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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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undesverfassungführung der Volksabstimmung genauer. Art 95 ff legen dieeben erwähnten Bestimmungen auch für die Länderebenefest.Damit wird ein System der mittelbaren Demokratie und derparlamentarischen Demokratie eingerichtet. 21 Wie schon erwähntwurde dieses System durch die B-VG-Novelle 1929modifiziert.2. Interessant erscheint, dass das B-VG 1920 (und auchnach der Novelle 1929) die politischen Parteien nicht erwähnt,22 obwohl gerade diese an der Entstehung der1. Republik führend beteiligt waren 23 (wie auch bei der Gründungder 2. Republik 24 ). Bloß Art 35 B-VG spricht von „Parteien“.Doch handelt es sich dabei um die Parlamentspartei 25in den LT und nicht um die politische Partei schlechthin. 26Zumindest dem einfachen Gesetzgeber war die wahlwerbendePartei seit der ReichsratswahlO 1907 27 bekannt. 28 Trotzdemaber erfolgte weder im B-VG noch im sonstigen Verfassungs<strong>recht</strong>oder einfachen Gesetzes<strong>recht</strong> eine nähere, va inhaltlicheRegelung der politischen Parteien, wahlwerbendenParteien oder Parlamentsparteien.Der Gesetzgeber der Monarchie behandelte die politischenParteien als Sonderfall der Vereine. So waren politische Vereinenach dem VereinsG 1867 29 strengeren Bestimmungenunterworfen als andere Vereine. Damit war aber auch die füralle Vereine geltende Auflösungsbefugnis durch die Aufsichtsbehördeverbunden. 30 Zusätzlich sah Art 20 StGG 31 vor,dass unter bestimmten Voraussetzungen bestimmte Teile diesesStGG, ua der Art 12 über die Vereins- und Versammlungsfreiheit,suspendiert werden konnten; das in Ausführungdieses Art ergangene Gesetz 32 sah eine Auflösungsbefugnisua bei inneren Unruhen und hochverräterischen Umtrieben ingrößerem Ausmaß vor. Diese Bestimmungen wurden nicht indie Rechtsordnung der 1. Republik übergeleitet. 33 Damit warendiejenigen Teile des Vereins<strong>recht</strong>s beseitigt, die die Möglichkeitgeboten hätten, die Vereinsfreiheit sehr drastisch einzuschränken.Trotzdem aber blieben „politische Vereine“dem VereinsG und den Sonderbestimmungen desselben unterworfen;es wurde für „politische Parteien“ kein eigenerSonderstatus geschaffen. Die Sonderbestimmungen des VereinsGüber politische Vereine wurden erst mit der VereinsG-Nov 1947 34 beseitigt.3. Vom demokratietheoretischen Hintergrund 35 aus lässtsich folgendes – ohne hier eine erschöpfende Behandlungleisten zu können – festhalten: Demokratie ist der Idee nacheine Staatsform, bei der der „Gemeinschaftswille“ durch dieRechtsunterworfenen erzeugt wird; dadurch soll eine „Identitätvon Herrscher und Beherrschten“ hergestellt werden,wodurch die „Herrschaft des Volkes über das Volk“ verwirklichtwerden soll. Dies entspricht dem Gedanken, dass dasVolk souverän ist, dass die oberste Gewalt vom Volk ausgeht.36 In einer mittelbaren Demokratie schiebt sich zwischendas Volk und die Rechtserzeugung ein – vom Volk bestimmtes– Zwischenorgan, das Parlament. Nach der ursprünglichenliberal-repräsentativen Idee sollten völlig(sowohl voneinander als auch von ihrem Wahlkreis) unabhängigeAbgeordnete die Willensbildung vornehmen. Dochtreten seit dem Ende des 19. Jhdts mit der sukzessiven Ausdehnungdes Kreises der Wahlbe<strong>recht</strong>igten die politischenParteien zwischen das Volk und das Parlament – sozusagenals Mittler des Volkswillens –, was zur Ausprägung der Demokratieals parteienstaatliche Demokratie führt. 37 Kelsenbetrachtet die politischen Parteien als bedeutendstes Elementder Demokratie. 38Die Konzeption des B-VG ist eine liberal-repräsentativeDemokratie, obwohl die politischen Parteien, die maßgeblichan der Gründung der 1. Republik und der Entstehung des B-VG beteiligt waren, schon vorhanden waren, also tatsächlicheine parteienstaatliche Demokratie gegeben war. Diese Diskrepanzist verblüffend. Kelsen soll hiezu 1967 die Meinungvertreten haben, dass das B-VG die politischen Parteien stillschweigendvorausgesetzt habe. 39 Merkl hingegen geht davonaus, dass „mit der Einführung des Verhältniswahl<strong>recht</strong>s dieAnerkennung der politischen Parteien untrennbar verbundensei“. 40Im Ergebnis lässt sich wohl festhalten, dass die politischenParteien, obwohl im B-VG unerwähnt, doch eine wesentlicheAufgabe in der Demokratie nach dem Demokratieverständnisdes B-VG hatten (und bis heute haben). 41Dies entspricht auch einem Gedankengut, das auf möglichsteFreiheit bei der Teilnahme am politischen Prozess gerichtetist. Kelsen stellt die Freiheit des einzelnen als einHauptziel der Demokratie dar, nämlich der Demokratie alspolitische Freiheit. 42 Auch Merkl bezeichnet die Demokratieals „Idee der politischen Freiheit für die Masse“. 43 Dies führtzu einer engen Verknüpfung zwischen demokratischen undliberalen Elementen, wodurch allein der moderne Rechtsstaatverwirklicht werden kann. 44 Die Demokratie soll nur denRahmen abgeben (formale Demokratie 45 ), in dem sich allepolitischen Meinungen frei entfalten können. 46 Gerade um allepolitischen Kräfte auch am parlamentarischen Prozess teilhabenzu lassen, wird das Verhältniswahl<strong>recht</strong> als das gegenüberdem Mehrheitswahl<strong>recht</strong> vorzuziehende System dargestellt.47 Kelsen schreibt 1932: Die Demokratie „ist diejenigeStaatsform, die sich am wenigsten gegen ihre Gegner wehrt.Bleibt sie sich selbst treu, muß sie auch eine auf Vernichtungder Demokratie gerichtete Bewegung dulden, muß sie ihr wiejeder anderen politischen Überzeugung die gleiche Entwicklungsmöglichkeitgewähren.“ 48 Auch Radbruch hat die Toleranzder Demokratie sehr hoch bewertet und sehr absolut genommen:Jede politische Richtung wird geduldet, mag sie diesesPrinzip auch selber ablehnen, weil „die Demokratie dieStaatsform ist, die keiner Machtverschiebung Widerstand entgegensetzt,wenn sie vom Willen der Volksmehrheit getragenist“. 494. Der Gedanke der Freiheit spielt also im Demokratieverständniseine wesentliche Rolle, aber – „psychologisch“ betrachtet– wohl auch in den Ansichten der politischen Parteienbzw der führenden Mitglieder der politischen Parteien: Unterdem monarchischen System waren sie öfters an die Beschränkungen,die ihnen dieses System auferlegte, gestoßen; 50 mühsammussten sie sich Stück um Stück weiteren Freiraum erkämpfen.Nach dem Zusammenbruch der Monarchie stießendie politischen Parteien schnell in das entstandene Machtvakuumvor und unterließen es – um ihre nunmehr (fast) unbeschränkteFreiheit nicht begrenzen zu müssen – in ihrer Rolleals Gesetzgeber (dh als Parlament) die politischen Parteien(dh sich selber) gesetzlichen Bestimmungen zu unterwerfen.So gab es – abgesehen von den vereins<strong>recht</strong>lichenBestimmungen 51 – keine Möglichkeit, sei es auf verfassungsgesetzlichersei es auf einfachgesetzlicher Ebene, politische<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 183

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