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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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echt & <strong>gesellschaft</strong>der Stadt Lorca und dem Interesse derBf gefunden hatten.Im Rahmen dieser Beschwerde rügtedie Bf auch eine Verletzung von Art 3.Geltend gemacht wurde, dass sie Opfereiner unmenschlichen und erniedrigendenBehandlung geworden sei. Dazusprach der Gerichtshof aus, dass die Bfund ihre Familie zwar jahrelang gewissunter sehr schwierigen Bedingungen gelebthätten, diese aber nicht einer erniedrigendenBehandlung gem Art 3 gleichkommenkönne.Eine wichtige Weiterentwicklung erfuhrdie Rsp im Fall Guerra ua. 18 Die Bflebten in einer Entfernung von einemKilometer zu einer Chemiefabrik, dieals Betrieb iSd Seveso I-Richtlinie 19qualifiziert wurde. Sie brachten vor,dass es die staatlichen Behörden versäumthätten, sie über mögliche Umweltrisikender benachbarten, besondersgefährlichen Fabrik, zu informieren.Die Kommission stellte zunächst eineVerletzung von Art 10 fest. Sie vertratdie Ansicht, dass Art 10 die Staatennicht nur dazu verpflichte, Informationenüber umweltrelevante Sachverhalteder Öffentlichkeit zugänglich zu machen,sondern auch die positive Pflichtauferlege, solche Informationen zu sammeln,aufzubereiten und zu verbreiten.Dieser weiten Auslegung des Art 10schloss sich der Gerichtshof allerdingsnicht an. Er sprach aus, dass Art 10 zwardas Recht auf Zugang zu Informationengewähre, aus dieser Bestimmung jedochkeine positive Pflicht des Staates geschlossenwerden könne, Informationenzu sammeln und zu verbreiten.Hingegen erklärte der Gerichtshof exofficio Art 8 für anwendbar und stelltefest, dass die Gasimmissionen das Rechtauf Privat- und Familienleben der Bf beeinträchtigthatten und prüfte, ob derStaat seiner Schutzpflicht nachgekommenwar. Nach seiner Ansicht hatten dieBehörden es verabsäumt, Informationenzur Verfügung zu stellen, die den Anrainernermöglicht hätten, abzuschätzen,welcher Gefahr sie sich aussetzen, indemsie weiterhin im Einzugsbereichder Chemiefabrik lebten. Genau wie imFalle Lopez Ostra kam er zu dem Ergeb-...........................................18) Guerra ua g Italien, U vom19.2.1998, EUGRZ 1999,188 (AnmSchmidt-Radefeld) = ÖJZ 1999, 33.19) RL 82/501/EG, ABl L 230/1982,mittlerweile abgelöst von Seveso II, RL96/82/EG, ABl L 010/1997.20) Hatton ua g Vereinigtes Königreich,U v 2.10.2001, Nr 36022/97; vglecolex 2002, 392 = ÖJZ 2003/2 = RdU2002, 20 (Anm Kind).21) Zur Kritik an diesem Urteil siehenis, dass die Behörden ihrer Verpflichtungnicht nachgekommen waren, undstellte daher eine Verletzung von Art 8fest. Mit dieser Entscheidung anerkannteder Gerichtshof ein Recht auf Umweltinformation.Das bedeutet, dass dieStaaten verpflichtet sind, Personen überGefahren, die ihre Rechte unter Art 8 gefährdenkönnen, in Kenntnis zu setzen.Als jüngster Fall unter Art 8, der sichmit Fluglärm befasste, ist der Fall Hattonua zu nennen. Wie im Fall Powellund Rayner ging es um die Beeinträchtigungder Rechte der Anrainer desFlughafens Heathrow. In diesem Fallbrachten die Bf vor, dass nach dem In-Kraft-Treten einer neuen Regulierungdes Flugverkehrs eine erhöhte Frequenzder Nachtflüge und der dadurch empfindlichgestiegene Geräuschpegel ihrenSchlaf erheblich beeinträchtigt hättenund dadurch ihre Rechte nach Art 8 verletztseien.In seinem Urteil vom 2.10.2001 20stellte der Gerichtshof noch eine Verletzungder Rechte der Bf im Hinblick aufArt 8 fest, da insb aufgrund des mangelhaftenErhebungsverfahrens der Behördenkein ge<strong>recht</strong>er Ausgleich zwischenden Parteien gefunden wurde. In der Begründungdazu führte der Gerichtshofaus, dass das Ausmaß der wirtschaftlichenBedeutung der Nachtflüge wedervon der Regierung noch durch eine unabhängigeStudie erhoben worden sei.Weiters seien lediglich begrenzte Recherchenauf dem Gebiet der Schlafstörungendurch (Nacht)Fluglärm angestelltworden.Auf Antrag der britischen Regierungwurde der Fall der Großen Kammer vorgelegt.In deren Urteil vom 8.7.2003wird abweichend von der angefochtenenEntscheidung ausgesprochen, dassden Behörden bzw Mitgliedstaaten inallgemeinpolitischen Fragestellungen(wie in Umweltfragen) ein weiter Beurteilungsspielraumzukomme. Die geltendgemachte Beeinträchtigung berühredas Privatleben der Bf nicht in einerWeise, dass die Anwendung eines besondersengen Beurteilungsspielraumsge<strong>recht</strong>fertigt werde könne. Auf der Basisdieser Feststellung wurden die Erhebungender Behörden als ausreichendund die Auswirkungen des Nachtfluglärmsals nicht schwerwiegend beurteilt.21Anders als in den bisher genanntenEntscheidungen stellte der Gerichtshof– sowohl im ersten Urteil, als auch in derGroßen Kammer – eine Verletzung desArt 13 fest. Art 13 gewähre zwar keineBeschwerdemöglichkeit gegen allgemeinpolitischeEntscheidungen als solche.Wenn ein Bf jedoch eine argumentierbareBehauptung einer Konventionsverletzungaufstellt, müsse diesem eineffektives Rechtsmittel zur Verfügungstehen. Nachdem im Urteil vom2.10.2001 eine Verletzung von Art 8festgestellt wurde, kam die Große Kammernicht umhin, das Vorbringen der Bfals „arguable claim“ zu qualifizieren.Im Fall Öneryildiz 22 stellte derEGMR erstmals eine Verletzung vonArt 2 im Zusammenhang mit einem umweltrelevantenSachverhalt fest. Der Bflebte mit seiner Familie in Slums nebeneiner Mülldeponie. Auf dieser ereignetesich eine gewaltige Methangasexplosion,bei der 90 Bewohner der angrenzenden,behördlich nicht bewilligten, aberseit Jahren geduldeten Siedlung ums Lebenkamen, darunter neun Familienmitgliederdes Bf. Im anschließenden Verfahrengegen die verantwortlichen Entscheidungsträgerwurden bedingteGeldstrafen in der Höhe von umgerechnetEUR 9,70 verhängt und dem Bf ineinem langwierigen Verfahren eine Entschädigungvon etwa EUR 2.000 zugesprochen.Zum Beschwerdevorbringen unterArt 2 EMRK stellte der EGMR fest, dasssich das Recht auf Leben nicht imSchutz vor absichtlichen Tötungen erschöpfe,sondern die Mitgliedstaatenauch positive Verpflichtungen treffen,das Leben von Personen unter ihrer Jurisdiktionzu schützen. Wenn auch nichtjede lebensgefährliche Situation die Behördeverpflichte, entsprechende Maßnahmenzu ergreifen, so sei der Sachverhaltanders zu beurteilen, wenn den Behördenreale und unmittelbare Gefahrenfür Leib und Leben bekannt sind, sie esaber verabsäumen, die ihnen zu GebotePainz, Fluglärm und Art 8 EMRK, RdU2004, 111.22) Öneryildiz g Türkei, U v 27.5.2002,Nr 48939/99.<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 165

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