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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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echt & <strong>gesellschaft</strong>Land ohne Gott?1. EinleitungDer Supreme Court unddie Pledge of AllegianceMatthias C. Kettemann.............................................................................1) No 02-1624.2) Einen umfassenden, wenn auchetwas unkritischen Einblick in die Entwicklungder Pledge of Allegiance ermöglichtBaer, The Pledge of Allegiance,A Centennial History, 1892 -1992.3) Pledge of Allegiance idF Act ofSelbst Urteile, die nicht gefällt werden,können von Bedeutung sein. Das zeigteder United States Supreme Court in seiner8-0 Entscheidung Elk Grove UnifiedSchool District v Newdow 1 vom 14. Juni2004. Vor der Möglichkeit stehend, dieDemarkationslinie von Staat und Kircheneu zu ziehen und mit der Formulierung„one nation under God“ den Gottesbezugwegen Verfassungswidrigkeit ausder Pledge of Allegiance, dem traditionellenamerikanischen Fahneneid, zustreichen, entzog er sich dieser Aufgabeund rekurrierte auf die verfahrens<strong>recht</strong>licheFrage der fehlenden Aktivlegitimation(lack of standing) des Klägers.Als Folge des Systems der dissentingopinions am Supreme Court ist eineFortführung der Diskussion jedoch garantiert.Schließlich schrieben die dreikonservativeren der neun Höchstrichter(Rehnquist, Day O’Connor, Thomas) inihrem abweichenden Urteil fest, wofürsie keine Mehrheit finden konnten. ImErgebnis stimmten sie zwar überein,dass es dem Kläger an standing mangelte,doch erweist sich ihr Begründungswegals differenzierter ausgestaltet alsjener der liberalen Mehrheit. Währendsich der als liberaler eingeschätzte Flügeldes Gerichts (Stevens, Kennedy, Souter,Ginsburg, Breyer) in der majorityopinion auf die Analyse formaler Kriterienbeschränkte, stellten die konservativenRichter fest, dass NewdowsKlage selbst im hypothetischen Fall ihrerZulässigkeit nicht begründet gewesenund „under God“ ausdrücklich verfassungsgemäßsei. Der neunte Höchstrichter,Scalia, hatte sich wegen Befangenheitselbst aus den Beratungenzurückgezogen.Da sich die besondere Relevanz dieses(nicht) gefällten Urteils – sowie derin seinem Rahmen gestellten Fragen –nur vor dem Hintergrund der Entwicklungsgeschichtedes Fahneneides erkennenlässt und erst das Wissen über diespeziellen sozio-religiösen Rahmenbedingungendes Urteils die Dimensionender aktuellen Diskussion zu begreifenerlaubt, werden vor einem Überblicküber die Klagsgeschichte einige Aspektedes Spannungsfeldes von Säkularitätund öffentlichem Glauben in denVereinigten Staaten kritisch beleuchtet.2. Vom Symbol zum StreitobjektBereits ein kurzer Abriss der Entwicklungsgeschichteder Pledge of Allegianceerhellt die Gründe für die Ideologiebehaftetheitder Diskussion um seineInterpretation. 2 Der Fahneneid in seineraktuellen und inkriminierten Fassunglautet: „I pledge allegiance to the flag ofthe United States of America and to theRepublic for which it stands, one nationunder God, indivisible, with liberty andjustice for all.” 3 Die heutige Formulierungentspricht nicht der Urfassung, dievom baptistischen Pastor Francis BellamyEnde des 19. Jahrhunderts noch ohnedie Wortfolge „under God“ formuliertwurde und deren allmorgendliche Verwendungim Schulalltag bald zur nationalenGewohnheit wurde. Einen Platz inJune 14, 1954, ch. 297, § 7, 68 Stat.249 (“Act of 1954”), Hervorhebungdurch den Verfasser.4) Minersville School District v Gobitis,310 U.S. 586 (140).5) In seiner Majority Opinion schriebJustice Frankfurter, dass „national unityis the basis of national security. …True enough, the flag is a symbol, butwe live by symbols. To salute it is thereforea constitutionally allowable part ofa school program, which may be mademandatory. A claim for exceptional immunitymay be refused simply becausegranting it might weaken the effect ofthe exercise.“der <strong>recht</strong>spolitischen Debatte um dieTrennung zwischen Staat und Religionerhielt der Fahneneid erst 1940 durch einUrteil des Supreme Court im Fall MinersvilleSchool District v Gobitis 4 . Dieserbeschied, dass Schülerinnen undSchüler, die den allmorgendlichen Fahneneidverweigern, aus öffentlichenSchulen ausgeschlossen werden können,ohne dass dies eine Verletzung der Religionsfreiheitdarstelle. 5 1942, mitten imZweiten Weltkrieg, wurde die Pledge alsInstrument der patriotischen Besinnungallen öffentlichen Schulen als verpflichtenderBestandteil des Beginns jedes Unterrichtstagesvorgeschrieben. 6Ein Jahr später revidierte der SupremeCourt seine Entscheidung von 1940 undurteilte in einer – gemessen an der kriegsbedingtenStimmungslage im Land –durchaus bemerkenswerten Entscheidungim Fall West Virginia Board of Educationv Barnette 7 , dass die Nichtteilnahmeam Fahneneid eine persönlicheEntscheidung sei und nicht denGrund für einen Schulausschluss darstellenkönne. Gobitis und Barnette, die ersten„Flag Salute Cases“, sind, obwohl siebeide auf Beschwerden von Angehörigender Glaubensgemeinschaft der ZeugenJehovas zurückgingen, primär vordem Hintergrund der Einschränkung derFreiheit der Meinungsäußerung in Zeiteneines nationalen Notstandes zu verstehenund stellen daher keine Präzedenzfälledar, an denen sich der Supreme Court inseiner Entscheidung in Elk Grove UnifiedSchool District v Newdow hätte orientierenkönnen. Dies insbesondere deshalbnicht, weil die Pledge erst ein Jahrzehntspäter, im Juni 1954, fast ein Jahrzehntnach Ende des „heißen“ und zu Beginndes Kalten Krieges, um die streitgegenständlicheFormulierung „under God“ erweitertwurde.Diese letzte und sehr substanzielleÄnderung wurde auf Drängen PräsidentDwight W. Eisenhowers vom Kongressdurchgeführt. 8 Eisenhowers Ziel war es,„[to reaffirm] the transcendence of religiousfaith in America's heritage and fu-6) Pledge of Allegiance to the UnitedStates flag, Act of June 22, 1942, ch.435, § 7, 56 Stat. 380.2.7) West Virginia Board of Educationv Barnette, 319, U.S. 624 (1943).8) Act of June 14, 1954, ch. 297, § 7,68 Stat. 249 (“Act of 1954”).<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 173

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