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Artikel Dirk Bockmühl / Cornelia Weyer

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126VDR Schriftenreihe 2Mikrobielle Schäden an LederoberflächenBekämpfung und Prävention mikrobieller Schädenan Lederoberflächen durch herkömmliche Methodender Lederreinigung<strong>Dirk</strong> Bockmühl, <strong>Cornelia</strong> <strong>Weyer</strong>Control and Prevention of Microbiological Damage to Leather Surfaces Using ConventionalMethods of Leather CleaningObwohl der primäre Zweck von Reinigungsmaßnahmen im wesentlichen die Beseitigung von Schmutz ist,werden auch biologisch verursachte Schadbilder durch die Oberflächenreinigung beeinflusst. Materialzerstörungdurch Schimmelpilze und andere Mikroorganismen kann insbesondere bei klimatisch inadäquatenLagerbedingungen auch bei gesäuberten Exponaten zu einem großen Problem werden. Experimente anLederoberflächen zeigten, dass sich durch die Anwendung geeigneter Reinigungsmethoden ein Sekundärnutzenim Sinne einer antimikrobiellen Wirkung erzielen lässt, andere Methoden der Lederreinigung einenmöglichen Befall mit Schimmelpilzen jedoch sogar fördern. Demnach ist nicht nur die Gerbungsart desLeders, sondern in hohem Maße auch seine weitere Reinigung und Pflege ausschlaggebend für einen Schutzvor mikrobiellem Befall.The primary purpose of cleaning measures is the removal of impurities and dirt. However, biologically causeddamages are also influenced by cleaning procedures. Mould and other microorganisms, in particular withclimatically inadequate conditions, can cause big problems even with cleaned exhibits. Experiments withleather surfaces have elucidated the great effect of cleaning methods on mould growth. While some proceduresshowed a protective effect, others even enhanced microbial growth. Thus, not only tanning, but alsocleaning and care of leather is important for an optimal protection against microbiological damage.Materialzerstörung durch MikroorganismenMikroorganismen wie Pilze und Bakterien stellen einen wichtigen Faktor bei der Zerstörungrestauratorisch relevanter Materialien dar, weil eine Besiedlung nahezu unvermeidbarist und mikrobielle Stoffwechselprozesse auf direkte und indirekte Weise in derLage sind, Schadwirkungen hervorzurufen. Direkte Schäden entstehen vor allem durchden Abbau organischer Substanzen, die den Mikroorganismen als Nahrung dienen,während indirekte Schäden meist durch Stoffwechselprodukte wie organische Säurenverursacht werden. Auch die Eigenfärbung der auf dem Objekt wachsenden Mikroorganismenstellt eine derartige indirekte Schädigung dar. Obwohl Leder durch seine Herstellungsweisebesser als andere natürliche Materialien, wie Papier oder Holz, vor mikrobiellemBefall geschützt ist, sind vor allem Schäden durch Schimmelpilze keine Seltenheit.Die unbehandelte Tierhaut besteht im wesentlichen aus Wasser und Eiweißenund stellt somit im Prinzip eine gute Nahrungsquelle für Mikroorganismen dar. Nebender Erzielung bestimmter physikalischer Eigenschaften, etwa der Flexibilität, dient dieGerbung somit auch dem Schutz des Leders vor mikrobieller Zersetzung. Im Gegensatzzu Pergament begünstigt der saure pH-Wert des gegerbten Leders in gewissem Maßedas Wachstum von Pilzen, nicht jedoch das von Bakterien. Dabei spielt die Art der Gerbungeine entscheidende Rolle, da die Zusammensetzung der verwendeten Gerbstoffestark differiert. Seit langem ist etwa bekannt, dass chromgegerbte Leder seltener vonMikroorganismen besiedelt werden als pflanzlich gegerbte. Weitgehend unbekannt isthingegen der Einfluss der verschiedenen pflanzlichen Gerbverfahren auf den Befall mitSchimmelpilzen, obwohl je nach verwendeter Gerbpflanze unterschiedliche Gehalte anGerbstoffen und Säurebildnern auf die Pilze einwirken, die einen Effekt auf das Wachstumhaben sollten.


Mikrobielle Schäden an Lederoberflächen VDR Schriftenreihe 2 127SporenbildungVerbreitungMyzelwachstumSporenkeimungAbb. 1:Lebenszyklus einesSchimmelpilzesBiologie der SchimmelpilzeSchimmelpilze unterliegen einem Wachstumszyklus, der sich in mehrere Phasen aufteilenlässt (Abb. 1). Der eigentliche Organismus besteht dabei aus einem Geflecht ausZellfäden, dem sogenannten Myzel, das weite Bereiche des bewachsenen Objektes umfassenkann, aber meist nicht sichtbar innerhalb des Substrates wächst. Aus dem Myzelentwickeln sich die Verbreitungsorgane (Konidiophoren), die die Aufgabe haben, dieSporen (Konidien) aus dem Wachstumssubstrat herauszuheben, damit diese durch dieLuft verbreitet werden können. Diese sporenbesetzten Konidien werden häufig als eigentlicherSchimmelbefall wahrgenommen, da sie den typischen pelzigen Belag ausmachen.Sobald die durch die Luft getragene Spore an einen Platz mit guten Wachstumsbedingungengelangt, kann sie auskeimen und mit der Bildung eines neuen Myzels den Zykluserneut starten. Da diese Sporen außerordentlich widerstandsfähig sind, können zwischenzwei Zyklen durchaus mehrere Jahrzehnte, im Einzelfall gar Jahrhunderte liegen.Für den konservatorischen Aspekt heißt dies: Auch ein lange zurückliegender Schimmelbefallstellt für das betroffene Objekt eine Gefahr dar, weil durch den Einfluss günstigerUmweltbedingungen ein Pilzbewuchs stets wieder auftreten kann. Da Pilzsporenubiquitär vorhanden sind, ist ein alter Schaden jedoch keine Voraussetzung für einenSchimmelbefall. Die wichtigste Massnahme zum Schutz vor Schimmelbewuchs ist dahereine konsequente Lagerung bei Umweltbedingungen, die für das Wachstum des Pilzesnicht günstig sind. Neben sekundären Faktoren wie Licht oder Temperatur ist der Entzugvon Feuchtigkeit die wichtigste Vorbeugung. In der überwiegenden Zahl der Fällestellt Wasser den limitierenden Faktor des Pilzwachstums dar, so dass die Zyklen derSchimmelpilzschäden oft mit Wasserschäden korrelieren. Auch Leder ist daher besondersdurch Feuchtigkeit von Schimmelbefall bedroht, wobei, wie bereits erwähnt, dieGerbung, aber auch die Reinigung der Lederoberfläche, einen erneuten Pilzbefall beeinflussenkann.


128VDR Schriftenreihe 2Mikrobielle Schäden an LederoberflächenDurchführung der LederreinigungAusgehend von dieser Tatsache, haben wir den Einfluss üblicher Reinigungsmethodenbei der Lederrestaurierung auf die Besiedlung mit Schimmelpilzen untersucht. Dazuwurden unterschiedlich gegerbte neue Lederproben den folgenden Reinigungsmaßnahmenunterzogen:1) unbehandelt2) Speichelauftrag mit Wattestäbchen3) Abrollen eines „Groomsticks“ über das Leder4) Abreiben des Leders mit „Wishab“-Schwamm5) Abreiben des Leders mit „Rußfresser-Schwamm“6) Auftrag einer 2%igen Lösung von „Marlipal“ (ein Alkoholethoxylat)mit Wattestäbchen und anschließender Nachreinigung mit Aqua dest.7) Auftrag einer 10%igen Lösung von APG 600 (Alkylpolyglukosid)mit Wattestäbchen und anschließender Nachreinigung mit Aqua dest.8) Auftrag des antifungalen Lederbalsams „Cire“ mit WattestäbchenFolgende Gerbungsarten, die in der Lederrestaurierung zu den meist anzutreffendenzählen (J. Göpfrich, pers. Mitteilung), wurden getestet:a) Myrobalanb) Kastaniec) Sumachd) Kastanie/Sumache) Chrom-vegetabil nachgegerbtAbb. 2Experimenteller Aufbauzur Bestimmung mikrobiellenBewuchses auf LederAbb. 3Stereomikroskopische Evaluierungdes Schimmelbewuchses.0=kein Bewuchs;1= schwacher Bewuchs;2= deutlicher Bewuchs;3=starker BewuchsDie entsprechend behandelten Leder wurden mit einer Pilzsporensuspension von Aspergillusniger (einer der häufigsten restauratorischen Schadkeime) versetzt und in einerfeuchten Kammer für zwei Wochen bei 25°C inkubiert. Dabei wurden die Lederstückegut mit sterilem Wasser durchfeuchtet und ein Tropfen der Sporensuspension mittig daraufgegeben(Abb. 2). Innerhalb dieses Feldes wurde somit das Pilzwachstum ermöglicht.Anschließend wurde das Pilzwachstum auf den unterschiedlichen Lederproben dokumentiert(Abb. 3). Die Bewertung reicht von 0 (kein Wachstum) bis 3 (starkes Wachstum)und wurde für zwei unabhängige Proben addiert, so dass sich in der Ergebnistabelle(Tab. 1) Werte zwischen 0 und 6 ergeben. Da die Bestandteile des Leders bzw. die möglichenRückstände der Behandlungen die einzige Nährstoffquelle der Schimmelpilze darstellten,kann das beobachtete Wachstum auf diese Parameter zurückgeführt werden.ZellkulturschaleSporensuspensionLederprobeAqua dest.


Mikrobielle Schäden an Lederoberflächen VDR Schriftenreihe 2 129Myrobalan Kastanie Sumach Kastanie/Sumach Chrom-vegetabil nachgegerbt ∑unbehandelt 2 2 1 2 1 8Groomstick 6 4 2 4 0 16Marlipal (2%) 2 4 2 2 0 10Speichel 3 3 2 2 0 10APG (10%) 0 1 0 1 0 2Cire 3 3 4 3 2 15Rußfresser 2 2 0 1 1 6Wishab 2 4 2 4 1 13∑ 20 23 13 19 5Einfluss der Reinigungsart auf das PilzwachstumInsgesamt ließen sich klare Unterschiede des Schimmelwachstums sowohl zwischenden Gerbungsarten als auch zwischen den Behandlungsmethoden feststellen. So zeigtsich erwartungsgemäß das chromgegerbte Leder sehr resistent gegen Schimmelbefall,während die pflanzlich gegerbten Lederarten im Prinzip alle recht gut von Pilzen bewachsenwerden. Die quantitativen Unterschiede sind allerdings groß. Hier erwies sichdie Gerbung mit Sumach (Essigbaum) als beste pflanzliche Gerbungsart im Hinblick aufeinen Schutz gegen Schimmelbewuchs. Die Gerbungen mit Myrobalan (eine Sammelbezeichnungfür verschiedene asiatische Mandelbaumarten) und Kastanie waren weitweniger vor Pilzbewuchs geschützt, wobei interessanterweise die Mischgerbung (Kastanie/Sumach)auch in der Beurteilung des Schimmelwachstums zwischen den Einzelgerbstoffenliegt.Als unter mikrobiologischen Gesichtspunkten eindeutig beste Gerbung erwies sicherwartungsgemäß die Chromgerbung. Das beobachtete Pilzwachstum lag bei dieserBehandlungsart deutlich unter den Werten der anderen Gerbverfahren.Die Behandlungsarten haben ebenfalls einen großen Einfluss auf die Besiedlung mitSchimmelpilzen. Grundsätzlich schnitt das unbehandelte Leder am besten ab; lediglicheine Vorbehandlung mit 10%iger Tensidlösung (APG) konnte das Wachstum noch weiterreduzieren. Da nach der Applikation dieser Substanz jedoch die physikalischen Eigenschaftendes Leders maßgeblich beeinträchtigt waren (die Lederproben waren hart undspröde), ist eine Verwendung hochprozentiger Tenside grundsätzlich nicht zu empfehlen.Die Behandlung mit 2%igem Tensid (Marlipal) zeigte nur eine marginal schlechtere Resistenzgegen Pilzbewuchs, so dass aus mikrobiologischer Sicht ein Einsatz von Tensidenkeinen Schaden anrichtet.Abzuraten ist hingegen vom Einsatz des Naturkautschuk-Radierers (Groomstick), derdas schlechteste Ergebnis aller eingesetzten Reinigungsmittel hinsichtlich eines Pilzbefallslieferte. Neben der offensichtlichen Förderung des Wachstums der appliziertenPilzart wurde hier bei allen Lederproben auch das Auftreten anderer Mikroorganismenbeobachtet. Auch der synthetische Reinigungsgummi (Wishab) zeigte eine ähnliche Wirkung,obschon die damit behandelten Lederproben nicht mit sonstigen Keimen besiedeltwaren. Da für beide Radiergummi-Arten von Roelofs et al. (IADA-Kongress Kopenhagen1999) auch unerwünschte Wirkungen auf Papier beschrieben sind, ist von derVerwendung wohl aus mehreren Gründen abzuraten.Erstaunlich waren die schlechten Ergebnisse der Ledercreme Cire 213, die als fungizidund insektizid ausgelobt und über die französische Nationalbibliothek vertrieben wird.Tab. 1Schimmelbewuchs nach 14tägigerInkubation auf Lederprobenunterschiedlicher Gerbungsartund Vorbehandlung


130VDR Schriftenreihe 2Mikrobielle Schäden an LederoberflächenDieses Produkt auf Basis tierischer Fette konnte seiner antifungalen Auslobung in keinerWeise gerecht werden. Vielmehr wiesen die mit Cire 213 behandelten Lederproben einenähnlich hohen Pilzbefall auf wie die mit dem Groomstick gereinigten. Da Fette eine wichtigeNahrungsquelle für Pilze darstellen, dürfte dieser Effekt dafür verantwortlich sein.Eine pilztötende Wirkung konnte nicht festgestellt werden.Die Reinigung mit Speichel ist eine traditionelle Methode der Oberflächensäuberung, diein einigen restauratorischen Bereichen noch immer sehr häufig angewendet wird. Aufdas Pilzwachstum hat sie keinen nennenswerten Einfluss, obwohl auch hier eine Besiedlungmit anderen Mikroorganismen festgestellt werden konnte. Da in der Mundhöhlestets eine hohe Zahl von Bakterien und (in geringerem Maße) Pilzen vorhanden ist, solltedie Kontaminationsgefahr durch die Reinigung mit Speichel nicht unterschätzt werden.Die einzige Behandlung (neben der nicht empfehlenswerten Applikation hochprozentigerTenside), bei der eine leichte Verringerung des Pilzwachstums im Vergleich zu den unbehandeltenProben beobachtet werden konnte, stellt die Verwendung des „Rußfresser-Schwämmchens“ („Sootmaster-Sponge“) dar. Obwohl das Wachstum nicht signifikantvon den unbehandelten Proben abwich, war dennoch eine eindeutige tendenzielleSchutzwirkung zu verzeichnen.Die Ergebnisse müssen natürlich vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass keinePrimärverschmutzung auf dem Leder entfernt wurde. Da sich Schimmelpilze jedoch imwesentlichen von diesem Schmutz (Staub, Fett, Mineralien) und weniger vom Lederselbst ernähren, stellt die Verschmutzung selbst ein großes Risiko für einen (Wieder-)Befall mit Schimmelpilzen dar. Daher müssen die Säuberungsmaßnahmen konsequenterweiseauch auf ihr Reinigungspotential hin bewertet werden, was im Rahmen dieserStudie nicht erfolgen konnte. Vor diesem Hintergrund kann es vertretbar sein, niedrigkonzentrierte Tenside zur Lederreinigung zur verwenden, wenn damit eine dem Pilzwachstumentgegenwirkende Säuberung verbunden ist. Sollte diese Reinigung mit dem„Rußfresser-Schwämmchen“ erzielt werden können, ist dies aus mikrobiologischerSicht die Methode der Wahl. Andere Arten von Radierern sollten im Hinblick auf ihreeher wachstumsfördernden Eigenschaften nicht verwendet werden. Von der Reinigungmit Speichel ist allein aufgrund der zu befürchtenden Eintragung anderer Mikroorganismenabzusehen.Hinsichtlich des Effektes auf das Wachstum von Schimmelpilzen besteht im übrigenkeine Korrelation zwischen dem Reinigungsmittel und den Gerbungsarten, d.h. die obengetroffenen Aussagen über die Art der Oberflächenreinigung treffen auf alle untersuchtenGerbungsarten zu.Die Autoren danken J. Göpfrich (Ledermuseum Offenbach) und M. Heinzel (Henkel KGaA)für die fachliche Hilfe, J. Boy (Henkel KGaA), J. Bandsom und V. de Bruyn (RestaurierungszentrumDüsseldorf) für die experimentelle Unterstüzung sowie S. Banaszak (GerberschuleReutlingen) für die Bereitstellung der Lederproben.Bezugsquellen der verwendeten Reinigungsmittel:APG 600 (Handelsname: Glucopon 600): Cognis GmbH & Co KG, DüsseldorfGroomstick: Picreator Enterprises Ltd., LondonMarlipal 1618/25: Kremer Pigmente, AichstettenRußfresser-Schwämmchen: Unger Germany GmbH, SolingenWishab-Schwamm: Akachemie GmbH, HamburgCire 213: Bibliothèque nationale de France, Paris

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