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IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

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Die sarkastischen Kommentare ebenso wie die Selbstbeschreibungen trugen dazu bei,bürgerliche Männlichkeit zu konstruieren, z.T. über das Beschwören eines Ideals, z.T.durch die Beschreibung eines Defizits. Sie kreisten um ein Problem, das im 19. Jahrhundertoffenkundig systematischen Charakter hatte, um die Frage nämlich, was einen„ganzen Mann“ ausmache. Dieser Topos geistert durch das ganze Jahrhundert (fürEngland vgl. Broughton 1999), und es ist noch keineswegs ausgemacht, was er zuwelchem Zeitpunkt bedeutete. Neuere Studien haben deutlich gemacht, wie wenig daspolare Geschlechtermodell um 1800 bereits verankert war bzw. wie intensiv Männlichkeitund Weiblichkeit z.B. in Familien verhandelt wurde (Erhart/Herrmann 1997; Habermas2002; Trepp 1996). Die hier zitierten Beispiele implizieren, dass bürgerlicheMännlichkeit verschiedene Facetten integrierte, das „polare“ Modell eines zweckrationalen,berufs- und öffentlichkeitsorientierten Mannes ebenso wie die Konstruktioneines Mannes, der Zweckrationalität, Emotionalität und Empathie verband. Diese Beobachtungenkönnen systematisch auf Geschlechterkonstruktionen im 19. Jahrhundertangewandt werden.Die folgenden Überlegungen knüpfen an die Debatte über den diskursiven Entwurfder civil society an. Carol Pateman hat darauf hingewiesen, dass das Reden überdie moderne Gesellschaft immer auf zwei verschiedenen Ebenen stattfand (Pateman1988; Lan<strong>des</strong> 1988). Auf der einen Seite basierte der Entwurf der Moderne auf derOpposition zwischen öffentlicher Sphäre und privater Familie, mit den hinlänglichbekannten dichotomischen Vorstellungen von Männlichkeit als öffentlich, politischund zweckrational und Weiblichkeit als privat, nicht-politisch und emotional. Auf deranderen Seite verschob sich jedoch in dem Moment, in dem dieser „sexuelle Vertrag“(Carol Pateman) in den Gesellschaftsvertrag eingelassen war, die Art der Argumentation.Die männlichen Eliten sprachen dann nur noch über die ausschließlich männlicheSphäre und versuchten vergessen zu machen, dass es ein exkludiertes Anderesgab, das durch genau diese Exklusion das Politische als politisch und die bürgerlicheGesellschaft als öffentlich-männliche Sphäre definierte. In diesem Kontext nun meinte„öffentlich“ die „hohe“ Politik, während „privat“ nicht länger die Familie oder diesogenannte weibliche Sphäre meinte, sondern Männer im (privaten) Geschäft oderdie männlichen Privatmenschen, die Gesellschaften oder Vereine gründeten oder ihnenbeitraten.Diese doppelte Argumentationsweise, so kann man im Anschluß formulieren, bedeutetfür die Konstruktion von Männlichkeit, dass sie gleichzeitig relational und universalangelegt war, während Weiblichkeit nur relational, also nur im Verhältnis zu Männlichkeit,gefasst wurde. Für die Dichotomie öffentlich-privat ergibt sich daraus wiederum,dass nicht einfach weiblich-privat und öffentlich-männlich einander entgegengesetztwurden, sondern dass Männer die öffentliche Sphäre für sich reklamieren, aber auchim privaten Bereich zu Hause sein konnten. „Privatheit“ stand zumin<strong>des</strong>t männlichenAngehörigen der Oberschichten gleichsam in unterschiedlicher Form zur Verfügung:als „privaten“ Berufsmännern oder Vereinsangehörigen in der Öffentlichkeit und alsEhemann, Vater oder Geliebter in dem Privatraum, der als Gegensatz zur „öffentlichen“Welt konstruiert war. Männer konnten zwischen den Welten wechseln, währenddie Grenzüberschreitung für Frauen als Verstoß wider die Natur galt. Diese doppelteVerfügbarkeit bzw. auch der Anspruch, in der „öffentlichen“ Welt privat und öffentlichin verschobener Definition miteinander verbinden zu können, beruhte aber injedem Fall auf der vorhandenen, nur meist nicht thematisierten Differenz zu dem alsprivat Definierten, das nicht im öffentlichen Raum vorhanden sein sollte. Der ab demspäten 19. Jahrhundert bei hohen Beamten feststellbare Pensionsschock (Kessel 2001,S. 227-238) aufgrund der sukzessiven Einführung von beruflichen Altersgrenzen resultierteaus der oft panikartig realisierten Erfahrung, außerhalb <strong>des</strong> familiären Privat-„Wie eine trockene Bohnenhülse“<strong>Info</strong> 22.Jg./Nr.30/200563

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