themaZu Recht noch weiter gehen Ch. Grafl et al., indem sie dieBindung der Gewerbsmäßigkeit an objektive Kriterien, wiedie tatsächliche, mindestens fünffache Tatwiederholung fordern(vgl Ch. Grafl et al. aaO).Auch meines Erachtens ist eine gesetzgeberische Reaktiondringend geboten, da die beschriebene Auslegung des Tatbestandsmerkmaleszu einer immer mehr ansteigenden Bereitschaftzu (unge<strong>recht</strong>fertigten) Inhaftierungen von Verdächtigenführt. In Zeiten, in denen das Bedürfnis nach Sicherheitsteigt und die strenge Ahndung von Straftaten durch die Verhängungvon unbedingten Freiheitsstrafen insbesondere inder öffentlichen Meinung beruhigend wirkt, ist eine gesetzgeberischeInitiative derzeit kaum zu erwarten. Umso mehr sinddie in der Straf<strong>recht</strong>spflege tätigen Behörden – und nicht nurdie VerteidigerInnen – aufgefordert, die Voraussetzungen dergewerbsmäßigen Tatbegehung mit größter Sorgfalt zu würdigen.Mag a . Alexia Stuefer ist Rechtsanwaltsanwärterin inWien und war als RAA in für RA Univ. Doz. Dr. RichardSoyer und RA Mag. Josef Phillip Bischof an beidenVerfahren beteiligt.Verlag ÖsterreichJaukExekutive und Menschen<strong>recht</strong>eAnalyse eines Spannungsfeldes zwischen Schutz und Bedrohung2004, 548 Seiten, br., 3-7046-4418-8, € 60,–Die Arbeit bietet eine ausführliche Analyse des Spannungsfeldes, indem sich polizeiliche Arbeit im Verhältnis zu den Menschen<strong>recht</strong>enbewegt, dies unter Einbeziehung umfangreicher Judikatur von VfGHund EGMR und der Beobachtungen ua des Europäischen Komiteeszur Verhütung der Folter. Dieser theoretischen Aufarbeitung wurde einepraktische Untersuchung durch Befragung steirischer Gendarmerie-und PolizeibeamtInnen gegenübergestellt, um die exekutivinterneSicht des angesprochenen Spannungsfeldes zu durchleuchten.Polizei und Menschen<strong>recht</strong>e bzw.Folter- und Misshandlungsverbot•Folter und Misshandlung•Grund<strong>recht</strong>ssensibilität der PolizeiarbeitJudikaturspiegel zum Folter- und MisshandlungsverbotRechtliche Rahmenbedingungen zum Schutz vorExekutivinterne Sichtweisen zur Menschen<strong>recht</strong>sthematikTel.: 01- 610 77 - 315, Fax: - 589order@verlagoesterreich.atwww.verlagoesterreich.atSeite 194 <strong>juridikum</strong> 2004 / 4
justiz und randgruppen1. EinleitungDie Beiziehung von Dolmetscherinnen zu Gerichtsverfahrenwird allgemein als selbstverständliche Einrichtung desRechtsstaats angesehen, die durch internationale Abkommenabgesichert ist und in den nationalen Rechtsordnungen näherausgeformt wird.Auf die für Österreich maßgeblichen Rechtsgrundlagen(Art. 5 und 6 EMRK, § 82 Abs 1 Geo, §§ 38a, 163 und 164StPO) soll hier nicht im Detail eingegangen werden. Die genanntenBestimmungen – sowohl des nationalen als auch desinternationalen Rechts – haben die gleiche Grundintention:faire Verfahren in Zivil- und Strafsachen nach dem Prinzipder sichtbaren Ge<strong>recht</strong>igkeit.Der vom Europäischen Gerichtshof für Menschen<strong>recht</strong>eaus Art. 6 EMRK entwickelte und vom Verfassungsgerichtshofübernommene Grundsatz der sichtbaren Ge<strong>recht</strong>igkeitbedeutet, dass in einem fairen Verfahren die Unvoreingenommenheitund Unparteilichkeit des Gerichtes, insbesonderefür die Partei, auch subjektiv sichtbar undwahrnehmbar sein muss. („Justice must not only bedone, it must also be seen to be done“). Diese Forderungrichtet sich nicht nur an die Richterin oder den Richter,sondern auch an Sachverständige und an dieDolmetscherin oder den Dolmetscher. 1 Es ist also keinZufall, dass die Dolmetscherin vom Gericht bestelltwird, und nicht etwa von einer Partei vorgeschlagenwerden kann.In Zivilsachen bedeuten diese Erfordernisse des fairenVerfahrens auch sichtbare Herstellung von Chancen-bzw. Waffengleichheit: die Parteien müssen mitgleichen prozessualen Rechten ausgestattet sein. ImStrafverfahren geht es vor allem um die Wahrung der vollenVerteidigungs<strong>recht</strong>e der/des Angeklagten sowie um die Schaffungder besten Voraussetzungen für die angestrebte objektiveWahrheitsfindung. So weit die gesetzliche Selbstverständlichkeit,man könnte auch sagen: die Theorie. Die Praxis folgt oftanderen Gesetzen.Vor der Betrachtung der Praxis des österreichischen Gerichtssaalsempfiehlt sich zunächst ein Blick auf die Erwartungender „Klientel“ von Dolmetschleistungen. Das sind ausder Sicht der Dolmetscherin einerseits die fremdsprachigenVerfahrensbeteiligten, andererseits das Gericht, also die Richterinnenund Richter. Die Bedeutung des Gerichtsdolmetschensim speziellen, also für die einzelnen Interaktionspartner,kann als mehrstelliger Beziehungsbegriff aufgefasstwerden. In diesem Sinne sollen hier zunächst die einzelnenSichtweisen und Erwartungen der Fremdsprachigen und desGerichts näher beleuchtet werden, damit die Erwartungen aneine Dolmetschung im Gerichtssaal und damit an dieGerichtsdolmetscherin1) transparenter werden und2) auf mögliche Handlungsweisen der Dolmetscherin hindeuten,die nicht in der derzeitigen Ausübung der Tätigkeitvorkommen, möglicherweise aber von Wichtigkeitsind............................................1) Im folgenden wird einfachheitshalber nur dieweibliche Form verwendet. Dolmetscher sindselbstverständlich mitgemeint.Bei den Erwartungen der Fremdsprachigen im Gerichtsverfahreninteressiert hier vor allem die fremdsprachige Verfahrenspartei,also der/die Angeklagte im Strafverfahren bzw.die Partei des Zivilverfahrens. (Für die Parteien steht in derRegel mehr auf dem Spiel als für Zeugen. Natürlich habenauch fremdsprachige Zeugen die Erwartung, dass ihre Aussagevollständig gedolmetscht wird und die Kommunikation mitdem Gericht funktioniert; für die gegenständliche, grund<strong>recht</strong>sorientierteErörterung soll das Hauptaugenmerk aberdoch auf der stärker involvierten Partei liegen.)An die Darstellung der Erwartungen der Klientel soll danndie Prüfung der Praxis anschließen; dabei geht es darum, welcheDolmetschung im österreichischen Gerichtssaal gebotenwird, ob etwa nur Teile der Verhandlung oder die gesamteVerhandlung für eine fremdsprachige Partei gedolmetschtwerden. Abschließend sollen dann Verbesserungsmöglichkeitender aktuellen Situation aus der Dolmetschperspektiveangedacht werden.Sichtbare Ge<strong>recht</strong>igkeitin gedolmetschtenVerhandlungenMira Kadric........................2. Erwartungen der FremdsprachigenDie Kommunikationssituationen, die sich im Rahmen des gerichtlichenDolmetschens ergeben, sind durch unterschiedlicheErwartungen der Kommunikationspartner gekennzeichnet:Während sich die Behördenvertreter (Richterinnen undRichter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte) der für ihrenBereich geltenden Normen und Konventionen bedienen undbestimmte Erwartungen haben, haben fremdsprachige Beteiligte(meist unbewusst) eine Erwartungshaltung, die eherkommunikationspsychologisch Relevanz findet. WennFremdsprachige vor Behörden auf Dolmetschdienste zurückgreifen,so wissen sie zumeist nur soviel, dass sie „das Rechtauf Dolmetschung haben“. Was dieses „Recht“ genau beinhaltensoll, darüber bestehen in der Regel eher diffuse Vorstellungen.Die Erwartungen der Fremdsprachigen habenaber zumeist nicht nur mit der Sache, mit Sachinformationenzu tun, sondern beinhalten auch einen emotionalen Aspekt.In fast jeder gedolmetschten Verhandlung kommen folgendean die Dolmetscherin gerichtete Äußerungen vor: „Sie müssenihnen [dem Gericht] alles erzählen, auch wie ich michfühle“, oder „Sie müssen ihnen erklären, was ich meine“. Esgeht dabei vorwiegend um das „Wie“ der Kommunikationspartnerzueinander. In Teilen der Verhandlung, die<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 195