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IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

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Berichte/ Beiträge aus der Universitätsenschaft und Gelehrsamkeit ohne feine Lebensart ist langweilig und pedantisch.“(Kessel 2001, S. 161) Hier klang noch die Akademikerschelte der Frühen Neuzeit mit,aber entscheidend ist, dass der Anspruch an alle Männer, ungeachtet der sozialenHerkunft, sich in einem Beruf zu plazieren, in der ersten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhundertskeineswegs die Anforderung verdrängte, auch in der bürgerlichen Geselligkeit ein angenehmerund nicht einseitiger Gesprächspartner zu bleiben.Droste-Hülshoff war keineswegs die einzige Kritikerin, welche die mangelnde Einlösung<strong>des</strong> Ideals beklagte. Auch die Schriftstellerin Ida Hahn-Hahn, im literarischenFeld <strong>des</strong> Vormärz die größte Konkurrentin von Fanny Lewald, nahm in ihrem RomanFaustine von 1840 die männliche Schulbildung und deren Auswirkungen auf die männlichePersönlichkeit aufs Korn. Die Heldin <strong>des</strong> Romans weigerte sich, ihren kleinenSohn in Deutschland aufwachsen zu lassen, weil sie ihn nicht zu einem typisch deutschenMann werden lassen wollte: pedantisch, langweilig, unbeholfen, dürr an Leibund Seele, unerquicklich wie die personifizierte Vernünftigkeit, aber höchst eitel aufseine negative Entwicklung (Hahn-Hahn 1986, S. 232).Dass Droste-Hülshoff und Hahn-Hahn damit einen Nerv trafen, verraten wiederumautobiographische Zeugnisse bürgerlicher Männer aus dem 19. Jahrhundert. Der SpitzenbeamteRudolf Delbrück, lange die rechte Hand Bismarcks, insistierte in seinenErinnerungen nicht nur darauf, dass er bei aller Konzentration auf seine zukünftigeKarriere stets fähig gewesen sei, die Gegenwart zu genießen. Er betonte außerdem,dass er sich immer mit der gerade gängigen Literatur beschäftigt habe, um bei geselligenVeranstaltungen die für sein Fortkommen richtige und wichtige Konversationmachen zu können. Dazu gehörten auch die Romane Hahn-Hahns, auch wenn sieihm nicht sonderlich gefielen (Delbrück 1905, S. 191f.). Ihn trieb natürlich der Wunschnach einer guten Karriere an, aber zumin<strong>des</strong>t führte dieser Ehrgeiz wenigstens inseinen eigenen Augen dazu, dass er einen perfekten Gesellschafter abgab. Der berühmteJurist Rudolf von Ihering zeigte noch deutlicher, in welchen Kommunikationssituationenwelche Facette seiner Persönlichkeit am besten zur Geltung gekommen sei.Bei weiblichen Briefpartnern entwarf er sich durch den typischen Gegensatz eines„gelehrten Herrn“ gegenüber einer „plaudernden Dame“. Gegenüber Männern seinereigenen sozialen Gruppe dagegen markierte er seine Persönlichkeit, indem er sichals Künstler in seiner Arbeit bezeichnete, den die Form ebenso bewege wie der Inhalt,im Gegensatz zu seinen Kollegen, die er als „Stockjuristen“ oder als an Kunst völliguninteressierte „Eisberge“ abwertete. Ein Kollege erschien als „guter, braver Philister“,der nie über das Gewöhnlichste hinausschaue (Kessel 2001, S. 173-177, Zitate S.174). Der Landrat Felix Busch wiederum bestätigte seine eigene Vielseitigkeit undUnabhängigkeit, indem er im Vergleich einen Hamburger Kaufmann als „einseitig“bezeichnete, da dieser außer seinem Geschäft alle anderen Berufe und vor allem auchästhetische Genüsse für überflüssig gehalten habe (Kessel 2001, S. 201).Hier wurde mehr verhandelt als der Unterschied zwischen Bildungs- und Wirtschaftsbürgern.Gerade wenn man die Problematik von Selbstzeugnissen einrechnet, dass sieLeben nicht nur beschreiben, sondern auch schreiben, d.h. Texte auch als eine Praxiswahrgenommen werden, mit der das eigene Leben entworfen wurde, dann präsentiertensich diese Männer so, dass sie über den Vorwurf der Einseitigkeit erhaben waren.Ihren Darstellungen zufolge bewegten sie sich gekonnt in allen Lebenswelten, undkeiner verkam zum Berufsmenschen, im Gegensatz zu denen, von denen sie sichabsetzten. Sie waren ganze Männer. Diese Distinktion funktionierte zum einen gegenüberFrauen, häufig mit dem polaren Entwurf <strong>des</strong> zweckrationalen Berufsmannes.Sie funktionierte aber gerade auch gegenüber anderen Männern, wobei in diesem Kontextin der Regel das Bild <strong>des</strong> umfassend interessierten, zwischen Welten wechselndenMannes betont wurde.62

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