahmen des unternehmerischen Ermessens die Konzernleitung zu verwirklichen. Geht man hiervon aus, so muss sich das herrschende Unternehmen pflichtwidriges Verhalten des Aufsichtsratsmitglieds zurechnen lassen, soweit das Aufsichtsratsmitglied „in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung“, also hier der Konzernleitung, gehandelt hat 6 . Auch bei der konzernfreien Gesellschaft kommt eine Haftung der abordnenden Körperschaft nach § 826 BGB in Betracht 7 . 1 Dafür: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 73; Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 151; für die AG: v. Hofmannsthal, LZ 1929, Sp. 1237; H. Westermann, JuS 1961, 333, 336; Ulmer, in: FS Stimpel, 1985, S. 705; differenzierend: Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 76 Rdnr. 83 ff.; s. auch Koenen, Die Zurechnung von Organverhalten bei juristischen Personen, Diss. Köln, 1991. 2 Wie hier: BGHZ 36, 309; BGHZ 90, 381, 398 (konzernfreie AG); Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 19. 3 Ulmer in: FS Stimpel, 1985, S. 705, der unter diesen Voraussetzungen die Anwendbarkeit von § 31 BGB bejaht. 4 Allgemein hierzu: Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, 1990; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570; Lindermann, AG 1987, 225; Semler, in: FS Stiefel, 1987, S. 719; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., Rdnr. 155. 5 So: BGHZ 36, 296, 309 (bei bestehender Konzernlage); Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 577; s. aber auch BGH, WM 1979, 937, 941: Haftung des herrschenden Unternehmens nach § 278 BGB für von ihm entsandte Personen als Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH. 6 Wie hier: Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, § 309 Rdnr. 41; Altmeppen, in: Münch- Komm. AktG, § 309 Rdnr. 147 f.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, 1958, S. 259 ff.; Mestmäcker, in: FG Kronstein, 1967, 129, 137; Wälde, DB 1972, 2289, 2290. 7 BGHZ 90, 381. 3172 | Uwe H. Schneider

Aufsichtsrat §52 6. Kommunale Aufsichtsratsmitglieder Werden Aufsichtsratsmitglieder auf Veranlassung einer Kommune, insbesondere auf Grund einer Gesellschafterstellung einer Gemeinde, bestellt oder durch eine Kommune entsandt, z.B. Bürgermeister oder Gemeinderatsvertreter, so können sie gegenüber der Kommune verpflichtet sein, deren Interessen wahrzunehmen. Zugleich haben sie aber ihre Organtätigkeit im Interesse der Gesellschaft auszuüben. Daraus ergeben sich Interessenkonflikte und Pflichtenkollisionen. Das bedeutet aber nicht, dass die Pflichten im Verhältnis zur Gesellschaft modifiziert werden. Im Verhältnis zur Gesellschaft geht vielmehr die gesellschaftsrechtliche Pflichtenbindung vor. Sie wird nicht durch das Kommunalrecht eingeschränkt oder gar aufgehoben. Es besteht damit keine Pflichtenkollision, sondern alleinige Pflichtenbindung gegenüber der Gesellschaft. Kommunale Aufsichtsratsmitglieder haben dieselben Pflichten wie alle anderen gewählten Aufsichtsratsmitglieder1 . Und damit gelten die allgemeinen Haftungsregeln auch für kommunale Aufsichtsratsmitglieder2 . Das Gemeinderecht der Länder sieht für den Fall der Inanspruchnahme eines kommunalen Aufsichtsratsmitglieds einen Anspruch auf Freistellung gegen die Gemeinde vor3 . XII. Haftung der Gesellschaft gegenüber Dritten Die GmbH ist für den Schaden verantwortlich, den ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt“, § 31 BGB 4 (s. auch bei Rdnr. 540). Organpersonen im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur die Geschäftsführer, sondern auch Aufsichtsratsmitglieder 5 . § 31 BGB begründet freilich nicht selbst einen Schadensersatzanspruch; vorausgesetzt wird vielmehr eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung 6 . Da es sich beim Aufsichtsrat um ein grundsätzlich nur unternehmensintern wirkendes Organ (s. Rdnr. 83) handelt, werden nur selten die Voraussetzungen für einen Eingriff in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter von Dritten vorliegen. Eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder kommt jedoch 1 BGHZ 36, 306; BGH, NJW 1980, 1629; Säcker, in: FS Rebmann, 1989, S. 781; Keßler, GmbHR 2000, 76. 2 Schön, Die Haftung kommunaler Aufsichtsratsmitglieder in Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 2004, S. 64; Harder/Ruter, GmbHR 1995, 813; Schmid, ZKF 2002, 2; Zieglmeier, ZGR 2007, 144. 3 S. die Zusammenstellung der einschlägigen Vorschriften bei Oebbecke, in: Handbuch Kommunale Unternehmen, 2007, S. 247 Fn. 1. 4 Zur Reichweite des § 31 BGB s. allgemein Kleindiek, in: Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, § 10 Rdnr. 27; Uwe H. Schneider/Brouwer, in: FS Priester, 2007, S. 713, 724 ff. 5 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 31 Rdnr. 11; Rittner, Die werdende juristische Person, 1973, S. 273; Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979, S. 146; einschränkend: Reuter, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl., § 31 Rdnr. 24. 6 BGHZ 99, 302. Uwe H. Schneider | 3173 544 545 546

Aufsichtsrat §52<br />

6. Kommunale Aufsichtsratsmitglieder<br />

Werden Aufsichtsratsmitglieder auf Veranlassung einer Kommune, insbesondere<br />

auf Grund einer Gesellschafterstellung einer Gemeinde, bestellt oder durch<br />

eine Kommune entsandt, z.B. Bürgermeister oder Gemeinderatsvertreter, so<br />

können sie gegenüber der Kommune verpflichtet sein, deren Interessen wahrzunehmen.<br />

Zugleich haben sie aber ihre Organtätigkeit im Interesse der Gesellschaft<br />

auszuüben. Daraus ergeben sich Interessenkonflikte und Pflichtenkollisionen.<br />

Das bedeutet aber nicht, dass die Pflichten im Verhältnis zur Gesellschaft<br />

modifiziert werden. Im Verhältnis zur Gesellschaft geht vielmehr die<br />

gesellschaftsrechtliche Pflichtenbindung vor. Sie wird nicht durch das Kommunalrecht<br />

eingeschränkt oder gar aufgehoben. Es besteht damit keine Pflichtenkollision,<br />

sondern alleinige Pflichtenbindung gegenüber der Gesellschaft. Kommunale<br />

Aufsichtsratsmitglieder haben dieselben Pflichten wie alle anderen gewählten<br />

Aufsichtsratsmitglieder1 . Und damit gelten die allgemeinen Haftungsregeln<br />

auch für kommunale Aufsichtsratsmitglieder2 .<br />

Das Gemeinderecht der Länder sieht für den Fall der Inanspruchnahme eines<br />

kommunalen Aufsichtsratsmitglieds einen Anspruch auf Freistellung gegen die<br />

Gemeinde vor3 .<br />

XII. Haftung der Gesellschaft gegenüber <strong>Dr</strong>itten<br />

Die GmbH ist für den Schaden verantwortlich, den ein „verfassungsmäßig<br />

berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen<br />

begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem <strong>Dr</strong>itten<br />

zufügt“, § 31 BGB 4 (s. auch bei Rdnr. 540). Organpersonen im Sinne dieser Vorschrift<br />

sind nicht nur die Geschäftsführer, sondern auch Aufsichtsratsmitglieder<br />

5 . § 31 BGB begründet freilich nicht selbst einen Schadensersatzanspruch;<br />

vorausgesetzt wird vielmehr eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung<br />

6 .<br />

Da es sich beim Aufsichtsrat um ein grundsätzlich nur unternehmensintern<br />

wirkendes Organ (s. Rdnr. 83) handelt, werden nur selten die Voraussetzungen<br />

für einen Eingriff in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter von<br />

<strong>Dr</strong>itten vorliegen. Eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder kommt jedoch<br />

1 BGHZ 36, 306; BGH, NJW 1980, 1629; Säcker, in: FS Rebmann, 1989, S. 781; Keßler,<br />

GmbHR 2000, 76.<br />

2 Schön, Die Haftung kommunaler Aufsichtsratsmitglieder in Aktiengesellschaften und<br />

Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 2004, S. 64; Harder/Ruter, GmbHR 1995,<br />

813; Schmid, ZKF 2002, 2; Zieglmeier, ZGR 2007, 144.<br />

3 S. die Zusammenstellung der einschlägigen Vorschriften bei Oebbecke, in: Handbuch<br />

Kommunale Unternehmen, 2007, S. 247 Fn. 1.<br />

4 Zur Reichweite des § 31 BGB s. allgemein Kleindiek, in: Krieger/Uwe H. Schneider<br />

(Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, § 10 Rdnr. 27; Uwe H. Schneider/Brouwer, in: FS<br />

Priester, 2007, S. 713, 724 ff.<br />

5 Hadding, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 31 Rdnr. 11; Rittner, Die werdende juristische<br />

Person, 1973, S. 273; Martinek, Repräsentantenhaftung, 1979, S. 146; einschränkend:<br />

Reuter, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl., § 31 Rdnr. 24.<br />

6 BGHZ 99, 302.<br />

Uwe H. Schneider | 3173<br />

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