FH D - OPUS
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«betrifft: «aktion 3»» –<br />
wanderausstellung des<br />
forschungsschwerpunktes<br />
«rechtsextremismus und<br />
neonazismus» erstmals im<br />
ausland unterwegs<br />
von simone fischer<br />
Im Stadtmuseum Düsseldorf war sie 1998<br />
zum ersten Mal zu sehen, seitdem war sie in<br />
Deutschland unterwegs und war im November<br />
erstmals über die Grenzen hinaus im<br />
niederländischen Venlo zu sehen: Die Wanderausstellung<br />
«Betrifft: «Aktion 3»– Deutsche<br />
verwerten jüdische Nachbarn.»<br />
Prof. Dr. Wolfgang Dreßen, seit 1994 Leiter<br />
des Forschungsschwerpunktes «Rechtsextremismus<br />
und Neonazismus» am Fachbereich<br />
Sozial- und Kulturwissenschaften, initiierte<br />
diese Ausstellung auf Basis seiner langjährigen<br />
intensiven Recherchen. Mit der «Aktion<br />
3» dokumentiert der Politikwissenschaftler<br />
erstmals Unterlagen deutscher Finanzbehörden<br />
über das Kaufinteresse der NS-Deutschen<br />
an jüdischem «Nachlaß». Aus den vorgelegten<br />
Dokumenten entwickelt sich das<br />
Bild einer regelrechten «Schnäppchenjagd»<br />
der Volksgemeinschaft auf das jüdische Eigentum.<br />
Der Nachfrage nach jüdischem Besitz<br />
konnte bei weitem nicht nachgekommen<br />
werden, es kam zu Klagen seitens der<br />
mit der «Arisierung» betrauten Finanzämter,<br />
es werde durch den Massenandrang der<br />
Dienstbetrieb gestört. Zweck dieser Ausstellung<br />
ist es auch, auf diesen massenhaften<br />
Charakter der Arisierungen hinzuweisen:<br />
«Die Mehrheit hätte mitgetan, wäre sie dazu<br />
in der Lage gewesen», erklärt Dreßen.<br />
Klar, eindeutig und unzweifelhaft beweisen<br />
die Originalpapiere die strukturierte Vorgehensweise<br />
der «Vollstreckungsfinanzämter».<br />
«Die Finanzbehörden legten Akten über die<br />
deportierten Juden an. Sie umfassten den<br />
Zeitrahmen von der bevorstehenden Deportation<br />
bis zur Auseinandersetzung um eine<br />
mögliche Wiedergutmachung nach 1945. Sie<br />
begannen 1941 mit einer «Verfügung». In ihr<br />
klärt der zuständige Regierungspräsident den<br />
jeweiligen Juden über die gesetzlichen<br />
Grundlagen und die Konsequenzen auf. Sein<br />
Vermögen verfällt dem deutschen Staat. Der<br />
Regierungspräsident beruft sich auf Gesetze,<br />
Verordnungen und Erlasse, die bestimmen,<br />
dass «Reichsfeinde» zu enteignen seien. Ein<br />
Teil der Ausstellung bildet die «Aktion 3».<br />
Den Dokumenten zufolge veranstalteten die<br />
Finanzbehörden in den deutschen Großstädten<br />
regelmäßige Massenversteigerungen, die<br />
über die lokale Presse bekannt gegeben wurden.<br />
Die Versteigerungen wurden «ordnungsgemäß»<br />
von den Finanzbeamten<br />
durchgeführt, das eingenommene Geld floss<br />
in die Finanzkassen. Verbucht wurde das<br />
«Vermögen einiger» oder «versch. Juden».<br />
Eine genauere Herkunft war nicht zu ermitteln,<br />
aber es handelte sich um ehemals jüdischen<br />
Besitz. Dies wurde trotz des Tarnnamens<br />
«Aktion 3» offen ausgesprochen. Die<br />
«Ausgebombten» lebten in ehemals jüdischem<br />
Mobiliar.<br />
Die Ausstellung und die in Buchform vorliegende<br />
kommentierte Dokumentation erschließen<br />
der Öffentlichkeit bisher nicht zugängliche<br />
Quellen. «Die Dokumente<br />
gehören zu noch immer gesperrten Archivbeständen<br />
aus der Oberfinanzdirektion in<br />
Köln. Es ist davon auszugehen, dass ähnliche<br />
Aktenbestände in den Archiven vieler Finanzbehörden<br />
lagern», meint der Professor.<br />
Die Ausstellung macht deutlich, dass es<br />
neben der brutalen Menschenverachtung der<br />
Konzentrationslager eine auf gesetzlicher<br />
Grundlage beruhende, ordnungsgemäße und<br />
nach den jeweiligen Verwaltungs- und<br />
Durchführungsverordnungen völlig legale<br />
Barbarei gegeben hat, die von breiten Kreisen<br />
der Bevölkerung mitgetragen wurde.<br />
Dreßen selbst sieht diese historische Arbeit<br />
als eine Auseinandersetzung mit dem aktuellen<br />
Neonazismus. «An den verschiedenen<br />
Ausstellungsorten haben sich oft Gruppen<br />
von Schülerinnen und Schülern oder Studierenden<br />
gebildet, um die Geschichte des jeweiligen<br />
Ortes aufzuarbeiten. Jetzt in Venlo,<br />
vorher in Krefeld, wurden in Kooperation<br />
mit der Anne-Frank-Stiftung Schulungen gemacht,<br />
damit Schülerinnen und Schüler selbständig<br />
Führungen organisieren können», erläutert<br />
er.<br />
Zurzeit plant Prof. Dr. Wolfgang Dreßen ein<br />
weiteres Forschungsprojekt zum düsteren<br />
Kapitel der Arisierung. Konkret soll es dabei<br />
um «Vergleichende Forschung im Rheinland<br />
und in der Provinz Limburg» gehen.<br />
«die große stille»<br />
filmveranstaltung mit dem<br />
filmemacher philipp gröning<br />
von gisela losseff-tillmanns<br />
Die Grande Chartreuse, das Mutterkloster<br />
des legendären Karthäuserordens, liegt in<br />
den Französischen Alpen. «Die große Stille»<br />
ist der erste Film, der jemals über das Leben<br />
hinter den Klostermauern gedreht wurde.<br />
Stille. Wiederholung. Rhythmus.<br />
Eingebettet in das fächerübergreifende Seminar<br />
«Sozialreportage als Dokumentarfilm»<br />
unter Leitung von Prof. Dr. Gisela Losseff-<br />
Tillmanns und Dipl.Soz.Päd. Volker Schulz in<br />
Kooperation mit Michael Schmid-Ospach,<br />
Geschäftsführer der Filmstiftung NRW und<br />
Honorarprofessor der <strong>FH</strong>D, nutzten am 25.<br />
Januar zahlreiche Studierende und Interessierte<br />
die Möglichkeit, sich den 161-minütigen<br />
Film im Metropol Programmkino an der<br />
Brunnenstraße anzusehen. Im Anschluss an<br />
den Film folgten rege Gespräche und Diskussionen<br />
mit dem Regisseur Philipp Gröning.<br />
Der Film ist eine sehr strenge, fast stumme<br />
Meditation über das Klosterleben in sehr reiner<br />
Form. Keine Musik, bis auf die Gesänge<br />
der Mönche, keine Interviews, keine Kommentare,<br />
kein zusätzliches Material. Nur der<br />
Lauf der Zeit, der Wechsel der Jahreszeiten<br />
und das sich stetig wiederholende Element<br />
des Tages: das Gebet. Ein Film, selbst mehr<br />
Kloster als Abbild. Ein Film über Bewusstsein,<br />
über absolute Präsenz – und über Menschen,<br />
die ihre Lebenszeit in aller Klarheit<br />
Gott gewidmet haben. Kontemplation.<br />
Mehr als zehn Jahre wartete der deutsche Filmemacher<br />
Philip Gröning auf eine Drehgenehmigung<br />
vom Abt. Das Ergebnis sind einmalige<br />
Bilder und Klänge aus einer anderen<br />
Welt und doch der unseren.<br />
Philip Gröning wurde 1959 in Düsseldorf geboren.<br />
Er wuchs dort und in den USA auf. Er<br />
reiste durch Südamerika und studierte Medizin<br />
und Psychologie, bevor er sich 1982 dem<br />
Studium an der Münchener Filmhochschule<br />
(HFF) zuwandte. Gröning widmete sich dem<br />
Drehbuchschreiben und begann, für Peter<br />
Keglevic und Nicolas Humbert als Schauspieler<br />
zu arbeiten.Philip Grönings von der Filmstiftung<br />
geförderter Film «Die große Stille»<br />
erhielt im Dezember 2006 bei der Verleihung<br />
des Europäischen Filmpreises in Warschau<br />
den European Film Academy Dokumentarfilm<br />
2006 - Prix Arte.<br />
Auf dem Filmfest in Pescara/Italien erhält<br />
Philip Grönings „Die große Stille“ im Juli<br />
2007 den Premio Flaiano als bester Film und<br />
für die beste Kamera.