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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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echt & <strong>gesellschaft</strong>philosophisch von ungleich höherem Interesseist, wird sie vor dem Hintergrundder Judikatur des Supreme Court zurThematik Staat und Religion im Folgendengenauer beleuchtet werden.4. Religion vor den RichternIn Bezug auf die Frage der Verfassungsmäßigkeitvon „under God“ hatte (bzwhätte) der Supreme Court im Wesentlichenzu klären (gehabt), ob die täglicheBezugnahme auf Gott im Rahmen desFahneneides die Establishment Clauseverletzt. Fand wirklich eine behördliche„monotheistische Indoktrinierung“ statt,wie es Newdow während der mündlichenVerhandlung 18 formulierte? Zeugte „underGod“ eher von einer bestimmten„political philosophy“, wie die Vertreterdes Elk Grove Unified School Districtargumentierten? Oder musste diePledge, was Solicitor General TheodoreB. Olson als Vertreter der Regierung vorbrachte,als „civic invocation“ gesehenund im Kontext seiner „ability to invokecertain principles“ verstanden werden,was ihre Qualifizierung als „religious invocation“19 ausschließen würde?Eine Leitlinie für das Verhältnis von„under God“ zur Establishment Clausestellt die grundsätzliche Judikatur desSupreme Court zum Spannungsfeld vonSäkularität und staatlicher Religion dar.Insbesondere die Urteile der letztenJahrzehnte waren von einem bewusstenund programmatischen Bekenntnis zurTrennung von Staat und Gott geprägtUnter Zugrundelegung eines strengenSäkularitätsmaßstabs entwickelten dieHöchstrichter eine konsistente Judikaturliniezur Trennung von Religion und(staatlichen) Schulen. 20 In Engel vVitale 21 verbot der Supreme Court 1962schulbehördlich vorgeschriebene Gebetszeremonien.Er wies dabei das Argumentzurück, dass „non-denominationalprayers“, die ohne Bezeichnungdes angerufenen Gottes als christlichenauskommen, unter der EstablishmentClause erlaubt seien, und weigerte sich,angesichts des informellen sozialenDrucks durch Mitschüler und Lehrer die...........................................18) Zitate der mündlichen Verhandlungaus: Excerpts From Arguments onthe Meaning of ‚Under God’ in thePledge of Allegiance, http://www.nytimes.com/2004/03/25/national25STEX.html (25.3.2004).19) Excerpts, http://www.nytimes.com/2004/03/25/national25STEX.html (25.3.2004).20) Erhellend zum Hintergrund desWirkungszusammenhangs von Religion,Staat und Freiheit: Haynes, Historyof Religious Liberty in America (1991).Freiwilligkeit der Teilnahme als Rechtfertigungsgrundfür das Bestehen derZeremonien zu sehen. In Lee v Weisman22 erweiterte der Supreme Court1992 das der Establishment Clause entfließendeVerbot auf private, nichtschuldbehördlich vorgesehene Gebete,die im Rahmen von commencementceremonies 23 stattfinden. Der letzte Fallim Beziehungsfeld von Schule und Gebetwar Santa Fe Independent SchoolDistrict v Doe, 24 wo das Höchstgerichtvon Schülervertretern geleitete Gebetszeremonien,die auf schulischen Sportplätzenvor Football-Spielen abgehaltenwerden, wegen ihres offiziösen Charaktersund der de facto bestehenden teilnahmebezogenenPeer Pressure für verfassungswidrigerklärte.Wie schon im Kontext der Flag SaluteCases angedeutet, konnte die erwähnteJudikatur nicht <strong>kritik</strong>los im Sinne desVorbringens Newdows fruchtbar gemachtwerden. Zwar zeigen Engel, Leeund Santa Fe Independent School District,dass der Supreme Court besondersdie Verfassungsmäßigkeit religiöserVerhaltenselemente in Schulen anhandrigider Voraussetzungen prüft, doch unterschiedsich Elk Grove Unified SchoolDistrict v Newdow in einem entscheidendenPunkt von den erwähnten Präzedenzfällen.Während in der bisherigenJudikatur die Religionsbezogenheit derstrittigen Tätigkeiten immer außer Streitgestellt wurde und nur die Zulässigkeitihrer Vornahme Verfahrensgegenstandwar, musste im Fall Newdow die <strong>recht</strong>lichePrüfung bereits eine Stufe zuvoransetzen. Vertreter der Schulbehördenund der Regierung versuchten zu zeigen,dass die Formulierung „under God“nicht ausreiche, um den Fahneneid alsreligiöse Aussage zu qualifizieren; dieseEinordnung indes ist Voraussetzung füreine Prüfung am Maßstab der EstablishmentClause. Nur schulbehördlichverordnetes religiöses Verhalten musssich an der Establishment Clause messen.Lag der Pledge keine schlechthinreligiöse Aussage zugrunde, konnte21) 370 U.S. 421 (1962).22) 505 U.S. 577 (1992).23) Das sind traditionelle Feiern zuSchulbeginn.24) 530 U.S. 290 (2000).25) Zitiert auf http://www.nyti-mes.com/aponline/national/AP-Newdow nicht auf die EstablishmentClause rekurrieren.5. Dimensionen der DebatteVor der Analyse der Vorbringen der Parteienplausibilisiert ein Blick in die amerikanischeÖffentlichkeit die sozialeProblematik des Falles. Medien undMeinungsmacher waren sich dessen bewusst,dass sich der Supreme Court miteiner Grundsatzentscheidung konfrontiertsah, die für das Verhältnis von Staatund Religion entscheidend sein würde.Nach einer Umfrage, 25 die am Tag dermündlichen Verhandlung vor dem SupremeCourt veröffentlicht wurde, befürwortetenfast neun von zehn Amerikanerneine Pledge mit Gottesbezug. Währendsich nur zwölf Prozent für dieEntfernung von „under God“ aussprachen,war die mit einem Prozent im Vergleichzu anderen Umfragen auffallendgeringe Anzahl der Unentschlossenenals Signal der Emotionalität und Aktualitätder Thematik auszudeuten. Ein detachierterZugang unter Zugrundelegungeiner kritischen Würdigungder Argumente Newdows war für einengroßen Teil der US-Gesellschaft nichtmöglich.Der Grund dafür liegt in der für europäischeVerhältnisse sehr starken religiösenDurchdringung Amerikas und dendarob tradierten monotheistischenDenkmustern, die atheistischen Argumentationsansätzennicht unmittelbarzugänglich sind. Der Atheismus als Lebensanschauung,wie Newdow ihn vertritt,ist für einen substanziellen Teil deramerikanischen Gesellschaft politischnicht diskursfähig. Doch nicht nur innerhalbder Bevölkerung konnte einehohe Zahl an Unterstützern des Gottesbezugesausgemacht werden: Sowohlder zu diesem Zeitpunkt amtierende US-Präsident George W. Bush als auch seindemokratischer Gegenkandidat John F.Kerry, die Attorney Generals aller 50Staaten, die National School Boards Associationund die als Gewerkschaft derLehrerinnen und Lehrer fungierendeNational Education Association traten –Pledge-AP-Poll.html (24.3.2004). DieUmfrage fand unter 1,001 erwachsenenUS-Amerikanern statt, Befragungszeitraum:19-21.3.2004. Die Fehlerquotebetrug +/– 3 %.<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 175

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