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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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echt & <strong>gesellschaft</strong>Alltagswissens besteht fraglos Konsensdarüber, dass der Ausdruck erdreisten indem vom Rechtsanwalt gewählten Zusammenhangnegativ konnotiert ist. Diesmuss dem Beschwerdeführer als jemandem,der berufsbedingt Sprache zurDurchsetzung der Interessen seines Klienteneinsetzt, bewusst gewesen sein.Um wertneutral zu argumentieren, wärenweitere Hinweise notwendig gewesen.Sämtliche Versuche, die sprachlicheSpitze stumpf zu machen, scheitern daher.3. Raubrittertum führt nichtzwingend zum Recht.........................................7) Berufsregeln der Rechtsanwälteder EU und des EWR angenommen vonden Delegationen der 18 Mitgliedstaatender EU und des EWR, die die Anwaltschaftder Europäischen Gemeinschaftvertreten.8) Auch hier hatte der VfGH in derFolge zu entscheiden, ob der Beschwerdeführerin seiner Meinungsäußerungsfreiheitverletzt wurde. Vgl VfSlg16.436/2002.9) Vgl VfSlg 16.436/2002.10) Dies im Zusammenhang mit derBehauptung des Beschwerdeführers, inpolitischen Diskussionen sei ein derartigerStil und die Wortwohl durchausüblich.11) Diese Vernachlässigung der Konkretisierung<strong>recht</strong>sanwaltlichenSprachgebrauchs, die sich leider auchin der juristischen Ausbildung zeigt,die nur wenig Anleitung und Hilfestellungbei der Entwicklung und Schärfungdes Sprach-Bewusstseins der Juristengibt, macht auch vor der Lehrenicht halt. Sucht man nach fachspezifischenPublikationen zur Frage des<strong>recht</strong>sanwaltlichen Sprachgebrauchs,Was aber verbirgt sich hinter diesemKampf um die Interpretation eines Begriffes?Auf welche Rechtsgrundlagenund Überlegungen stützt sich die stillschweigendeÜbereinkunft, mittels derersich <strong>recht</strong>sanwaltlicher Sprachgebrauchua definiert?Rechtsanwälte stehen untereinanderim Wettbewerb und sind aufgerufen,Angriffs- und Verteidigungs<strong>recht</strong>e geschicktzu gebrauchen, um ihrer Parteizum Recht zu verhelfen. Für dieses Vorgehengibt es jedoch bestimmte gelebteRegeln, die sich im Ergebnis im Standes<strong>recht</strong>der Rechtsanwälte niederschlagen.Gleichzeitig definiert sich durchdiese Regeln das Selbstverständnis desBerufstandes. Der Rechtsanwalt wirddamit zum Bestandteil eines Kollektivs,dem er zwangsläufig folgen muss. Dieseskollektive Bewusstsein reicht sogarüber die innerstaatlichen Grenzen hinausund schlägt sich auch im Gemeinschafts<strong>recht</strong>nieder. Am 28. November1998 wurden in Lyon die Berufsregelnder Rechtsanwälte der EU und des EWRfestgelegt. 7 Dem Rechtsanwalt kommein einer auf die Achtung des Rechtes gegründetenGesellschaft eine “besonderswichtige Funktion” zu, da er im Rechtsstaatsowohl für die Justiz als auch fürden Rechtsuchenden unentbehrlich ist.Für die Gesellschaft ist ein freier, unabhängigerund durch sich selbst auferlegteRegeln integrer Berufsstand ein wesentlichesMittel zur Verteidigung derRechte des einzelnen gegenüber demStaat und gegenüber Dritten. Jeder einzelneAnwalt ist durch sein Handeln,sein Unterlassen und letztlich auchdurch seine Wortwahl der Allgemeinheitgegenüber für die Auf<strong>recht</strong>erhaltungdieses so selbstverständlich gewordenenTeiles unseres Rechtssystemsmitverantwortlich. In diesem Sinne istauch eine weitere Entscheidung derOBDK 8 zu verstehen, mit der einRechtsanwalt ebenfalls der Standespflichtenverletzungwegen unsachlicher,ungehöriger Schreibweise verurteiltwurde. Der Rechtsanwalt hatte ineiner Klage geschrieben: „Die beklagtePartei, die ihren Dienstnehmer kurz vorAbschluss des 15. Dienstjahres kündigte,verstand es in bester Raubrittermanier,diesen in den letzten Jahren seinerTätigkeit um seine ge<strong>recht</strong>fertigten Ansprüchezu verkürzen.“ 9 Der Versuchdes Rechtsanwaltes, die Formulierung„in bester Raubrittermanier“ mit demArgument zu entschärfen, es habe sichum eine „bloß humoristische Behauptung“gehandelt, blieb erfolglos. LautOBDK komme der Ausübung desRechtsanwaltsberufes eine besondereRolle bei der Wahrung des Vertrauensin die Rechtspflege zu. In diesem Zusammenhangsei die im gerichtlichenVerfahren verwendete schriftliche Formulierunginkriminierend. 10 Tatsächlichgeht es hier aber nicht nur um dieWahrung des Vertrauens des einzelnenRechtssuchenden in die Rechtspflege,sondern um die Integrität des Anwaltsstandesund damit die Qualität desRechtsschutzes im Allgemeinen.sind die Quellen rar.12) Hier ist der gesamte <strong>recht</strong>sanwaltlicheSchriftverkehr wie Redaktion, Layoutvon Verträgen, Fachveröffentlichungen,Informationsbriefe, Richtlinienund Profildarstellungenangesprochen.13) Es scheint in der Praxis ein ungeschriebenesGesetz zu sein, dass sichKlienten und Anwälte mit ähnlichen moralischenWertvorstellungen „finden“,also dass sich letztlich jeder Klient beiseiner Anwaltswahl bewusst oder unbewusstan der Frage orientiert, ob er sich4. Jedes Staatsgefüge hat denAnwaltsstand, den esverdientÜber den spezifischen Einsatz <strong>recht</strong>sanwaltlichenSprachgebrauchs ist in denBerufsregeln nichts verankert. 11 Hierfindet sich ein merkwürdiges Paradoxon.Sprache als Teil einer Gesamtkommunikation,als Teil des Außenauftrittsspiegelt vorweg das Selbstverständniseiner Kanzlei wieder, 12 dh die Sprachedes Rechtsanwaltes repräsentiert seineKanzlei nach Außen und ist Teil seinerCorporate Identity. Getreu der Metapher,dass letztlich jeder Klient den Anwaltbekommt, den er „verdient“, 13 istsohin Sprache vor allem Identifikationshilfeund Bindungsfaktor im Verhältniszwischen Anwalt und Klient. Zugleichhaben aber die zitierten Erkenntnisseverdeutlicht, dass <strong>recht</strong>sanwaltlicherSprachgebrauch über die individuelleSelbstdefinition einer Kanzlei und überdie Identifikation mit einer bestimmtenKlientel hinaus pars pro toto steht. Werals Rechtsanwalt in seinen Schriftsätzeneine Sprache wählt, die geeignet ist, Ehreund Ansehen des Standes zu beeinträchtigen,wird unabhängig davon, obsein Klient die gewählten Formulierungenbegrüßt oder gar in dieser Form geforderthat, von der Gemeinschaft sanktioniert.Dahinter steht die Befürchtung,dass aggressive Vortragsweise nicht nurder Beilegung eines bestimmten Rechtsstreitsnachhaltig entgegen wirkenkönnte, sondern darüber hinaus die Beziehungendes gesamten Standes zu Justizund Behörden und somit das bestehendeGefüge unseres Rechtsstaates negativbeeinträchtigen könnte. 14 Wennder Anwalt (unter Außerachtlassung derihm vom System zugeteilten Rolle alszwar parteiischer, aber nicht persönlichin die jeweilige Causa involvierterRechtsvertreter) durch aggressive Wort-mit der Persönlichkeit des Anwalts identifizierenkann.14) Das Verhältnis von Anwalt und Klientensowie die Frage anwaltlichen Gewissensbei der Durchsetzung vonRechtspositionen ist von Somek thematisiertworden. Vgl Somek, ZwischenAnstandsblabla und Rechts<strong>kritik</strong>. Überlegungenzur Beschäftigung mit derEthik der juristischen Berufe, ViennaWorking Papers in Legal Theory. PoliticalPhilosophy and Applied Ethics, No15 (1999); http://www.juridicum.at/forschung/wp15.pdf.<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 171

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