Scholz, GmbHG, 10. Auflage - Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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322 323 324 §52 Aufsichtsrat dern zur Wahrnehmung seiner Pflichten allein im Gesellschaftsinteresse, also zur Wahrnehmung fremder Interessen, zugeordnet. Sie sind zur persönlichen Ausübung übertragen und daher nicht übertragbar und nicht durch das Aufsichtsratsmitglied verzichtbar. Nur wenn man diese Fremdnützigkeit im Blick behält, lässt sich von eigenständigen „Organrechten“ sprechen 1 . Daher gibt es auch keinen Minderheitenschutz im Aufsichtsrat, weil alle Aufsichtsratsmitglieder in gleicher Weise auf das Gesellschaftsinteresse festgelegt sind, sondern nur Einzel- und Minderheitsbefugnisse, weil zweifelhaft sein kann, in welcher Weise das Gesellschaftsinteresse im Einzelfall am besten gefördert wird. Aus demselben Grund bestehen die Organbefugnisse nur für die Zeit der Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat. So entfällt das „Recht“ eines Aufsichtsratsmitglieds, von den Berichten Kenntnis zu nehmen, § 90 Abs. 5 Satz 1 AktG, mit seinem Ausscheiden aus der Organstellung. Zur Klagbarkeit s. Rdnr. 552. 2. Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit Das Amt des Aufsichtsratsmitglieds ist höchstpersönlich. Die Aufsichtsratsmitglieder können ihre Aufgaben nicht durch Dritte wahrnehmen lassen, § 52 i.V.m. § 111 Abs. 5 AktG. Das bedeutet einerseits, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht einen Dritten zu seinem Vertreter zur Wahrnehmung seiner Aufgaben in der Aufsichtsratssitzung bestellen kann (Vertretungsverbot) 2 . Es bedeutet andererseits, dass das Aufsichtsratsmitglied seine Aufgaben persönlich zu erfüllen hat und sie nicht „Sachverständigen“ übertragen darf (Delegationsverbot) 3 . Das schließt jedoch weder eine Zuweisung von einzelnen Aufgaben an Ausschüsse des Aufsichtsrats noch eine Einbeziehung Dritter in die technische Vorbereitung, in die Beratung und in die Durchführung von Beschlüssen des Aufsichtsrats aus. Dabei darf es sich aber nur um eine untergeordnete Hilfstätigkeit handeln, die die eigene Entscheidung des Aufsichtsratsmitglieds nicht ersetzt. Aber auch in diesen Fällen scheidet eine Einschaltung von Mitarbeitern ausnahmsweise dann generell aus, wenn der Aufsichtsrat oder auch die Geschäftsführung auf die besondere Vertraulichkeit bestimmter Unterlagen hinweist 4 . Zulässig ist es auch, in der Satzung für einen fakultativen Aufsichtsrat vorzusehen, dass Dritte an der Sitzung für ein verhindertes Aufsichtsratsmitglied teilnehmen. Sie haben jedoch dann im Zweifel kein Stimmrecht. 1 Lewerenz, Leistungsklagen zwischen Organen und Organmitgliedern der Aktiengesellschaft, 1977, S. 58; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 294; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rdnr. 89; krit.: Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265; Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 667. 2 OLG Hamburg, DB 1986, 1381; Lutter, in: FS Duden, 1977, S. 272; Hommelhoff, ZGR 1983, 554; zur Bestellung von rechtsgeschäftlichen Vertretern für die Gesellschaft, soweit der Aufsichtsrat die Gesellschaft organschaftlich vertritt, s. Rdnr. 180. 3 S. BGHZ 85, 293 (Hertie). 4 Vgl. Lutter, DB 1995, 257 ff.; vgl. auch Rdnr. 495. 3104 | Uwe H. Schneider

Aufsichtsrat §52 Auch ist in § 52 nicht auf § 101 Abs. 3 AktG verwiesen, weshalb beim fakultativen Aufsichtsrat, anders als beim obligatorischen Aufsichtsrat, die Wahl von Stellvertretern zulässig ist 1 . Dagegen sieht § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG ausdrücklich die Zulässigkeit der Wahl von Ersatzmitgliedern vor. Eine solche gleichzeitig mit der Bestellung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds vorgenommene Bestellung von Ersatzmitgliedern ist sowohl für die Gesellschaftervertreter wie für die Arbeitnehmervertreter zulässig 2 . 3. Der Grundsatz der Unabhängigkeit Der Aufsichtsrat ist organisatorisch unabhängig. Das bedeutet erstens, dass die Gesellschafter dem Aufsichtsrat keine Weisung erteilen können, und zweitens, dass die Aufsichtsratsmitglieder kein gebundenes Mandat haben. Sie unterliegen weder einer gesteigerten Treuepflicht gegenüber dem Bestellorgan noch organisationsrechtlichen Weisungen 3 . Auch die Aufsichtsratsmitglieder, die mit den Stimmen der öffentlichen Hand, des Bundes, eines Bundeslandes oder einer Kommune gewählt oder von ihr entsandt werden, sind ohne Unterschied zu den anderen Aufsichtsratsmitgliedern nur den Gesellschaftsinteressen verpflichtet 4 . § 65 Abs. 6 BHO, in dem es heißt, der zuständige Minister solle darauf hinwirken, dass die auf Veranlassung des Bundes gewählten oder entsandten Mitglieder der Aufsichtsorgane bei ihrer Tätigkeit auch die besonderen Interessen des Bundes zu berücksichtigen haben, schafft nur verwaltungsinternes Recht. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied bleibt freilich im Rahmen des unternehmerischen Ermessens gehalten, auch die Interessen der Anhaltseigner und damit der öffentlichen Hand mit zu berücksichtigen 5 . Streitig ist, ob sich ein Aufsichtsratsmitglied Dritten gegenüber schuldrechtlich binden kann, im Rahmen des unternehmerischen Ermessens Weisungen zu folgen 6 , ob Stimmbindungsverträge geschlossen und eine Pflicht zur Amtsnie- 1 Eb. Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 45; Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Rdnr. 12. 2 Einzelheiten bei Rdnr. 237. 3 Vgl. § 4 Abs. 3 Satz 3 MontanMitbestG; für MitbestG 1976: Fitting/Wlotzke/Wißmann, § 25 MitbestG Rdnr. 78; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rdnr. 78; Raiser, § 25 MitbestG Rdnr. 121; Uwe H. Schneider, ZGR 1977, 339; a.A. für Arbeitnehmervertreter: Mayer, BlStSozArbR 1976, 175; für satzungsmäßige Abdingbarkeit: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Rdnr. 7, 16. 4 BGHZ 36, 296, 306; BGHZ 69, 334, 339: Vorrang des Gesellschaftsrechts; Püttner, DVBl. 1986, 751; Säcker, in: FS Rebmann, 1989, S. 781; Schwintowski, NJW 1990, 1009, 1013; Schwintowski, NJW 1995, 1316; Keßler, GmbHR 2000, 76. 5 Lutter/Grunewald, WM 1984, 385, 395; Zeichner, AG 1985, 61 jeweils m.w.N. zum Stand der Diskussion. 6 S. dazu Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 25 MitbestG Rdnr. 100; Uwe H. Schneider, ZGR 1977, 340; dagegen die h.M.: Raiser/Heermann, in: Ulmer, Rdnr. 145; Fitting/ Wlotzke/Wißmann, § 25 MitbestG Rdnr. 78; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rdnr. 79; Raiser, ZGR 1978, 399; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., Rdnr. 692. Uwe H. Schneider | 3105 325 326 327 328 329

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dern zur Wahrnehmung seiner Pflichten allein im Gesellschaftsinteresse, also<br />

zur Wahrnehmung fremder Interessen, zugeordnet. Sie sind zur persönlichen<br />

Ausübung übertragen und daher nicht übertragbar und nicht durch das Aufsichtsratsmitglied<br />

verzichtbar. Nur wenn man diese Fremdnützigkeit im Blick<br />

behält, lässt sich von eigenständigen „Organrechten“ sprechen 1 .<br />

Daher gibt es auch keinen Minderheitenschutz im Aufsichtsrat, weil alle Aufsichtsratsmitglieder<br />

in gleicher Weise auf das Gesellschaftsinteresse festgelegt<br />

sind, sondern nur Einzel- und Minderheitsbefugnisse, weil zweifelhaft sein<br />

kann, in welcher Weise das Gesellschaftsinteresse im Einzelfall am besten<br />

gefördert wird. Aus demselben Grund bestehen die Organbefugnisse nur für die<br />

Zeit der Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat. So entfällt das „Recht“ eines Aufsichtsratsmitglieds,<br />

von den Berichten Kenntnis zu nehmen, § 90 Abs. 5 Satz 1<br />

AktG, mit seinem Ausscheiden aus der Organstellung. Zur Klagbarkeit s.<br />

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Das Amt des Aufsichtsratsmitglieds ist höchstpersönlich. Die Aufsichtsratsmitglieder<br />

können ihre Aufgaben nicht durch <strong>Dr</strong>itte wahrnehmen lassen, § 52<br />

i.V.m. § 111 Abs. 5 AktG. Das bedeutet einerseits, dass ein Aufsichtsratsmitglied<br />

nicht einen <strong>Dr</strong>itten zu seinem Vertreter zur Wahrnehmung seiner Aufgaben<br />

in der Aufsichtsratssitzung bestellen kann (Vertretungsverbot) 2 . Es bedeutet<br />

andererseits, dass das Aufsichtsratsmitglied seine Aufgaben persönlich zu<br />

erfüllen hat und sie nicht „Sachverständigen“ übertragen darf (Delegationsverbot)<br />

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Das schließt jedoch weder eine Zuweisung von einzelnen Aufgaben an Ausschüsse<br />

des Aufsichtsrats noch eine Einbeziehung <strong>Dr</strong>itter in die technische<br />

Vorbereitung, in die Beratung und in die Durchführung von Beschlüssen des<br />

Aufsichtsrats aus. Dabei darf es sich aber nur um eine untergeordnete Hilfstätigkeit<br />

handeln, die die eigene Entscheidung des Aufsichtsratsmitglieds nicht<br />

ersetzt. Aber auch in diesen Fällen scheidet eine Einschaltung von Mitarbeitern<br />

ausnahmsweise dann generell aus, wenn der Aufsichtsrat oder auch die<br />

Geschäftsführung auf die besondere Vertraulichkeit bestimmter Unterlagen<br />

hinweist 4 . Zulässig ist es auch, in der Satzung für einen fakultativen Aufsichtsrat<br />

vorzusehen, dass <strong>Dr</strong>itte an der Sitzung für ein verhindertes Aufsichtsratsmitglied<br />

teilnehmen. Sie haben jedoch dann im Zweifel kein Stimmrecht.<br />

1 Lewerenz, Leistungsklagen zwischen Organen und Organmitgliedern der Aktiengesellschaft,<br />

1977, S. 58; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 294; Ulmer/Habersack, in: Ulmer/<br />

Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rdnr. 89; krit.: Häsemeyer,<br />

ZHR 144 (1980), 265; Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 667.<br />

2 OLG Hamburg, DB 1986, 1381; Lutter, in: FS Duden, 1977, S. 272; Hommelhoff, ZGR<br />

1983, 554; zur Bestellung von rechtsgeschäftlichen Vertretern für die Gesellschaft, soweit<br />

der Aufsichtsrat die Gesellschaft organschaftlich vertritt, s. Rdnr. 180.<br />

3 S. BGHZ 85, 293 (Hertie).<br />

4 Vgl. Lutter, DB 1995, 257 ff.; vgl. auch Rdnr. 495.<br />

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