Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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506 507 508 §52 Aufsichtsrat Dem ist nicht zu folgen. Für die GmbH bedarf es einer eigenständigen Wertung (s. auch Wettbewerbstätigkeit als Bestellungshindernis bei Rdnr. 261). Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft orientiert sich die GmbH an einem personalistischen Strukturtypus (s. Einl. Rdnr. 2). Ins Verhältnis zu setzen ist das Wettbewerbsverbot des Gesellschafters mit dem Wettbewerbsverbot von Aufsichtsratsmitgliedern. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, dass die umfassende tatsächliche Information des Gesellschafters das Wettbewerbsverbot begründet (s. bei § 43 Rdnr. 154), so muss dasselbe für Aufsichtsratsmitglieder einer GmbH gelten 1 . Sie sind verpflichtet, sich umfassend zu informieren. Sie erhalten umfassende Information, sie sollen sie aber nicht für eigene Zwecke verwenden. Das begründet bei der GmbH ein Wettbewerbsverbot für Aufsichtsratsmitglieder. Doch hindert dies die Gesellschafter nicht, zumindest in der Satzung vom Wettbewerbsverbot zu befreien. Keinem Wettbewerbsverbot unterliegt der Alleingesellschafter, der zugleich Aufsichtsratsmitglied seiner Gesellschaft ist (s. dazu auch bei § 43 Rdnr. 188). Das Wettbewerbsverbot für Aufsichtsratsmitglieder besteht auch nicht bei Konzernlagen. Daher können Aufsichtsratsmitglieder auch Aufsichtsratsmitglied bei Unternehmen sein, die zum selben Konzern gehören, selbst wenn diese im selben Handelszweig tätig sind. Einer besonderen Befreiung bedarf es für diesen Fall nicht 2 . Befreiung vom Wettbewerbsverbot als Aufsichtsratsmitglied kann durch Gesellschafterbeschluss im Einzelfall erteilt werden (s. auch bei § 43 Rdnr. 185 ff.). ccc) Persönliche Interessenverfolgung und Interessenkollision Aufsichtsratsmitglieder sind häufig Personen, die vielfältigen Erwartungen und Pflichten unterliegen und die unterschiedliche Interessen wahrnehmen sollen. Als Mitglied eines Familienstammes sollen die Interessen der jeweiligen Angehörigen, als Vertreter der Arbeitnehmer sollen die Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt werden. Da Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt im Nebenberuf ausüben, sind ihnen zugleich vertragliche Pflichten aus ihrer Haupttätigkeit, etwa als Vorstandsmitglied eines Zulieferers oder einer Bank oder als Gewerkschaftssekretär auferlegt. Aus den daraus entstehenden Interessenkollisionen ergeben sich nicht nur besondere gesellschaftsrechtliche Probleme3 509 , sondern das Aufsichtsratsmitglied gerät auch in Gefahr, sich bei Verletzung seiner Pflichten gegenüber der Gesellschaft nach § 266 StGB (Untreue) strafbar zu machen, wenn der Gesellschaft aus seinem Verhalten Schaden entstanden ist. 1 Zustimmend: Fleck, GmbHR 1995, 883; sowie allgemein: Kellermann, in: FS Fischer, 1979, S. 316: Wettbewerbsverbot als Folge umfassender Kenntnis; differenzierend: Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989, S. 202: Wettbewerbsverbot nur bei beherrschendem Einfluss; Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1278: bei Einfluss auf laufende Geschäftsführung. 2 Zur entsprechenden Lage bei Geschäftsführern: Mertens/Cahn, in: FS Heinsius, 1991, S. 545 sowie Thiel, GmbHR 1992, 342. 3 Dazu ausführlich Lutter, in: FS Priester, 2007, S. 417 ff. 3162 | Uwe H. Schneider

Aufsichtsrat §52 Bei Interessenkollisionen ist zunächst danach zu unterscheiden, ob das Aufsichtsratsmitglied im Rahmen der Organtätigkeit bei der Überwachung, bei der Beschlussfassung usw. handelt oder außerhalb hiervon. Die Förderpflichten obliegen dem Aufsichtsratsmitglied nur, soweit es seine Aufsichtsratsarbeit wahrnimmt. Die Loyalitätspflichten sind ihm auch außerhalb hiervon auferlegt. Bei Wahrnehmung der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben sind Maßstab und Grenze der den Aufsichtsratsmitgliedern auferlegten Organpflichten allein die Gesellschaftsinteressen. Die Interessen der Gesellschaft haben unbedingten Vorrang. Geschäftschancen, über die ein Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner Organtätigkeit (s. aber auch Rdnr. 513) informiert wird, stehen ausschließlich der Gesellschaft zu. Aufsichtsratsmitglieder dürfen sie nicht an sich ziehen 1 . Zwar braucht das Aufsichtsratsmitglied eigene Interessen und die Interessen Dritter, etwa seines Arbeitgebers, nicht zu vernachlässigen, sondern kann sie im Rahmen des unternehmerischen Ermessens berücksichtigen. Weder Interessenkollisionen noch entgegenstehende Rechtspflichten, etwa aufgrund einer Tätigkeit in einem anderen Unternehmen, begrenzen aber die Förderpflichten, die dem Aufsichtsratsmitglied auferlegt sind. Sie bilden auch keinen Entschuldigungsgrund 2 . Zum Stimmrechtsausschluss bei Interessenkollision s. Rdnr. 413. Ist eine Person in mehreren Unternehmen Mitglied des Aufsichtsrats, so ist sie hierdurch nicht privilegiert 3 . Daher ist zwar ein Aufsichtsratsmitglied nicht verpflichtet, Geschäftsgeheimnisse, die es im Rahmen seiner Haupttätigkeit oder als Aufsichtsratsmitglied eines anderen Unternehmens erlangt hat, zu offenbaren 4 . Es reicht aber auch nicht aus, wenn das Aufsichtsratsmitglied dem Gesamtorgan den Interessenwiderstreit offenbart und sich der Stimme enthält 5 ; denn die Förderpflichten gebieten, die Interessen der Gesellschaft aktiv zu verfolgen und vor allem Schaden von der Gesellschaft abzuwehren. Außerhalb seiner Organtätigkeit obliegen dem Aufsichtsratsmitglied nur Loyalitätspflichten. Auch diese Organnebenpflichten werden durch entgegenstehende Rechtspflichten nicht eingeschränkt. Freilich ist das Aufsichtsratsmitglied hierdurch erstens nicht gehalten, außerhalb der Organtätigkeit, etwa beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit der Gesellschaft, eigene Interessen oder die 1 Ähnlich Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 432. 2 RGZ 165, 68, 82; BGH, NJW 1980, 1629: „Keine Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten“; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, 1958, S. 96; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 15 Rdnr. 121; Ulmer, NJW 1980, 1603; Lutter, ZHR 145 (1981), 224; Werner, ZHR 145 (1981), 252; einschränkend: Fischer, in: In Memoriam K. Duden, 1982, S. 64. 3 A.A.: Lutter, ZHR 145 (1981), 247 f. 4 Auf den Einzelfall abstellend: Fischer, in: In Memoriam K. Duden, 1982, S. 64. 5 So aber: Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 25 MitbestG Rdnr. 133; Mertens, in: Köln- Komm. AktG, § 93 Rdnr. 22; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 Rdnr. 199 ff.; Fischer, in: In Memoriam K. Duden, 1982, S. 65; wie hier: Ulmer, NJW 1980, 1605; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rdnr. 97. Uwe H. Schneider | 3163 510 511 512 513

Aufsichtsrat §52<br />

Bei Interessenkollisionen ist zunächst danach zu unterscheiden, ob das Aufsichtsratsmitglied<br />

im Rahmen der Organtätigkeit bei der Überwachung, bei<br />

der Beschlussfassung usw. handelt oder außerhalb hiervon. Die Förderpflichten<br />

obliegen dem Aufsichtsratsmitglied nur, soweit es seine Aufsichtsratsarbeit<br />

wahrnimmt. Die Loyalitätspflichten sind ihm auch außerhalb hiervon<br />

auferlegt.<br />

Bei Wahrnehmung der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben sind Maßstab<br />

und Grenze der den Aufsichtsratsmitgliedern auferlegten Organpflichten allein<br />

die Gesellschaftsinteressen. Die Interessen der Gesellschaft haben unbedingten<br />

Vorrang. Geschäftschancen, über die ein Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner<br />

Organtätigkeit (s. aber auch Rdnr. 513) informiert wird, stehen ausschließlich<br />

der Gesellschaft zu. Aufsichtsratsmitglieder dürfen sie nicht an sich ziehen<br />

1 . Zwar braucht das Aufsichtsratsmitglied eigene Interessen und die Interessen<br />

<strong>Dr</strong>itter, etwa seines Arbeitgebers, nicht zu vernachlässigen, sondern kann<br />

sie im Rahmen des unternehmerischen Ermessens berücksichtigen. Weder Interessenkollisionen<br />

noch entgegenstehende Rechtspflichten, etwa aufgrund einer<br />

Tätigkeit in einem anderen Unternehmen, begrenzen aber die Förderpflichten,<br />

die dem Aufsichtsratsmitglied auferlegt sind. Sie bilden auch keinen<br />

Entschuldigungsgrund 2 . Zum Stimmrechtsausschluss bei Interessenkollision<br />

s. Rdnr. 413.<br />

Ist eine Person in mehreren Unternehmen Mitglied des Aufsichtsrats, so ist sie<br />

hierdurch nicht privilegiert 3 . Daher ist zwar ein Aufsichtsratsmitglied nicht<br />

verpflichtet, Geschäftsgeheimnisse, die es im Rahmen seiner Haupttätigkeit<br />

oder als Aufsichtsratsmitglied eines anderen Unternehmens erlangt hat, zu<br />

offenbaren 4 . Es reicht aber auch nicht aus, wenn das Aufsichtsratsmitglied dem<br />

Gesamtorgan den Interessenwiderstreit offenbart und sich der Stimme enthält 5 ;<br />

denn die Förderpflichten gebieten, die Interessen der Gesellschaft aktiv zu verfolgen<br />

und vor allem Schaden von der Gesellschaft abzuwehren.<br />

Außerhalb seiner Organtätigkeit obliegen dem Aufsichtsratsmitglied nur Loyalitätspflichten.<br />

Auch diese Organnebenpflichten werden durch entgegenstehende<br />

Rechtspflichten nicht eingeschränkt. Freilich ist das Aufsichtsratsmitglied<br />

hierdurch erstens nicht gehalten, außerhalb der Organtätigkeit, etwa beim Abschluss<br />

eines Rechtsgeschäfts mit der Gesellschaft, eigene Interessen oder die<br />

1 Ähnlich Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 432.<br />

2 RGZ 165, 68, 82; BGH, NJW 1980, 1629: „Keine Spaltung einer Person mit kollidierenden<br />

Pflichten“; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre,<br />

1958, S. 96; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl., § 15 Rdnr. 121; Ulmer,<br />

NJW 1980, 1603; Lutter, ZHR 145 (1981), 224; Werner, ZHR 145 (1981), 252;<br />

einschränkend: Fischer, in: In Memoriam K. Duden, 1982, S. 64.<br />

3 A.A.: Lutter, ZHR 145 (1981), 247 f.<br />

4 Auf den Einzelfall abstellend: Fischer, in: In Memoriam K. Duden, 1982, S. 64.<br />

5 So aber: Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 25 MitbestG Rdnr. 133; Mertens, in: Köln-<br />

Komm. AktG, § 93 Rdnr. 22; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 Rdnr. 199 ff.;<br />

Fischer, in: In Memoriam K. Duden, 1982, S. 65; wie hier: Ulmer, NJW 1980, 1605;<br />

Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG<br />

Rdnr. 97.<br />

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