IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

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11.07.2015 Aufrufe

Berichte/ Beiträge aus der Universitätraums keine andere (Re)Präsentationsebene mehr zur Verfügung zu haben. Der Anspruch,all diese Ebenen kombinieren zu können, war allerdings immer gefährdet,nicht zuletzt weil Frauen im 19. und 20. Jahrhundert mit Verweis auf sogenannteweibliche Aufgaben und mitunter geradezu durch die Inszenierung „privater“ Eigenschaftendie als öffentlich charakterisierten Räume mitprägten, nicht nur in Geselligkeitund Religion, sondern auch in Vereinen (vgl. Heinsohn 1997) und in der Mädchenbildung(Kleinau/Opitz 1996).Einerseits schrieb das Modell der polarisierten Geschlechtscharaktere die Konstruktionvon Weiblichkeit als emotional und passiv und Männlichkeit als zweckrationalund aktiv fest und entsprach damit der Projektion und der Wirklichkeit der Ausdifferenzierungder Lebenssphären (wobei es seit dem späten 18. Jahrhundert die Aufgabevon Weiblichkeit war, Männlichkeit zur Ganzheit zu ergänzen). Andererseits aber bedeutetedie zugleich relationale und universale Bestimmung von Männlichkeit, dass derAnspruch, dem polaren „Geschlechtscharakter“ zu entsprechen, sich mit der ganzheitlichenVorstellung verknüpfte, dass Männer in der Lage sein sollten, Herz, Kopf undKörper harmonisch miteinander zu verbinden. Diese Konstruktion von Männlichkeit,oder besser: der schwierige Anspruch an Männer, diesem Verständnis zu entsprechen,ist bisher vornehmlich für die Zeit um 1800 herausgearbeitet worden (Herrmann1997; Epple 2003), dürfte aber auch für viele Vereine im 19. und erst recht fürmännerbündische Zusammenschlüsse im frühen 20. Jahrhundert wichtig gewesen sein.Man könnte zugespitzt formulieren, dass diese anvisierte Ganzheitlichkeit die Möglichkeitbegründete, die Moderne als männliche Welt zu denken ohne die Notwendigkeiteiner Ergänzung durch Weiblichkeit, die das Komplementärmodell immer auch barg.So lässt sich möglicherweise auch die Diskrepanz zwischen den Selbstbeschreibungender modernen Gesellschaft, welche die Ausdifferenzierung der Lebenswelten betonen,und der gleichzeitigen Obsession mit der Einheit des männlichen Subjekts erklären.Die ersehnte Einheit des männlichen Subjektes, die dessen Herrschaftsanspruchuntermauerte, war allerdings ein hoher Anspruch; die konfligierenden Anforderungenkonnten verunsichern und belasten, die Nichteinlösung des Modells – wie eingangsgezeigt – Kritik provozieren und den Herrschaftsanspruch weniger überzeugendaussehen lassen. Die Kritik bzw. die Problematik, wie ein solcher Ansprucheingelöst werden konnte, war die ganze Zeit präsent. Denn auch im späten 18. Jahrhundertkritisierten schreibende Frauen die Männer, die weder eine gelungene bürgerlicheExistenz aufbauten noch der Hoffnung ihrer Frauen auf Empfindsamkeit entsprachen(Epple 2003). Und die Kritik von Frauen mochte um so mehr treffen, wenn siedas polare Geschlechtermodell nicht grundsätzlich kritisierten, sondern das Nichteinlösenvon Männlichkeitsidealen hervorhoben, auf denen die reklamierte Autorität undHierarchie im Geschlechterverhältnis beruhte.Ein „ganzer Mann“ zu sein, konnte im Laufe des 19. Jahrhunderts Unterschiedlichesbedeuten. Isabel Hull hat darauf hingewiesen, wie unauflöslich die Dimensionendes Politischen, des Gesellschaftlichen und des Sexuellen im Entwurf von Oberschichtenmännlichkeitim 18. Jahrhundert miteinander verknüpft waren (Hull 1996). DieFähigkeit zur fröhlich-korrekten Geselligkeit wiederum gehörte zum bürgerlichen Lebensethosim 18. und im frühen 19. Jahrhundert noch selbstverständlich dazu (Schüsseler1990; Weckel u.a. 1998). Diese Wahrnehmung blieb auch erhalten, als sich diemoderne Leistungsorientierung deutlicher durchzusetzen begann. Briefe von bürgerlichenund adligen Vätern an ihre Söhne reflektierten, wie sehr ihnen bewusst war,dass die Zeit um 1800 gleichermaßen eine Phase der Umorientierung auf Ausbildungund Leistung statt Herkunft war wie eine Zeit kultureller Heroen.. Sie sorgten sichentsprechend, dass ihre Söhne in dieser Spannung eine ausgewogene Persönlichkeit64

Berichte/ Beiträge aus der Universitätraums keine andere (Re)Präsentationsebene mehr zur Verfügung zu haben. Der Anspruch,all diese Ebenen kombinieren zu können, war allerdings immer gefährdet,nicht zuletzt weil Frauen im 19. und 20. Jahrhundert mit Verweis auf sogenannteweibliche Aufgaben und mitunter geradezu durch die Inszenierung „privater“ Eigenschaftendie als öffentlich charakterisierten Räume mitprägten, nicht nur in Geselligkeitund Religion, sondern auch in Vereinen (vgl. Heinsohn 1997) und in der Mädchenbildung(Kleinau/Opitz 1996).Einerseits schrieb das Modell der polarisierten Geschlechtscharaktere die Konstruktionvon Weiblichkeit als emotional und passiv und Männlichkeit als zweckrationalund aktiv fest und entsprach damit der Projektion und der Wirklichkeit der Ausdifferenzierungder Lebenssphären (wobei es seit dem späten 18. Jahrhundert die Aufgabevon Weiblichkeit war, Männlichkeit zur Ganzheit zu ergänzen). Andererseits aber bedeutetedie zugleich relationale und universale Bestimmung von Männlichkeit, dass derAnspruch, dem polaren „Geschlechtscharakter“ zu entsprechen, sich mit der ganzheitlichenVorstellung verknüpfte, dass Männer in der Lage sein sollten, Herz, Kopf undKörper harmonisch miteinander zu verbinden. Diese Konstruktion von Männlichkeit,oder besser: der schwierige Anspruch an Männer, diesem Verständnis zu entsprechen,ist bisher vornehmlich für die Zeit um 1800 herausgearbeitet worden (Herrmann1997; Epple 2003), dürfte aber auch für viele Vereine im 19. und erst recht fürmännerbündische Zusammenschlüsse im frühen 20. Jahrhundert wichtig gewesen sein.Man könnte zugespitzt formulieren, dass diese anvisierte Ganzheitlichkeit die Möglichkeitbegründete, die Moderne als männliche Welt zu denken ohne die Notwendigkeiteiner Ergänzung durch Weiblichkeit, die das Komplementärmodell immer auch barg.So lässt sich möglicherweise auch die Diskrepanz zwischen den Selbstbeschreibungender modernen Gesellschaft, welche die Ausdifferenzierung der Lebenswelten betonen,und der gleichzeitigen Obsession mit der Einheit <strong>des</strong> männlichen Subjekts erklären.Die ersehnte Einheit <strong>des</strong> männlichen Subjektes, die <strong>des</strong>sen Herrschaftsanspruchuntermauerte, war allerdings ein hoher Anspruch; die konfligierenden Anforderungenkonnten verunsichern und belasten, die Nichteinlösung <strong>des</strong> Modells – wie eingangsgezeigt – Kritik provozieren und den Herrschaftsanspruch weniger überzeugendaussehen lassen. Die Kritik bzw. die Problematik, wie ein solcher Ansprucheingelöst werden konnte, war die ganze Zeit präsent. Denn auch im späten 18. Jahrhundertkritisierten schreibende Frauen die Männer, die weder eine gelungene bürgerlicheExistenz aufbauten noch der Hoffnung ihrer Frauen auf Empfindsamkeit entsprachen(Epple 2003). Und die Kritik von Frauen mochte um so mehr treffen, wenn siedas polare Geschlechtermodell nicht grundsätzlich kritisierten, sondern das Nichteinlösenvon Männlichkeitsidealen hervorhoben, auf denen die reklamierte Autorität undHierarchie im Geschlechterverhältnis beruhte.Ein „ganzer Mann“ zu sein, konnte im Laufe <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts Unterschiedlichesbedeuten. Isabel Hull hat darauf hingewiesen, wie unauflöslich die Dimensionen<strong>des</strong> Politischen, <strong>des</strong> Gesellschaftlichen und <strong>des</strong> Sexuellen im Entwurf von Oberschichtenmännlichkeitim 18. Jahrhundert miteinander verknüpft waren (Hull 1996). DieFähigkeit zur fröhlich-korrekten Geselligkeit wiederum gehörte zum bürgerlichen Lebensethosim 18. und im frühen 19. Jahrhundert noch selbstverständlich dazu (Schüsseler1990; Weckel u.a. 1998). Diese Wahrnehmung blieb auch erhalten, als sich diemoderne Leistungsorientierung deutlicher durchzusetzen begann. Briefe von bürgerlichenund adligen Vätern an ihre Söhne reflektierten, wie sehr ihnen bewusst war,dass die Zeit um 1800 gleichermaßen eine Phase der Umorientierung auf Ausbildungund Leistung statt Herkunft war wie eine Zeit kultureller Heroen.. Sie sorgten sichentsprechend, dass ihre Söhne in dieser Spannung eine ausgewogene Persönlichkeit64

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