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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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echt & <strong>gesellschaft</strong>ment aus der Debatte genommen werdenkönnte, sind so alltägliche Gegenständewie Zahlungsmittel ebenfallsbetroffen: „In God We Trust“ findet sichseit den Zeiten Lincolns auf dem amerikanischenGeld; auch dies, bei genauerBetrachtung, ein vom FinanzhoheitsträgerStaat verordnetes Bekenntniszum Monotheismus.Schließlich ist selbst der SupremeCourt von einer gottesbezüglichen Formulierungbetroffen. Jede öffentlicheSitzung beginnt mit den Worten des Gerichtsdieners:„God save the United Statesand this honorable court.“ 30 Kann einGerichtshof, der „under God“ im Fahneneidfür verfassungswidrig erklärt, einereligiöse Anrufung in eigener Sachedulden? Wie gleich unten zu zeigen seinwird, verzichtete der Supreme Court aufeine Beantwortung der aufgeworfenenFragen. Newdow fühlte sich in diesemkonkreten Zusammenhang nicht beschwert.Von Justice O’Connor auf dieVerfassungsmäßigkeit des traditionellenEröffnungsvorganges angesprochen,betonte er, dass „nobody’s askedto stand up, place their hand on theirheart and affirm this belief.“ 318. Aktivlegitimation als NotwegNewdow war sich der Implikationen seinerAnfechtung der Pledge von Anfangan bewusst und verglich seinen Fall baldmit Brown v Board of Education 32 , jenembahnbrechenden Urteil, mit demder Supreme Court die Separate butEqual-Doktrin verworfen und die <strong>recht</strong>lichenGrundlagen für ein Ende der Rassentrennungin Amerikas Bildungsinstitutionengelegt hatte. Doch es sollte anderskommen. Angesichts der vorgebrachtenArgumente und der tatsächlichbestehenden <strong>recht</strong>lichen und philosophischenGrundsatzfragen, die NewdowsKlage ausgelöst hatte, erwies sichdas Urteil als eher enttäuschend.Mit der schlichten Begründung, derKläger verfüge über keine ausreichendeAktivlegitimation, da er nicht obsorgebe<strong>recht</strong>igtfür seine Tochter sei und sichin einem gerichtlichen Obsorgestreit mitderen Mutter befinde, entzogen sich jenefünf Richter, welche die majority opinionformulierten, der Frage der Verfassungsmäßigkeitder Pledge. Unter derFührung von Justice Stevens hielten siefest, dass sie den „realm of domestic relations“keiner <strong>recht</strong>lichen Würdigungunterziehen und dem zuständigen Familiengerichtnicht vorgreifen wollten, indemsie Newdows Klage<strong>recht</strong> bestätigten.Während Newdow in der Verhandlungdavon sprach, dass ihm „actual,concrete, discrete, particularized, individualizedharm“ 33 zugefügt werde, sahder Supreme Court dies nicht als gegebenan. Die Mutter des Kindes, SandraL. Banning, teilte übrigens ihrerseits ineiner Eingabe mit, dass sie sowohl diePledge in ihrer derzeitigen Form alsauch die tägliche Rezitation durch ihreTochter unterstütze.Im Ergebnis hatte Newdow vermutlichGlück. Seine Argumente in Bezugauf die Pledge wurden in der majorityopinion nicht <strong>recht</strong>lich gewürdigt – unddaher auch nicht zurückgewiesen. DasThema bleibt daher offen. Obschon, wieeingangs erwähnt, die drei konservativerenMitglieder des Supreme Courts inihrer gemeinsamen opinion weiter gingenund auch die zweite Vorlagefragebeantworteten. Chief Justice Rehnquistund die Justices O'Connor und Thomasbrachten zum Ausdruck, dass die Pledgeverfassungsgemäß sei. Sie kritisiertendie anderen fünf Richter und führtenaus, dass die verfahrens- und familien<strong>recht</strong>licheDimension nicht entscheidendsei. Da Gott auch in vielen anderenUmständen im Laufe der amerikanischenGeschichte angerufen wordensei – so etwa in Lincolns GettysburgAddress und in General Eisenhowers Invasionsbefehlan die Alliierten Streitkräftevom 6. Juni 1944 –, sei die Pledgeein traditionsreiches, legitimes und verfassungskonformesBekenntnis zu einerhöheren Entität.9. SchlusswortOffen bleibt, ob sich nicht bald ein andererKläger findet, der tatsächlich aktivlegitimiert ist. Dann wäre der SupremeCourt erneut vor dieselbe Frage gestelltund müsste eingestehen, dass der easyway out in der Welt des Rechts nicht immerder beste ist. Dabei wäre ein Kompromissvorschlag,der zwar qua Bezugnahmeauf eine übermenschliche Autoritäteinen natur<strong>recht</strong>lichen Ankerbeibehält, jedoch nicht monotheistischeAuffassungen bevorzugt, durchausdenkbar. Eine Formulierung der polnischenVerfassung aufnehmend, würdedie neue Pledge dann lauten: „I pledgeallegiance to the flag of the United Statesof America and to the Republic forwhich it stands, one nation under Godor some other source of truth, justice,good and beauty, indivisible, with libertyand justice for all.” Mit dieser Versionkönnte wohl auch Newdow leben, mitoder ohne ausreichende Aktivlegitimation.Matthias C. Kettemann studiertRechtswissenschaften an derKarl-Franzens-Universität Graz;matthias.kettemann@stud.uni-graz.at............................................30) Vgl Schwartz, A History of the SupremeCourt (1993).31) Excerpts From Arguments on theMeaning of ‚Under God’ in the Pledge ofAllegiance, http://www.nytimes.com/2004/03/25/national25STEX.html(25.4.2004).32) Brown v Board of Education, 347U.S. 483 (1954).33) Excerpts, http://www.nytimes.com/2004/03/25/national25STEX.html (25.4.2004).<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 177

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