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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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undesverfassungverboten wurde, weil sie antidemokratisch war. Die NSDAPwurde deswegen verboten, weil es als ein vordringliches Zielnach dem 2. Weltkrieg angesehen wurde, „den Nazismus auszurotten“.75 Die Möglichkeit eines Verbotes auch andererParteien wird weder auf einfach- noch auf verfassungsgesetzlicherEbene erwähnt. Allerdings gibt es Anklänge in dieseRichtung in den Debatten zum NationalsozialistenG 1947: 76Berichterstatter Migsch führte aus, „wer grundsätzlich einTodfeind der Demokratie und der Freiheits<strong>recht</strong>e des Individuumssei, habe kein Recht, an der politischen Gestaltung einesdemokratischen Staatswesens mitzuwirken. DieserGrundsatz sei ein Selbstschutzelement der Demokratie“. AbgeordneterKoref meinte, „die Demokratie habe aus der Geschichtegelernt. Es sei ihr Recht und ihre Pflicht, sich zuschützen und zu verteidigen. Das sei das Selbstbehauptungs<strong>recht</strong>der Demokratie“. Trotzdem aber stehen alle diese Aussagenimmer im Zusammenhang mit der Vernichtung des Nationalsozialismus.77Rein tatsächlich wurden in Österreich auch nie andere Parteienals die NSDAP verboten; im speziellen wurde etwa dieKPÖ nie verboten, auch nicht im Zuge der kommunistischenPutschversuche 1947 und 1950, obwohl die KPÖ damals erklärtermaßendie Umwandlung Österreichs in eine Volksdemokratieanstrebte, also die bestehende Form der Demokratiebeseitigen wollte. Sicherlich spielte dabei auch eine Rolle,dass die KPÖ politisch nie wirklich gefährlich wurde, 78 aberauch dass Österreich damals zum Teil von sowjetischen Truppenbesetzt war.Im Ergebnis kann daher wohl angenommen werden, dassdas Verbot der NSDAP durch § 1 VerbotsG nicht den Übergangzu einer wehrhaften Demokratie darstellt, sondern nurein Mittel im Kampf gegen den Nationalsozialismus ist. 792.1.2 § 7 WahlG 19451. Allerdings besteht das VerbotsG nicht nur aus seinem § 1und die Nationalsozialistengesetzgebung nicht nur aus demVerbotsG. § 7 WahlG 1945 80 – ein einfaches Gesetz 81 –schließt Angehörige von bestimmten nationalsozialistischenVerbindungen vom aktiven Wahl<strong>recht</strong> aus; § 36 WahlG 1945bestimmt dasselbe für das passive Wahl<strong>recht</strong>. 82Das allgemeine Wahl<strong>recht</strong>, das die Mitwirkung allerStaatsbürger ohne Unterschied (weitere Kriterien sind nur dasAlter, wodurch aber bloß Kinder und Jugendliche ausgeschlossenwerden dürfen, und die Verurteilung wegen bestimmter,schwererer Straftaten bzw früher auch Geisteskrankheit)nach dem Grundsatz der vollen Gleichbe<strong>recht</strong>igungsichert, ist ein sehr wesentlicher Punkt desdemokratischen Grundprinzips des B-VG, der ausdrücklichin Art 26 Abs 1 B-VG normiert ist. 83 Demokratietheoretischbetrachtet ist wiederum Kelsen zu zitieren, der die Gleichheitin der Freiheit als ein (weiteres 84 ) Hauptziel der Demokratiesieht. 85Der Ausschluss einer größeren Personengruppe aus ideologischenGründen vom aktiven und vom passiven Wahl<strong>recht</strong>stellt zweifellos eine starke Einschränkung dieses Ausgestaltungspunktesdes demokratischen Grundprinzips dar. Es stelltsich also die Frage, ob nicht (auch) damit das demokratischeGrundprinzip derart berührt ist, dass eine Gesamtänderungvorliegt.2. Die – wie gesagt einfachgesetzliche – Bestimmung überden Ausschluss bestimmter Nationalsozialisten vom Wahl<strong>recht</strong>wurde beim VfGH – freilich im Zusammenhang mit einerprimär pensions<strong>recht</strong>lichen Frage – als eventuelle Gesamt-änderungthematisiert. Der VfGH kam in VfSlg 1708/1948 dabeizu dem Ergebnis, dass der Ausschluss des Wahl<strong>recht</strong>s für Angehörigevon nationalsozialistischen Verbindungen keine Gesamtänderungdes demokratischen Prinzips sei, weil „eine solchegrundlegende Änderung nicht gegeben sein kann, wenn,wie hier, der Gesetzgeber ein Verfassungsgesetz mit der erklärtenAbsicht geschaffen hat, die Grundlagen der demokratischenRepublik Österreich sicherzustellen, die durch die NS-Bewegung beseitigt worden war“. 86Interessant erscheint, dass der VfGH in seinen BegründungenArgumente verwendet, die auf eine Gesamtänderungdurch die Nationalistengesetzgebung, und zwar in Richtungauf Einführung eines neuen Grundprinzips, deuten. So kannman durchaus annehmen, dass die Begründung von VfSlg1708/1948 wohl folgendes zum Ausdruck bringt: Der Ausschlussvom Wahl<strong>recht</strong> für Angehörige bestimmter nationalsozialistischerVerbindungen ist keine Gesamtänderung desdemokratischen Prinzips, weil der Verfassungsgesetzgeberdiese Bestimmungen nicht in erster Linie im Hinblick auf dasdemokratische Grundprinzip erlassen hat, sondern vielmehrin der Absicht, die durch das nationalsozialistische Regimebeseitigte österreichische Grundordnung wiederher- und fürdie Zukunft sicherzustellen, also im Hinblick auf eine (andere)grundsätzliche politische Idee, die lauten mag: „Ausrottungdes Nationalsozialismus und Verhinderung seines Wiedererstehens.“In diese Richtung geht auch VfSlg 10.705/1985, wo ausgeführtwird, dass „die kompromißlose Ablehnung des Nationalsozialismusein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenenRepublik sei. Ausnahmslos jede Staatstätigkeit habesich ...“ daran „... zu orientieren.“ 87 Auch dies geht in dieRichtung der Geltung eines weiteren Grundprinzips – des antinationalsozialistischenGrundprinzips – in der österreichischenVerfassung; 88 eines Grundprinzips, das nicht im B-VGenthalten war, sondern erst nach dem 2. Weltkrieg eingeführtwurde.Teil 2 folgt im nächsten HeftMMag. Dr. Klaus Zeleny ist wissenschaftlicherMitarbeiter am VwGH;klaus.zeleny@vwgh.gv.at.<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 185

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