Klinkmagazin 13 2010 - Klinikmagazin
Klinkmagazin 13 2010 - Klinikmagazin
Klinkmagazin 13 2010 - Klinikmagazin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„Nach Warstein“<br />
Mit klaren Worten Licht ins<br />
psychiatrische Dunkel bringen<br />
Sie haben ihn nach Eickelborn<br />
gebracht.“ – „Er kommt nach<br />
Warstein.“ In früheren Zeiten,<br />
als der Umgang mit psychiatrischen<br />
Erkrankungen hochgradig Tabubehaftet<br />
war, dienten die Namen der Orte, in<br />
denen es psychiatrische Einrichtungen<br />
gab, in Verbindung mit der Art und<br />
Weise, wie eine solche, vermeintlich<br />
schlimme Nachricht im Freundes, Bekannten<br />
oder Nachbarschaftskreis<br />
(manchmal auch noch hinter vorgehaltener<br />
Hand) weitergegeben wurde, als<br />
Synonym für eine psychiatrische Behandlung,<br />
der sich ein Erkrankter unterziehen<br />
musste. Musste. Fast immer<br />
wurden dabei auch Zwangsmaßnahmen,<br />
in jedem Fall jedoch die Hilflosigkeit<br />
des Betroffenen assoziiert.<br />
Dieses hierzulande bekannte<br />
Sprachmuster, das Ausdruck des für<br />
Außenstehende schwer Fassbaren einer<br />
psychiatrischen Erkrankung ist,<br />
muss uns nicht wundern. Immer dann,<br />
wenn Menschen wegen fehlender Erklärungen<br />
Zusammenhänge nicht<br />
mit Worten nachvollziehen können,<br />
muss Ersatz her. Ähnliche sprachliche<br />
Kopfstände kennen wir, wenn Menschen<br />
sterben. Es sind „Trauerfälle“.<br />
Man schreibt an ein „Trauerhaus“ und<br />
wünscht sich „Herzliches Beileid“. Tabus<br />
pur.<br />
Diese sprachlichen Tricks sind in der<br />
Schriftsprache schwieriger umzusetzen.<br />
Wohl auch, weil uns die vorgehaltene<br />
Hand fehlt, mit der wir in der Zeitung<br />
Taxi Broad<br />
Inh. B. Ogrodowski<br />
<strong>Klinikmagazin</strong> Nr. <strong>13</strong> <strong>2010</strong><br />
eine Nachricht überbringen<br />
können. Die „Einweisung<br />
in eine psychiatrische<br />
Klinik“ als Notiz in<br />
der Zeitung ist dennoch<br />
nur eine andere Form des sprachlichen<br />
Ausweichens vor Fakten. Aus Gründen<br />
des im Presserecht festgelegten Persönlichkeitsschutzes,<br />
aber auch aufgrund<br />
der ärztlichen Schweigepflicht sind die<br />
Grenzen der Informationsmöglichkeiten<br />
schnell erreicht. Und ganz bestimmt<br />
geistern in den Köpfen der Journalisten<br />
keine anderen Tabus, als sie die Durchschnittsbevölkerung<br />
kennt.<br />
Was also ist zu tun, um heute in der<br />
gesprochenen Sprache und im gedruckten<br />
Wort einer Psychiatrie gerecht zu<br />
werden, die in den vergangenen Jahrzehnten<br />
ihre eigene RiesenDisziplin<br />
selbst erst richtig verstanden hat?<br />
Und die trotz immer neuer Herausforderungen<br />
einer komplexer und für<br />
menschliche Empfindungen belastender<br />
werdenden Gesellschaft viele Erkrankungen<br />
gezielter und offensiver<br />
angehen kann – auch wenn der Kostendruck<br />
gegenläufige Entwicklungen auslöst.<br />
Die Antwort ist einfach: Erklären.<br />
Informieren. Krankheitsbilder schildern.<br />
Licht ins viel zu lange vorherrschende<br />
psychiatrische Dunkel bringen.<br />
Tabus enttabuisieren.<br />
Journalisten, die verstehen, werden<br />
mit klaren Worten über kranke Menschen<br />
in der Psychiatrie schreiben können.<br />
Und Menschen, die diese Journa<br />
59581 Warstein · Hahnewall 1<br />
KranKenfahrTen<br />
eil- u. KleinTransporTe<br />
zugelassen für alle Kassen<br />
Telefon: 0 29 02/20 21<br />
listen verstehen, werden irgendwann<br />
dann auch mit klaren Worten darüber<br />
reden können. Der Umgang mit dem<br />
Thema „Depression“ nach dem Freitod<br />
des FußballTorwarts Robert Enke ist<br />
das beste Beispiel für eine langsam entstehende<br />
Offenheit.<br />
Dem steht die Angst des Menschen<br />
vor Erkrankung, erst recht vor einer<br />
psychischen Erkrankung mit ihren vielen<br />
Unwägbarkeiten, entgegen. Dass<br />
wir deshalb hier an Grenzen stoßen,<br />
ist menschlich – es sollte uns aber nicht<br />
von der Erkenntnis abhalten, dass die<br />
Psychiatrie ins helle Licht gehört. Wo<br />
man besser sieht, versteht man auch<br />
besser. Was man versteht und mit klarer<br />
Sprache formuliert, macht weniger<br />
Angst. Dies ist ein dauerhafter Prozess<br />
der ständigen Öffnung nach außen –<br />
nicht nur eine gute Therapie für die<br />
Menschen, denen die Psychiatrie begegnet,<br />
sondern auch eine gute Therapie<br />
für die Psychiatrie selbst.<br />
Reinhold Großelohmann<br />
Chefredakteur beim<br />
Warsteiner Anzeiger/<br />
Soester Anzeiger<br />
33 n