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IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

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„Wie eine trockene Bohnenhülse“Martina Kessel„Wie eine trockene Bohnenhülse“Überlegungen zur Konstruktion von bürgerlicher Männlichkeitim 19. Jahrhundert 1„... außer den Thurnschen Damen betritt kein Frauenzimmer dies Haus, nur Männervon einem Schlage, Altertümler, die in meines Schwagers muffigen Manuskripten wühlenmöchten, sehr gelehrte, sehr geachtete, ja sogar berühmte Leute in ihrem Fach;aber langweilig wie der bittre Tod, schimmlig, rostig, prosaisch wie eine alte Pferdebürste;verhärtete Verächter aller neueren Kunst und Literatur. Mir ist zuweilen, als wandleich zwischen trockenen Bohnenhülsen und höre nichts als das dürre Rappeln undKnistern um mich her, und solche Patrone können nicht enden; vier Stunden mußman mit ihnen zu Tisch sitzen, und unaufhörlich wird das leere Stroh gedroschen.Nein, Schlüter, ich bin gewiß nicht unbillig und verachte keine Wissenschaft, nur weilsie mir fremd ist; aber dieses Feld ist zu beschränkt und abgegrast; das Distelfressenkann nicht ausbleiben. Was zum Henker ist daran gelegen, ob vor dreihundert Jahrender unbedeutende Prior eines Klosters, was nie in der Geschichte vorkommt, nunOttwin oder Godwin geheißen, und doch sehe ich, daß dergleichen Dinge viel graueHaare und bittre Herzen machen.“ (Böttger 1977, S. 93, kursiv i.O.)So empörte sich Annette von Droste-Hülshoff in einem ob seiner Länge berühmtgewordenen Brief an den Freund Christoph Bernhard Schlüter im November 1835über die langweiligen Akademiker, die ihren Schwager besuchten. Sie hielt sich aufSchloß Eppishausen in der Schweiz auf, das im Winter von der Außenwelt weitgehendabgeschnitten war. Die wenigen Bewohner gierten nach Unterhaltung, Droste-Hülshoffzumin<strong>des</strong>t wurde jedoch bitter enttäuscht. Sie entschuldigte sich am nächsten Tag, alssie den Brief fortführte, auf nicht weniger treffende Weise für diesen Ausbruch:„Hören Sie, bestes Herz, ich habe gestern recht ungeduldig und ungezogen geschrieben,über brave kenntnißreiche Leute, deren Beschäftigungen nie schädlich, und gewißoft nützlich sind – ..... wer sich scheut, die Spreu zu durchsuchen, der wird das darinverschüttete Korn nicht finden – Mein Münzen-Sammeln ist für Andere eben so langweilig,und kann nie nützlich in die Gegenwart eingreifen.“ (Droste-Hülshoff 1987, S.189)Briefliche Beschreibungen machten im ersten Drittel <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts schnell dieRunde. Briefe waren kein rein privates, sondern ein halböffentliches Medium, <strong>des</strong>sen<strong>Info</strong>rmationen meist in Familien- und Freun<strong>des</strong>kreisen zirkulierten. Schlüter zelebrierteDrostes Briefe geradezu, und aus diesem Brief las ihm ein Freund auf einem Spaziergangin eisiger Kälte eine Stunde vor. Die Entschuldigung mochte daher durchaus gutplaziert gewesen sein, da Droste-Hülshoff mit diesen Bemerkungen eine wesentlicheKluft zwischen Anspruch und tatsächlichem Geselligkeitsverhalten markierte. Dennes gehörte zum Idealbild eines bürgerlichen Mannes, sich in geselligen Kreisen gewandtzu bewegen, und gewandt bedeutete, wie Johann Traugott Schuster 1838 inseinen Vorschriften für den Galanthomme oder Gesellschafter, wie er sein sollte, schrieb, dassein Mann unter keinen Umständen nur seinen Beruf erörtern solle, da dies ein „üblesLicht“ auf Männer werfe (Schuster 1838, S. 45). Schuster unterschrieb damit die Maxime,die John Trusler in einem Anstandsbuch, das der Berliner Aufklärer Karl PhilippMoritz 1784 aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt hatte, so formulierte: „Wis-1Dieser Text fasst Argumentezusammen, die ich inanderen Arbeiten entwickelthabe. Vgl. daher für dieseund weitere Überlegungensowie weitere Literatur:Kessel (2001, 2003, 2004).<strong>Info</strong> 22.Jg./Nr.30/200561

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