echt & <strong>gesellschaft</strong>betroffenen aufgrund Art 13 jedenfallsein gewisser Rechtsschutz offen stehenmüsse. 42 Auch aus dem Recht auf einewirksame Beschwerde lässt sich aber ansich noch nicht ableiten, dass dieMitgliedstaaten verpflichtet wären, bestimmteProjekte einem administrativenGenehmigungsverfahren zu unterziehenund davon betroffenen DrittenParteistellung einzuräumen. 43 Art 13verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich,eine wirksame Beschwerde innerhalbder nationalen Rechtsordnungeinzurichten, wenn in vertretbarer Weiseeine Konventionsverletzung geltendgemacht wird („arguable claim“). DieKonvention schreibt aber nicht vor, wiediese Beschwerde konkret ausgestaltetsein muss, sondern verlangt nur, dass sie„wirksam“ zu sein hat. 44Die Rsp des EGMR hat dieses Rechtdahingehend präzisiert, dass ein Zugangzu einem effektiven Rechtsmittel danngegeben ist, wenn dieses grundsätzlichgeeignet ist, eine konventionswidrigeSituation zu beseitigen und den <strong>recht</strong>skonformenZustand wiederherzustellen.45 Rechtsbehelfe, die nur derFeststellung einer Rechtswidrigkeit dienen,zu deren Beseitigung aber nichtgeeignet sind, können hingegen nicht alsBeschwerdemöglichkeit im Sinne desArt 13 angesehen werden. 46 BloßenAufsichts-, Disziplinar- oder Volkanwaltsbeschwerdenkommt daher keinRechtmittelcharakter zu. 47 Weiters gilt,dass es sich bei der Beschwerdeinstanzum eine unabhängige und unparteiischeEinrichtung handeln muss, die von jenerBehörde verschieden zu sein hat, die dasin Beschwerde gezogene Verfahrengeführt hat. 48 Der Beschwerdeführermuss einen Rechtsanspruch darauf...........................................42) Hatton ua (FN 20).43) Raschauer, Anlagen<strong>recht</strong> undNachbarschutz aus verfassungs<strong>recht</strong>licherSicht, ZfV 1999, 506 (509).44) Grabenwarter, Europäische Menschen<strong>recht</strong>skonvention§ 24 Rz 114;Holoubek, Das Recht auf eine wirksameBeschwerde bei einer nationalen Instanz,JBl 1992, 137; Matscher, ZurFunktion und Tragweite der Bestimmungdes Art 13 EMRK, in: FS Seidl-Hohenveldern(1988) 315.45) Kaya g Türkei, U vom 19.2.1998,Nr 22729/93.46) Frowein/Peukert, EuropäischeMenschen<strong>recht</strong>skonvention2 (1996)Art 13 Rz 3.47) Bernegger, Das Recht auf einewirksame Beschwerde: Art 13 EMRK,in: Machacek/Pahr/Stadler, Grund- undMenschen<strong>recht</strong>e II (1992) 733 (744).48) Calogero Diana g Italien, U v15.11.1996, Nr 15211/89; RJD 1996-V,1765.49) Frowein/Peukert, EuropäischeMenschen<strong>recht</strong>skonvention Art 13 Rz 4;Grabenwarter, Europäische Menschen<strong>recht</strong>skonvention§ 24 Rz 114.50) Vgl insb Feik, Staatliche Gewährleistungspflichtund Nachbar<strong>recht</strong>e imgewerblichen Betriebsanlagen<strong>recht</strong>, in:Grabenwarter/Thienel, Kontinuität undWandel der EMRK (1998) 205 (208);Raschauer, ZfV 1999, 516; Thienel,Verfassungs<strong>recht</strong>liche Grenzen für dasvereinfachte Genehmigungsverfahrenhaben, dass sein Rechtsmittel inhaltlichbehandelt wird und dass ihm im Rahmeneines förmlichen Verfahrens <strong>recht</strong>lichesGehör eingeräumt wird. 49 Ein österreichischesVerwaltungsverfahren kanndiesen Anforderungen uE nur dannentsprechen, wenn dem Nachbarn, derin vertretbarer Weise eine Verletzungseiner Grund<strong>recht</strong>sphäre geltend macht,Parteistellung eingeräumt wird. Dennnur in diesem Fall wird ihm der Zugangzu den ordentlichen und außerordentlichenRechtmitteln eröffnet, die demvom EGMR entwickelten Begriff der„wirksamen Beschwerde“ entsprechen.Eine faktische Rechtsdurchsetzungohne Parteistellung ist im System desösterreichischen Verfahrens<strong>recht</strong>s nichtmöglich. Nur dort, wo die Materiengesetzeentsprechende subjektive Rechteeinräumen, ist ein effektiver Schutzgrund<strong>recht</strong>lich gewährter Positionen gesichert.50Zu beachten ist jedoch, dass auch dieAnrufung der Zivilgerichte zur Überprüfungder Zulässigkeit von Immissionenein wirksames Rechtsmittel darstellt.Da den österreichischen Gerichtenbei der Entscheidung überImmissionsunterlassungsklagen nach§ 364 ABGB eine umfassende Prüfungsbefugniszukommt, die – andersals jene der britischen Gerichte im FallHatton – im Umfang nicht beschränktist, erfüllt auch der Zivilprozess die Erfordernisseeines wirksamen Beschwerdeverfahrensim Sinne des Art13. 51 Der zivil<strong>recht</strong>liche Nachbarschutzstellt daher aus Sicht der EMRKjedenfalls eine gleichwertige Alternativezur Einräumung der Parteistellungim Genehmigungsverfahren dar. Dasbedeutet in der Konsequenz, dass esnach § 359b GewO, ZfV 2001, 1558;Müller, Der Nachbar im Betriebsanlagen<strong>recht</strong>(1998) 130.51) Vgl Wagner, Die Betriebsanlageim zivilen Nachbar<strong>recht</strong> (1997).52) So auch jüngst OGH 8.7.2003, 4Ob 137/03f, wonach eine im vereinfachtenVerfahren gem § 359b GewOohne Parteistellung der Nachbarn genehmigteBetriebsanlage keine behördlichgenehmigte Anlage im Sinne des §364a ABGB darstellt.53) Bydlinkski, Straßenverkehr undWaldschäden, JBl 1990, 489; Gimpl-Hinteregger, Ersatz von Forstschädeninfolge Salzstreuung, ecolex 1991, 77;dies, Grundlagen der Umwelthaftung(1994), 307; Hecht, ÖJZ 1993, 289;aus Sicht des Art 13 dem Mitgliedstaatüberlassen bleibt, ob er den von einemVorhaben betroffenen Dritten im öffentlich-<strong>recht</strong>lichenVerfahren subjektivePartei<strong>recht</strong>e einräumt oder ihnenden Gang zu den ordentlichen Gerichtenoffen hält. 52Als problematisch erweisen sich imHinblick auf Art 13 allerdings jene Vorhaben,gegen deren Emissionen wedereine ausreichende zivil<strong>recht</strong>liche, nocheine öffentlich-<strong>recht</strong>liche Beschwerdemöglichkeitoffen steht. So qualifiziertdie Rsp des OGH (trotz Kritik in derLiteratur 53 ) öffentliche Straßen als behördlichgenehmigte Anlagen im Sinnedes § 364a ABGB. 54 Gegen von solchenStraßen ausgehende Lärm- und Luftschadstoffbelastungenbesteht daherkein Unterlassungsanspruch, obwohlden Nachbarn – soweit nicht die Vorschriftendes UVP-G zur Anwendunggelangen – keine Parteistellung in den„Straßengenehmigungsverfahren“ zukommt.55 Gleiches gilt nach der Judikaturund dem überwiegenden Teil derLehre auch für Immissionen durch denBetrieb von (ohne Durchführung einerUmweltverträglichkeitsprüfung genehmigten)Eisenbahnen und Flugplätze. 56Auch deren Emissionen sind zivil<strong>recht</strong>lichnicht untersagbar, selbst wenn dieNachbarn zur Frage der Lärm- und Geruchsbelästigungim Genehmigungsverfahrenkeine Parteistellung hatten.Dass dem beeinträchtigten Nachbarnein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruchauf Vergütung des eingetretenenSchadens zukommt, stellt uEkeinen adäquaten Ersatz dar. Zum einenkann die Beeinträchtigungen der Gesundheitdurch eine bloß finanzielleEntschädigung im Regelfall nicht aus-Wagner, Betriebsanlage 29, 233.54) OGH 29.4.2002, 7 Ob 66/02k;20.6.2002, 6 Ob 109/02a, krit AnmWagner, RdU 2002, 59; OGH9.11.1995, 6 Ob 608/95.55) Vgl Hecht, ÖJZ 1993, 289.56) SZ 54/158, 63/49; Spielbücher inRummel, ABGB 2 Rz 4 zu § 364a; Koziol,Österreichisches Haftpflicht<strong>recht</strong> 2 ,Band II (1984), 329; Klang, Kommentarzum ABGB II 2 174; Aicher, Grundfragender Staatshaftung (1978) 298; aA Raschauer,Umweltschutz<strong>recht</strong> 36, 200;Wagner, Betriebsanlage 221, 228; Hauer,Nachbarschutz und Eisenbahnbau(2002) 18.Seite 168 <strong>juridikum</strong> 2004 / 4
echt & <strong>gesellschaft</strong>geglichen werden, zum anderen werdenbloß psychische Beeinträchtigungendurch Emissionen von der Rsp als nichtersatzfähig angesehen. 57Das österreichische Umwelt<strong>recht</strong>weist daher uE bei der Genehmigungvon Infrastruktureinrichtungen aus Sichtdes Nachbarschutzes gewisse Rechtsschutzlückenauf. Projekte, die vor ihrerGenehmigung keiner Umweltverträglichkeitsprüfungzu unterziehen sindoder ohne eine solche bereits errichtetwurden, bieten den davon betroffenenAnrainern keinerlei Rechtsbehelfe, umBeeinträchtigungen ihrer Grund<strong>recht</strong>spositionwirksam bekämpfen zu können.Im Hinblick auf die Immissionsschutzgarantiedes Rechts auf Privat- und Familienlebensind die Anforderungen desArt 13 daher nicht vollständig erfüllt.4. ResümeeAuch wenn die EMRK kein eigenesRecht auf Schutz der Umwelt enthält,zeigen die in den letzten Jahren zu Umweltverfahrenergangenen Urteile undEntscheidungen, dass sich die Judikaturdes EGMR langsam einem solchen annähert.Der großzügig interpretierteSchrankenvorbehalt des Art 8 Abs 2 undder den Mitgliedstaaten bei Umweltfrageneingeräumte weite Beurteilungsspielraumführten bislang allerdings dazu,dass der Gerichtshof teilweise auchschwerwiegende Immissionen als konventionskonformwertete. Insoweit lässtsich aus der EMRK zum derzeitigenStand primär die Pflicht der Mitgliedstaatenzur Ergreifung von angemessenenImmissionsschutzmaßnahmen undzur Gewährung effektiver Beschwerdemöglichkeitenan die betroffenen Nachbarnableiten.Univ.-Ass. Dr. Daniel Ennöckl,LL.M., Institut für Staats- undVerwaltungs<strong>recht</strong> der UniversitätWien; daniel.ennoeckl@univie.ac.at;Mag. Bernhard Painz,Jurist bei der e-control GmbH;bernhard.painz@univie.ac.at.Impressum<strong>juridikum</strong>Zeitschrift im RechtsstaatA-1010 Wien, Kärntner Ring 6/MezzaninHerausgeberInnenUniv.-Ass. Dr in . Iris Eisenberger, MSc. (LSE),Dr. Ronald Faber, LL. M. (Yale),ao. Univ.-Prof. Dr. Christian HiebaumMedieninhaber und Verleger:Verlag Österreich GmbH, Kandlgasse 21A-1070 Wien, Tel. 01/610 77,Abonnements: Kl. 136, 315, Fax: 01/610 77/589,e-Mail: order@verlagoesterreich.at,http://www.jusline.atRedaktionsassistenz: Mag. Peter SpevacekPreis: Jahresabonnement Euro 36,– ,StudentInnenabonnement Euro 25,–,Förderabonnement Euro 55,–,exkl. Euro 9,90 Porto- und Versandkosten (Inland)Erscheinungsweise: vierteljährlichRedaktion:Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Benke, Mag a . SimoneDieplinger, Univ.-Ass. Dr. Daniel Ennöckl,Univ.-Ass. Dr in . Elisabeth Hödl, Dr. Roland Kier,Mag a . Elke Hasibeder, Dr in . Nora Melzer-Azodanloo, Lukas Oberndorfer, RAA Dr. FlorianOppitz, Mag. Oliver Scheiber, Mag a . MarianneSchulze, ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Somek, RAUniv.-Doz. Dr. Richard Soyer, Mag. ThomasSperlich, Mag. Dominik A. Thompson, Univ.-Prof.Dr. Ewald Wiederin, RA in . Dr in . Maria WindhaberAutorInnen dieser Ausgabe:Christian Bertel, Georg Eisenberger, DanielEnnöckl, Ronald Faber, Karin Gutierrez-Lobos,Elisabeth Hödl, Mira Kadric, Matthias Kettemann,Iris Kugler, Bernhard Painz, Bernhard Perchinig,Oliver Scheiber, Alexia Stuefer, Klaus ZelenyOffenlegungDer Medieninhaber und Verleger ist zu 100 %Eigentümer des <strong>juridikum</strong>.Grundlegende Richtung des <strong>juridikum</strong>:ergibt sich aus den Context-Statuten und aus demInhalt der veröffentlichten Texte.Erscheinungsort: WienLayout und Satz:BuX. Verlagsservice, www.bux.ccContext ist Mitglied der VAZ (Vereinigung alternativerZeitungen und Zeitschriften)............................................57) Vgl Gimpl-Hinteregger, Der Umweltschadenim österreichischen Privat<strong>recht</strong>,ÖJZ 1992, 561 (568).Reaktionen, Zuschriften und Manuskripte bittean die HerausgeberInnen:Univ.-Ass. Dr in . Iris Eisenberger, MSc. (LSE):Institut für Staats- und Verwaltungs<strong>recht</strong>,Universität Wien, Schottenbastei 10-16,1010 Wien, Tel.: 01/4277-35474,Fax:01/4277-35479;iris.eisenberger@univie.ac.atDr. Ronald Faber, LL. M. (Yale):ronald.faber@wu-wien.ac.atao. Univ.-Prof. Dr. Christian Hiebaum:christian.hiebaum@uni-graz.atDas <strong>juridikum</strong> ist ein „peer reviewed journal“.Beiträge werden anonym an externe Gutachterausgesandt, bevor über eine Veröffentlichungentschieden wird.<strong>juridikum</strong> 2004 / 4 Seite 169