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IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

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Droste-Hülshoff gestand sie ihm zu, zwar gelehrt zu sein. Sie vermisste jedoch eineausgewogene Persönlichkeit, die mit sich und der Welt im Gleichgewicht sei, und sieformulierte explizit, dass sie <strong>des</strong>halb die normative Erwartungshaltung nur schwererfüllen könne, der zufolge Frauen zu Männern aufschauen und sich ihnen unterordnensollten: „Er ist der Rest von einem Menschen, und ich brauch was Ganzes.“ (Böttger1977, S. 185f.; Kessel 2004, S. 379)Rechnet man die Bedeutungsdimension der Konstruktion von Männlichkeit unddie steten Kontroversen um die Geschlechterverhältnisse ein, gewinnt auch diese klassischeVormärzkritik noch eine zusätzliche Schärfe. Denn politisch aktive und interessierteFrauen warfen den Männern ihrer Zeit vor, in der staubigen Schwerkraft ihrer Bücherdie Vision für gesellschaftliche und politische Gesamtentwürfe verloren zu haben.Und der Anspruch, Politik und Gesellschaft gleichsam überblicken zu können, legitimierteihren Anspruch auf Kontrolle.Selbstzeugnisse ebenso wie normative Quellen implizieren für die Zeit nach derJahrhundertmitte, dass der „Soldat der Arbeit“ das Ideal <strong>des</strong> gesellschaftlich und politischversierten Mannes ablöste. Zumin<strong>des</strong>t erhielten in autobiographischen Textenvon bürgerlichen, aber auch von adligen Männern in der zweiten JahrhunderthälfteGeselligkeit oder auch Väterlichkeit einen anderen narrativen Status. Die Arbeitsorientierungrückte deutlich stärker in den Vordergrund als das Familienleben, Frauen wurdenhäufig nicht mehr namentlich genannt, sondern auf ihren Familienstatus als Tochter,Ehefrau oder Mutter reduziert, Geselligkeit allerdings durfte nach wie vor nichtfehlen, wurde jedoch auch in den Beschreibungen meist deutlicher von der Erwerbsarbeitgetrennt als vorher. Das bedeutet zwar nicht automatisch, dass Aspekte wie Väterlichkeitoder gesellschaftliche Fähigkeiten tatsächlich weniger wichtig wurden für einganzheitliches Männlichkeitsideal, aber sie wurden dennoch anders und an anderenStellen beschrieben oder erwähnt. Viele Männer, auch das ist geläufig, betonten hauptsächlichden Beruf und damit das polare Modell, aber für das Weiterwirken einesganzheitlichen Ideals ist gleichzeitig aufschlussreich, wie scharf etliche Männer, die ihrLeben in Briefen beobachteten und kommentierten, dabei genau die Angst thematisierten,diesem Ideal nicht mehr entsprechen zu können (Kessel 2001, S. 181ff.). Allerdingssetzte diese Reflektion ein den gesellschaftlichen Maßstäben genügen<strong>des</strong> Lebenbereits voraus, also beruflichen Erfolg, Anerkennung, öffentliche Sichtbarkeit.Interessant ist, wie Familienmitglieder diese Aufwertung von Arbeitsorientierungim Männlichkeitskonstrukt diskutierten, d.h. wie im Zuge der Aufwertung <strong>des</strong> polarenModells die Diskussion um ein ganzheitliches Männlichkeitsideal in der zweitenHälfte <strong>des</strong> 19. und zu Beginn <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts geführt wurde. So warnten z.B.Mütter ihre Söhne davor, dass das polare Männlichkeitskonstrukt bei einer zu ausschließlichenKonzentration auf den Beruf ihre Persönlichkeit negativ beeinflussenkönne, und zwar zu genau dem Zeitpunkt, an dem diese das Elternhaus verließen undsich der mütterliche Einfluss noch einmal deutlich reduzierte. Als der 16jährige Sohnder Schriftstellerin Ottilie Wildermuth seiner Mutter mitteilte, dass sie im theologischenSeminar, das er in den 1860er Jahren besuchte, auch schöne Literatur lasen,schrieb sie ihm zurück: „Freut mich, daß meine Besorgnis, daß ihr Langweiler seid,irrig war. Darfst ja nicht glauben, daß ich die gering schätze, denen ihre Berufsarbeitdie Hauptsache ist. Eine ästhetische Richtung kann sogar sehr gefährlich werden, wennsie den Sinn für ernste Arbeit lähmt, nur hätte mir´s leid getan, wenn so viel jungeLeute im schönsten Alter nicht verstanden hätten, ein eingeschränktes Zusammenlebenmit ein bißchen Humor und Poesie zu würzen.“ (Wildermuth 1979, S. 127) CarlLinde, der spätere Erfinder der Gefriertechnik, wehrte sich im späten 19. Jahrhundertentschieden gegen die Befürchtung seiner Mutter, er werde im „dürren Berufsalltag“den Sinn für alles Ästhetische oder Außerberufliche verlieren (Kessel 2001, S. 313).„Wie eine trockene Bohnenhülse“<strong>Info</strong> 22.Jg./Nr.30/200567

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