Manfred Hochwald, Deutsche Welthungerhilfe, Bonn - HEA
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Die allgemeine Ethik wird heute als eine philosophische Disziplin verstanden, deren<br />
Aufgabe es ist, Kriterien für gutes und schlechtes Handeln und die Bewertung seiner<br />
Motive und Folgen aufzustellen. Die Ethik baut als philosophische Disziplin allein auf<br />
das Prinzip der Vernunft. Darin unterscheidet sie sich vom klassischen<br />
Selbstverständnis der theologischen Ethik, die sittliche Prinzipien als in Gottes Willen<br />
begründet annimmt und insofern im Allgemeinen den Glauben an eine göttliche<br />
Offenbarung voraussetzt. Das Ziel der Ethik ist die Erarbeitung von allgemeingültigen<br />
Normen und Werten. Diese philosophische Disziplin Ethik (die auch als<br />
„Moralphilosophie“ bezeichnet wird) sucht nach Antworten auf die Frage, wie in<br />
bestimmten Situationen gehandelt werden soll. Die einfachste und klassische<br />
Formulierung einer solchen Frage stammt übrigens von Immanuel Kant: „Was soll<br />
ich tun?“ Ihre Ergebnisse bestehen in anwendbaren ethischen bzw. moralischen<br />
Normen, die beinhalten, dass unter bestimmten Bedingungen bestimmte Handlungen<br />
geboten, verboten oder erlaubt sind.<br />
Die Ethik ist von ihrer Zielsetzung her eine praktische Wissenschaft. Es geht ihr nicht<br />
um ein Wissen um seiner selbst willen (Theorie), sondern um eine verantwortbare<br />
Praxis. Sie soll dem Menschen - in einer immer unüberschaubarer werdenden Welt -<br />
Hilfen für seine sittlichen Entscheidungen liefern. Dabei kann die Ethik allerdings nur<br />
allgemeine Prinzipien guten Handelns oder ethischen Urteilens überhaupt oder<br />
Wertvorzugsurteile für bestimmte Typen von Problemsituationen begründen. Die<br />
Anwendung dieser Prinzipien auf den einzelnen Fall ist im Allgemeinen nicht durch<br />
sie leistbar, sondern Aufgabe der praktischen Urteilskraft und des geschulten<br />
Gewissens. Aristoteles vergleicht dies mit der Kunst des Arztes und des<br />
Steuermanns. Diese verfügen über ein theoretisches Wissen, das aber<br />
situationsspezifisch angewendet werden muss. Entsprechend muss auch die<br />
praktische Urteilskraft allgemeine Prinzipien immer wieder auf neue Situationen und<br />
Lebenslagen anwenden. Damit spielt für die richtige sittliche Entscheidung neben der<br />
Kenntnis allgemeiner Prinzipien insbesondere die Schulung der Urteilskraft in<br />
praktischer Erfahrung eine wichtige Rolle.<br />
Zurück zum Klimaschutz: Vor 15 Jahren wurde in Rio de Janeiro die Klimakonvention<br />
unterzeichnet. Darin verpflichten sich die Vertragsparteien, „auf der Grundlage der<br />
Gerechtigkeit“ und entsprechend ihren jeweiligen Verantwortlichkeiten und<br />
Fähigkeiten „das Klimasystem zum Wohl heutiger und künftiger Generationen“ zu<br />
schützen. Inzwischen ist noch deutlicher geworden, dass der Klimawandel kein<br />
zukünftiges Ereignis ist, sondern bereits unumkehrbar begonnen hat. Er stellt die<br />
wohl umfassendste Bedrohung menschenwürdiger Existenz und der natürlichen<br />
Ökosysteme dar. Damit ist er eine zentrale Frage der Gerechtigkeit und eine ernste<br />
Herausforderung für Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Ethik. Klimaschutz und<br />
Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind deshalb unaufschiebbare<br />
Aufgaben.<br />
Gibt es eine ausgleichende Gerechtigkeit?<br />
Die These vom Katastrophen-Egalitarismus, nach der der Treibhauseffekt für<br />
ausgleichende Gerechtigkeit sorge, trifft nicht zu. Denn die Lasten des Klimawandels<br />
sind sehr ungleich verteilt. Je ärmer und schwächer die Menschen, Regionen oder<br />
Länder sind, desto geringer sind ihre Möglichkeiten, den Folgen des Klimawandels<br />
auszuweichen, sich anzupassen, zu schützen, zu versichern oder entstandene<br />
reversible Schäden zu beheben. Im Vergleich zu den reichen Industrienationen sind<br />
die Länder des „Südens“, aber auch die Arktis erheblich stärker betroffen, obwohl ihr