Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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514 §52 Aufsichtsrat Interessen eines Dritten, bei dem er gleichzeitig Organmitglied ist, zurückzustellen 1 . Zweitens darf ein Aufsichtsratsmitglied im Gegensatz zu einem Geschäftsführer auch Geschäftschancen, die ihm außerhalb seiner Organtätigkeit bekannt werden, nutzen 2 . Aber auch dann dürfen Aufsichtsratsmitglieder drittens weder zum Nachteil der Gesellschaft auf diese einwirken, selbst wenn das Aufsichtsratsmitglied damit gegenläufige Rechtspflichten erfüllt 3 , noch dürfen sie Kenntnisse, die sie als Aufsichtsratsmitglieder erlangt haben, im eigenen Interesse oder im Interesse einer anderen beruflichen Tätigkeit ausnutzen 4 . Daraus folgt, welchen Bindungen die Arbeitnehmervertreter im Arbeitskampf unterliegen. Im Arbeitskampf ruhen die Pflichten der als Arbeitnehmervertreter gewählten Aufsichtsratsmitglieder nicht. Das folgt aus ihrer Einbindung und Gleichstellung im Aufsichtsrat 5 . Wohl aber haben sich die Arbeitnehmervertreter bei einer Beteiligung an einem Arbeitskampf zurückzuhalten. Zwar ist eine passive Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik nicht ausgeschlossen; denn außerhalb seiner Aufsichtsratsarbeit ist das Aufsichtsratsmitglied nicht gehalten, eigene Interessen auszublenden. Darüber besteht heute Einigkeit 6 .Ob eine aktiv führende Beteiligung im Arbeitskampf pflichtwidrig ist, lässt sich dagegen nur im Einzelfall beurteilen. Zu prüfen ist, ob das Aufsichtsratsmitglied hierbei seine Loyalitätspflichten verletzt, die auch außerhalb der Aufsichtsratsarbeit fortbestehen. Pflichtwidrig wäre daher nicht nur die Offenbarung geheimer Vorgänge aus der Aufsichtsratsarbeit, sondern auch die persönliche Ausnutzung von besonderen Kenntnissen und des Einflusses zugunsten einer effektiveren Streikführung. Ist dies nicht gegeben, so dürfen die Arbeitnehmervertreter aber auch aktiv am Streik teilnehmen 7, 8 . 1 Eb. Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 116 Rdnr. 29; Fleck, in: FS Heinsius, 1991, S. 91. 2 Ebenso Fleck, in: FS Heinsius, 1991, S. 92. 3 BGH, NJW 1980, 1629; Werner, ZHR 145 (1981), 252 (für Bankenvertreter); Hanau, ZGR 1977, 404 (für Arbeitnehmervertreter); Fleck, in: FS Heinsius, 1991, S. 94; weitergehend: Fitting/Wlotzke/Wißmann, § 25 MitbestG Rdnr. 115. 4 Fleck, in: FS Heinsius, 1991, S. 99. 5 H.M.: Dietz/Richardi, § 76 BetrVG 1952 Rdnr. 182; Fitting/Wlotzke/Wißmann, §25 MitbestG Rdnr. 116; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 Rdnr. 205; Brinkmann, Unternehmensinteresse und Unternehmensrechtsstruktur, 1983, S. 289; Hanau, ZGR 1977, 406; Mertens, AG 1977, 307; a.A.: Müller, BB 1975, 253. 6 Anstelle anderer: Semler, in: MünchKomm. AktG, § 116 Rdnr. 205. 7 Für Zulässigkeit aktiver Streikbeteiligung unter Beachtung der Pflichtenbindung: Fitting/Wlotzke/Wißmann, § 25 MitbestG Rdnr. 119; Raiser, § 25 MitbestG Rdnr. 141; für Zulässigkeit ohne vorrangige Pflichtenbindung: Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, 8. Aufl., Rdnr. 757; Reich/Lewerenz, AuR 1976, 361; Zachert, MitbestGespr. 1976, 252; gegen Zulässigkeit: Mertens, in: KölnKomm. AktG, Anh. § 117 B § 29 MitbestG Rdnr. 13; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 Rdnr. 209; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl., Rdnr. 503; Seiter, in: FS G. Müller, 1981, S. 598, 604; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., Rdnr. 778: keine aktive Streikbeteiligung; Deckert, DZWir 1996, 406, 410. 8 Zur Interessenkollision bei Amtsträgern s. §§ 20 f. VwVfG sowie hierzu Wais, NJW 1982, 1263; Säcker, in: FS Rebmann, 1989, S. 781; Keßler, GmbHR 2000, 71, 75. 3164 | Uwe H. Schneider

Aufsichtsrat §52 ee) Sorgfaltsmaßstab Der Anspruch auf Schadensersatz entsteht nur, wenn ein Aufsichtsratsmitglied seine Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Leichte Fahrlässigkeit genügt. Die Aufsichtsratsmitglieder sind Treuhänder fremder Interessen. Sie haben ihr Amt im Interesse der GmbH und nicht im Interesse einzelner Gesellschafter, einzelner Gruppen, etwa der zu einem Familienstamm gehörenden Gesellschafter, der Arbeitnehmer oder der Gläubiger wahrzunehmen 1 . Im Blick hierauf haben sie ihren Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters nachzukommen. Jedes Aufsichtsratsmitglied muss die Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen, die es braucht, um alle normalerweise bei einem Unternehmen dieser Art und dieser Größe anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können (objektive Betrachtungsweise) 2 . Aus diesen konkret-objektiven Anforderungen an die der Gesellschaft geschuldete Sorgfalt folgt, dass nur solche Personen das Amt als Aufsichtsratsmitglied übernehmen können, die bei Amtsantritt über eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung verfügen. Das gilt für alle Aufsichtsratsmitglieder in gleicher Weise, also auch für die Arbeitnehmervertreter 3 . Das ist der Mindeststandard. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied schuldet darüber hinaus die Sorgfalt, zu der es aufgrund seiner Vorbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage ist (subjektive Betrachtungsweise) 4 . Dagegen ist nicht erforderlich, dass jedes Aufsichtsratsmitglied auf sämtlichen Gebieten, auf denen der Aufsichtsrat tätig wird, umfassende Spezialkenntnisse hat. Fehlen allen Aufsichtsratsmitgliedern entsprechende Spezialkenntnisse, sind diese aber für die Überwachungstätigkeit erforderlich, so haben sich die Mitglieder beraten zu lassen. Hat ein Aufsichtsratsmitglied aber besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, so ist dies der anzulegende Maßstab 5 . Bankenvertreter haben etwa eine vertiefte Überwachung des Finanzmanagements, Vertreter von Abnehmern eine vertiefte Überwachung der Produktplanung und der Absatzorganisation und Arbeitnehmervertreter eine vertiefte Überwachung der Arbeitsbedingungen zu vertreten. 1 BGHZ 64, 331; Lutter, ZHR 145 (1981), 226; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., Rdnr. 766 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43. 2 BGH, WM 1983, 10; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 70; Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 130; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43; Prühs, AG 1970, 352; Zempelin, AcP 155 (1956), 209; Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 571; Schwark, in: FS Werner, 1985, S. 841; zur Fortbildung der Arbeitnehmervertreter: Henke, BB 1971, 571. 3 BGHZ 85, 293, 295; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rdnr. 118; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43; Lutter, ZHR 145 (1981), 227; Semler, AG 1983, 83; Hommelhoff, ZGR 1983, 573; differenzierend: Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, 8. Aufl., Rdnr. 770; s. ferner: Alversammer, Die Sorgfaltspflicht der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, 2000. 4 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 70; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43; Mertens, in: KölnKomm. AktG, § 111 Rdnr. 24; Edenfeld/Neufang, AG 1999, 53. 5 LG Hamburg, ZIP 1983, 194; Hommelhoff, ZGR 1983, 573; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 70; Lutter, ZHR 145 (1981), 227; Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 130. Uwe H. Schneider | 3165 515 516 517

Aufsichtsrat §52<br />

ee) Sorgfaltsmaßstab<br />

Der Anspruch auf Schadensersatz entsteht nur, wenn ein Aufsichtsratsmitglied<br />

seine Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Leichte Fahrlässigkeit<br />

genügt.<br />

Die Aufsichtsratsmitglieder sind Treuhänder fremder Interessen. Sie haben ihr<br />

Amt im Interesse der GmbH und nicht im Interesse einzelner Gesellschafter,<br />

einzelner Gruppen, etwa der zu einem Familienstamm gehörenden Gesellschafter,<br />

der Arbeitnehmer oder der Gläubiger wahrzunehmen 1 . Im Blick hierauf<br />

haben sie ihren Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften<br />

Überwachers und Beraters nachzukommen. Jedes Aufsichtsratsmitglied<br />

muss die Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen, die es braucht, um alle<br />

normalerweise bei einem Unternehmen dieser Art und dieser Größe anfallenden<br />

Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen<br />

zu können (objektive Betrachtungsweise) 2 . Aus diesen konkret-objektiven<br />

Anforderungen an die der Gesellschaft geschuldete Sorgfalt folgt, dass nur<br />

solche Personen das Amt als Aufsichtsratsmitglied übernehmen können, die<br />

bei Amtsantritt über eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung verfügen.<br />

Das gilt für alle Aufsichtsratsmitglieder in gleicher Weise, also auch für die<br />

Arbeitnehmervertreter 3 . Das ist der Mindeststandard.<br />

Das einzelne Aufsichtsratsmitglied schuldet darüber hinaus die Sorgfalt, zu der<br />

es aufgrund seiner Vorbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage ist (subjektive<br />

Betrachtungsweise) 4 . Dagegen ist nicht erforderlich, dass jedes Aufsichtsratsmitglied<br />

auf sämtlichen Gebieten, auf denen der Aufsichtsrat tätig<br />

wird, umfassende Spezialkenntnisse hat. Fehlen allen Aufsichtsratsmitgliedern<br />

entsprechende Spezialkenntnisse, sind diese aber für die Überwachungstätigkeit<br />

erforderlich, so haben sich die Mitglieder beraten zu lassen. Hat ein Aufsichtsratsmitglied<br />

aber besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, so ist dies der<br />

anzulegende Maßstab 5 . Bankenvertreter haben etwa eine vertiefte Überwachung<br />

des Finanzmanagements, Vertreter von Abnehmern eine vertiefte Überwachung<br />

der Produktplanung und der Absatzorganisation und Arbeitnehmervertreter<br />

eine vertiefte Überwachung der Arbeitsbedingungen zu vertreten.<br />

1 BGHZ 64, 331; Lutter, ZHR 145 (1981), 226; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des<br />

Aufsichtsrats, 4. Aufl., Rdnr. 766 ff.; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43.<br />

2 BGH, WM 1983, 10; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 70; Raiser/Heermann,<br />

in: Ulmer, Rdnr. 130; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43; Prühs, AG 1970, 352; Zempelin,<br />

AcP 155 (1956), 209; Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 571; Schwark, in: FS Werner, 1985,<br />

S. 841; zur Fortbildung der Arbeitnehmervertreter: Henke, BB 1971, 571.<br />

3 BGHZ 85, 293, 295; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht,<br />

§ 25 MitbestG Rdnr. 118; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43; Lutter, ZHR 145<br />

(1981), 227; Semler, AG 1983, 83; Hommelhoff, ZGR 1983, 573; differenzierend: Köstler/Zachert/Müller,<br />

Aufsichtsratspraxis, 8. Aufl., Rdnr. 770; s. ferner: Alversammer, Die<br />

Sorgfaltspflicht der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, 2000.<br />

4 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, Rdnr. 70; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 43; Mertens,<br />

in: KölnKomm. AktG, § 111 Rdnr. 24; Edenfeld/Neufang, AG 1999, 53.<br />

5 LG Hamburg, ZIP 1983, 194; Hommelhoff, ZGR 1983, 573; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck,<br />

Rdnr. 70; Lutter, ZHR 145 (1981), 227; Raiser/Heermann, in: Ulmer,<br />

Rdnr. 130.<br />

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