Klinkmagazin 13 2010 - Klinikmagazin
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n Öffentlichkeitsarbeit<br />
Der Leumund der Psychiatrie<br />
Warum Vorurteile und Klischees sich so hartnäckig halten<br />
Medienfachleute wissen es schon<br />
lange: Die öffentliche Meinung<br />
ist deutlich empfänglicher für<br />
schlechte Nachrichten als für gute. Das<br />
war schon vor 100 Jahren so und wird<br />
wohl auch in den nächsten Generationen<br />
so sein. Geändert aber haben sich<br />
die Medien und die globalisierte, rasante<br />
Kommunikationswelt! Sie werden<br />
immer schneller und durch ihren unmittelbaren<br />
Bilderreichtum eingängiger<br />
und emotionaler als früher. Hat gestern<br />
in Las Vegas ein Vater einen Ritualmord<br />
an seiner Familie begangen und wurde<br />
er anschließend einer psychiatrischen<br />
Klinik zugeführt, so landet diese Nachricht<br />
am nächsten Morgen mit der Zeitung<br />
auf meinem Frühstückstisch.<br />
In unzähligen Darstellungen wird in<br />
oft verzerrten Zusammenhängen und<br />
gleichem Atemzug berichtet von psychisch<br />
kranken Menschen in Verbindung<br />
mit Unberechenbarkeit, Straffälligkeit<br />
oder Gefährlichkeit. Dies nährt<br />
die laienhafte Vorstellung: Psychisches<br />
Kranksein hat was Schlimmes, Böses,<br />
davor muss man sich hüten!<br />
Und welches Bild hat „man“ im<br />
Kopf, wenn „man“ an psychisch Kranke<br />
denkt? Da ist „man“ schnell parat<br />
mit Beschreibungen wie: reizbar, ungewöhnlich,<br />
läppisch, unberechenbar,<br />
erfolglos, schwerfällig, unangenehm,<br />
grausam, linkisch, passiv oder auch<br />
schwach.<br />
Daher liegt es nahe, dass psychiatrische<br />
Fachkliniken auch heute teilwei<br />
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se noch bezeichnet werden als „Klapse/<br />
Klapsmühle“, „Irrenhaus“, „Ballerburg“,<br />
„Schloss Wahnsinn“ oder „Hotel<br />
zum schwachen Geist“, in dem der psychisch<br />
Kranke zur Räson gebracht wird<br />
mittels Zwangsjacke oder Gummizelle<br />
(aber gerade so etwas gibt es schon sehr<br />
lange nicht mehr!).<br />
Und die Psychopharmaka – ein zwar<br />
nicht alleiniger, aber wichtiger, zielführender<br />
und hilfreicher<br />
dizinische Fachrichtung Psychia trie<br />
und Psychotherapie Tausenden von<br />
Menschen ambulant, tagesklinisch und<br />
stationär notwendige alltagspraktische<br />
und in das jeweilige Lebensumfeld integrierte<br />
Hilfen und Behandlungen<br />
leis tet. Es geht nicht um Wegschließen,<br />
Behüten oder gar Disziplinieren, sondern<br />
um das Beheben bzw. Lindern<br />
von erheblichen Beschwerden, Nöten,<br />
Ängsten – und drohenden<br />
Therapieansatz?! Sie wer Die Grenze sozialmedizinischen Konseden<br />
verpönt als „Dumpfmacher“,<br />
„Nervengift“<br />
bzw. „chemische Keule“.<br />
Aber: Die absolut über<br />
zwischen Normal<br />
und Krank ist<br />
sehr schmal<br />
quenzen.<br />
Betroffen sind hier Menschen,<br />
die über weite Strecken<br />
ein ganz normales<br />
wiegende Mehrheit psy<br />
Leben meisterten, bis sie<br />
chisch Kranker hat mit Straffälligkeit Verletzungen erfuhren, die tiefe See<br />
und Verbrechen nichts zu tun! Und wer lenRisse hinterließen. Einige von ih<br />
sich in seinem persönlichen Bekannten nen antworteten auf ihr individuelles<br />
und Freundeskreis umsieht, weiß: Die Schicksal mit der Ausformung der ei<br />
Grenze zwischen Normal und Krank ist genen verrückten Erlebensweise, was<br />
ein sehr schmaler Pfad; es kann schnell scheinbar ausgrenzt, gerne aber von<br />
jeden treffen und auch ich bin nicht für der Öffentlichkeit allzu schnell über<br />
alle Zeit davor gefeit.<br />
interpretiert wird.<br />
Den „Splitter im Auge des Anderen“ Wer das registriert, sagt sich mitun<br />
sehen wir schnell, aber beim „Balken ter: Die Psychiatrie ist ja normaler als<br />
im eigenen Auge“ sind wir mundtot. ich dachte und die sogenannte Norma<br />
Wie auch unser Artikel auf Seite 31 lität manchmal psychiatrischer als sie<br />
zeigt, entwickeln erfreulicherweise glaubt.<br />
heute viele Menschen eine tolerantere Die Psychiatrie ist heute mehr denn<br />
Haltung gegenüber Minderheiten, was je ein hilfreicher Teil unserer Gesell<br />
zunehmend auch in Bezug auf die Psyschaft; insofern gilt für beide Seiten<br />
chiatrie gilt (oder geht es da schon bald (die in der Psychiatrie Tätigen und die<br />
gar nicht mehr um eine Minorität?). Patienten): Tue Gutes, empfange und er<br />
Wer sich interessiert informiert, arbeite Gutes und rede darüber!<br />
wird feststellen, dass lattrich-anz-2006-ef.qxd die moderne me<br />
<strong>13</strong>.06.2006 Dr. 9:19 Josef Uhr J. Leßmann Seite 1<br />
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<strong>Klinikmagazin</strong> Nr. <strong>13</strong> <strong>2010</strong>