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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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echt & <strong>gesellschaft</strong>auf UnionsbürgerInnen ausgedehnt.Diese Bestimmung lautet:„Jeder Unionsbürger mit Wohnsitz ineinem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeiter nicht besitzt, hat in demMitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitzhat, das aktive und passive Wahl<strong>recht</strong>bei Kommunalwahlen, wobei fürihn dieselben Bedingungen gelten wiefür die Angehörigen des betreffendenMitgliedstaates.“Die EG-Kommunalwahlrichtlinie(RL 94/80/EG des Rates vom19.12.1994, ABl L 368, 38, geändertdurch RL 96/30/EG des Rates vom13.5.1996, ABl L 122, 14 vom22.5.1996) definiert in Art. 2 Abs. 1„Kommunalwahlen“ folgendermaßen:„Kommunalwalen: die allgemeinen,unmittelbaren Wahlen, die darauf abzielen,die Mitglieder der Vertretungskörperschaft… einer lokalen Gebietskörperschaftder Grundstufe zu bestimmen.“Die jeweiligen Vertretungskörperschaftender „lokalen Gebietskörperschaftender Grundstufe“ werden wiederumim Anhang der Richtlinie aufgelistet,für Wien wurden in diesemAnhang die Bezirke genannt. UnionsbürgerInnenrealisieren daher ihr Rechtauf Wahl der Mitglieder einer Vertretungskörperschaftauf der Grundstufedurch die Teilnahme an den Wahlen zurBezirksvertretung.Wesentlich ist hier, dass die Ausdehnungdes Wahl<strong>recht</strong>s auf UnionsbürgerInnennicht durch eine Änderung derBestimmung über die Staatsbürgerschaftals Voraussetzung für das kommunaleWahl<strong>recht</strong> im ersten Satz desArt 117 Abs 2 stattfand, sondern durchdas Einfügen einer entsprechenden ergänzendenBestimmung in den Text desB-VG. Damit signalisierte der Verfassungsgesetzgeberklar, dass die Umsetzungdes Art 19 Abs 1 (ex-Art 8b Abs1) EGV keine Änderung der wahl<strong>recht</strong>lichenGrundsätze der Verfassung bewirkte,sondern UnionsbürgerInnen diesesWahl<strong>recht</strong> nur aufgrund der Verpflichtungendes EU-Rechtszugesprochen bekämen. Damit ist einösterreichisches Spezifikum angesprochen:Zwar brachte der Beitritt Österreichszur EU eine grundlegende Änderungder Verfassungsprinzipien mitsich, dies wurde jedoch in der Verfassungsurkundenicht entsprechend nachvollzogen.Die Chance, den EU-BeitrittÖsterreichs zu einer allgemeinen Ausweitungdes kommunalen Wahl<strong>recht</strong>sauf alle legal ansässigen ausländischenStaatsangehörigen zu nutzen, wurdevon der damaligen SPÖ-ÖVP Koalitionnicht wahrgenommen; auch die Zivil<strong>gesellschaft</strong>verschlief damals die Chanceeiner Verfassungsreform.3. Die WienerBezirksvertretungenSo weit, so klar. Doch wie sieht es mitden Wiener Bezirksvertretungen aus?Der Text der Verfassung schweigt überdiese, sie werden allein in der WienerStadtverfassung (LGBl 1968/28 idF1997/41) in der „6.Abteilung“ geregelt.§ 61a Abs 1 bestimmt die Wiener Gemeinderatswahlordnung1996 (LGBl1996/16 idF 1996/31) – ein einfachesLandesgesetz - als für das Wahl<strong>recht</strong> zuständigeRechtsnorm.Nachdem der Verfassungstext zu denWiener Bezirksvertretungen schweigt,stellt sich die Frage, was diese aus verfassungs<strong>recht</strong>licherSicht sind. Gehörensie zu den zitierten „allgemeinen Vertretungskörpern“oder gründen sie alleinauf Länder<strong>recht</strong> und unterliegen somitder „relativen Verfassungsautonomie“der Länder gemäß Art 99 Abs 1 B-VG,die diesen erlaubt, Materien, die dieBundesverfassung nicht berühren, autonomzu regeln?In dieser Frage waren bis zum gegenständlichenErkenntnis zwei unterschiedlicheEinschätzungen möglich:Die Bezirksvertretungen wurden im Gemeindestatut1900 festgeschrieben undwurden auch im § 34 Abs 2 des Verfassungs-Übergangsgesetzes1920 erwähnt,entfielen aber in der B-VG-Novelle1929. Dieses Schweigen der Verfassungwurde unterschiedlich interpretiert:Nach der einen Auffassung habeder Verfassungsgesetzgeber die Bezirksvertretungenbewusst aus der Verfassungentfernt, da er sie nicht als allgemeineVertretungskörper ansah (soHeinz Mayer in seinem Gutachten, zitiertnach VfGH 30.06.2004, G 218/03,S. 19), nach anderer Meinung habe derVerfassungsgesetzgeber diese 1929 bereitsvorgefunden und somit stillschweigendals allgemeine Vertretungskörperzur Kenntnis genommen (Ponzer/Cech2000, S. 89). Je nach Interpretation wäredas Wahl<strong>recht</strong> für Drittstaatsangehörigeauf Bezirksebene als verfassungskonformbzw als verfassungswidrig einzuschätzen.Die Stadt Wien schloss sichder ersten Denkschule an, änderte 2003die Wiener Stadtverfassung und dieWiener Gemeinderatswahlordnung unddehnte das Wahl<strong>recht</strong> auf Bezirksebeneauf Drittstaatsangehörige mit zumindestfünfjährigem ununterbrochenen legalenAufenthalt in Wien aus.4. Das Verfahren vor dem VfGHDiese Bestimmungen wurden von derWiener ÖVP und FPÖ als verfassungswidrigbeim VfGH angefochten.Die Anfechtung entwickelte drei Argumentationsgänge.Erstens behauptetesie, dass die Wiener Bezirksvertretungenzu den allgemeinen Vertretungskörpernzählten und das Wahl<strong>recht</strong> zu diesensomit dem wahl<strong>recht</strong>lichen Homogenitätsprinzipunterliege, daher seieine Ausdehnung auf Drittstaatsangehörigeverfassungswidrig. Zweitens widersprechedas Wahl<strong>recht</strong> für Drittstaatsangehörigedem StaatsbürgerInnenvorbehaltbei der Ausübungöffentlicher Funktionen gemäß Art 3StGG. Der Ausschluss Drittstaatsangehörigervom Recht, zur BezirksvorsteherInund -stellvertreterIn sowie zu Mitgliedernbzw Ersatzmitgliedern desBauausschusses gewählt zu werden, änderedaran nichts, da schon die Teilnahmean der Wahl zu hoheitlichen Organendie Ausübung einer hoheitlichenFunktion darstelle. Schließlich wurdevorgebracht, dass die Ausdehnung desWahl<strong>recht</strong>s auf Drittstaatsangehörigedem Sachlichkeitsgebot widerspreche.Die Stadt Wien bestritt in ihrer Stellungnahme,dass das wahl<strong>recht</strong>licheHomogenitätsprinzip auf die Bezirksvertretungenanzuwenden sei und meinte,dieses sei nur auf die im B-VG direktgenannten Vertretungskörper anzuwenden.Mit Verweis auf das Urteil des Vf-GH zum Zentralausschuss der ÖsterreichischenHochschülerschaft (VfGH10.10.1995, B 70/94) stellte sie fest,dass das Ausmaß der hoheitlichen Tätigkeitenbei der Wahl der BezirksvorsteherInbzw -stellvertreterIn bzw. derMitglieder und Ersatzmitglieder desBauausschusses zu geringfügig sei, umeine Verfassungswidrigkeit zu bewirken.Dem Vorwurf der Unsachlichkeitwurde mit dem Verweis auf das geringepolitische Gewicht der Bezirksvertretungen,der Einschränkung des Wahl<strong>recht</strong>sauf Drittstaatsangehörige mit zumindestfünfjährigem Aufenthalt und<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 179

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