Felizitas SagebielTabelle 1 gibt einen Überblick überdie in der zweiten Projektphase angewandtenErhebungsmethoden.In den Firmen wurden Fokusgruppendiskussionenmit Ingenieurinnenund teilstrukturierte Einzelinterviewsmit Managerinnendurchgeführt, ergänzt durch Befragungenvon PersonalmanagerInnenund BetriebsrätInnen. Interviewsmit Ingenieurinnen, die ihren Job(Firma) verlassen haben, solltenweitere Hinweise für Barrieren imBeruf geben. In einer sog. „Konfrontationsfokusgruppe“diskutiertenIngenieurinnen aus unterschiedlichenFeldern über ein vorherfestgelegtes Thema.Nach dem Samplingplan wurdenin jedem Partnerland zwei Unternehmenausgewählt: eines aus demEnergiesektor und eines aus demProduktionssektor. Eines der Unternehmensollte ein Beispiel für„gute Praxis“ sein. Kriterien für dieAuswahl waren frauen- und familienfreundlichePolitik und Maßnahmen(z.B. Möglichkeiten zur Teilzeit,Elternurlaub, Kleinkinderbetreuung),ein vergleichsweise hoherFrauenanteil und gute Aufstiegsmöglichkeiten.Fast alle der ausgewähltenUnternehmen agieren international.Von den Erhebungsmethodenwerden im Folgenden ausführlicherdie Homepageanalyse, die Fokusgruppendiskussionund das ExpertInneninterviewmit Managerinnenvorgestellt.Homepages aller einbezogenenUnternehmen (jeweils 2 von 6 Partnerländern,ohne Slowakei) wurdenauf ihre Frauenfreundlichkeit hinanalysiert, wobei die Selbstdarstellungund das Image der Firma Gegenstandder Analyse war. Einerseitswar der <strong>Info</strong>rmationsgehalt von Interesse,zum anderen die Attraktivitätder Darstellung insbesondere fürIngenieurinnen, außerdem interessierten<strong>Info</strong>rmationen über dieNachfragestruktur. Der Kriterienkatalogbeinhaltete im Einzelnen:Umfang und Art der Kooperationmit Schulen und Universität, z.B.Mentoring, Karriereplanung undNetzwerken für Studentinnen, Angebotvon Praktika und Diplomarbeiten,Maßnahmen zum Übergangvom Studium in den Beruf, spezielleAngebote für Frauen, Diversity-,Gender Mainstreaming Programme,spezielle Links für Frauen, <strong>Info</strong>rmationüber berufliche Voraussetzungenund Karriere, <strong>Info</strong>rmationüber Kinderbetreuungsinstitutionen,firmeneigene Unterbringungsmöglichkeiten,Möglichkeitenflexibler Arbeit, Weiterbildungsmöglichkeiten,Stellungnahme zur„work-life-balance“, Art und Qualitätder Bilder auf der Homepage,Geschlechterunterschiede, Altersunterschiede,Positionsunterschiede.Die Fokusgruppen fanden jeweilsmit 5-6 Ingenieurinnen einerFirma statt, die keine Personalverantwortunghatten, und wurden jeweilsdurch zwei ProjektmitarbeiterInnenmoderiert. Als biographischeDaten wurden Alter, ingenieurwissenschaftlicheAusbildung, Kinderund Arbeitszeit erfasst und obnoch weitere Ingenieurinnen in derAbteilung arbeiten. In der Diskussionwurde danach gefragt, ob undwie sich ihre Minoritätssituation imUnternehmen auf ihre Arbeit als Ingenieurinauswirkt und ob die Befragtendadurch besondere Problemeund Herausforderungen bewältigenmüssen. Diskussionsthemenwaren außerdem work-life-balance,Kultur <strong>des</strong> Unternehmens, Atmosphärean den Arbeitsplätzen, Politikder Karriereentwicklung und Bewertungdieser am Beispiel von eigenenWeiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten.Darüber hinaus solltendie frauenspezifischen Programmeder Firmen eingeschätzt werden,z.B. Diversity- und Rekrutierungsprogramme,um mittel- und langfristigmehr Ingenieurinnen zu gewinnen.Um etwas über die Interdependenzzwischen Beruf und Privatlebeneinerseits und den eventuellenweiblichen Führungsstil zu erfahren,wurden individuelle teilstrukturierteInterviews mit Ingenieurinnendurchgeführt, die eine interneUnternehmensmanagementebeneerreicht hatten. Karriere unterstützendeund -hindernde Faktoren undMöglichkeiten zu ihrer Veränderungwurden nachgefragt. Im Einzelnenwurden biographische beruflicheEntscheidungen in der Verquickungmit privaten Ereignissen und die jeweiligeZufriedenheit mit den Situationenals auch die Reaktionen vonBezugspersonen angesprochen. Erfahrungenmit und Einstellungen zuspezifischen Programmen für Frauenwaren ein weiterer Themenbereich.Zur Organisationskultur wurdenErfahrungen im Umgang mitder Minderheitensituation in einerMännerdomäne erfragt. Hierzu warenz.B. die Arbeitsatmosphäre undVorstellungen, was ein freundlichesund effizientes Arbeitsklima ausmachtund wie man es selber schaffenkann, Gesprächsgegenstand.Und die Managerinnen wurdenauch gefragt, ob die von Männerndominierte ArbeitsatmosphäreFrauen davon abhalte, eine Karriereanzustreben. Sie wurden nach derAkzeptanz im Männernetzwerk gefragt,warum es so wenige Topmanagerinnengibt und wie man dassog. „glass ceiling“ durchbrechenkann. Die Rolle der Weiterbildungfür die Karriere und Zugangsmöglichkeitenbzw. Barrieren warenein weiteres Thema. Schließlichwurde gefragt, warum Ingenieurinnenihren Beruf verlassen.Die Fokusgruppendiskussionen50
Organisationskultur und Geschlecht in den Ingenieurwissenschaften Europasmit Ingenieurinnen und die Einzelinterviewsmit Ingenieurinnen inManagementpositionen sollten derenaktuelle Situation in einer immernoch maskulinen Domäne mitmännlich geprägter Organisationskulturerfassen. PersonalmanagerInnenund BetriebsrätInnen wurdenüber die interne Unternehmungspolitikbezüglich allgemeiner Gleichstellungsmaßnahmenund speziellerKarriereförderungsprogramme befragt.Die Günde für das Ausscheidenvon Ingenieurinnen aus ihrem Berufund das Abbrechen einer Karrieresollten aus Interviews mit vierunterschiedlichen Typen von Frauenerschlossen werden. Befragt wurdeneine Ingenieurin, die später eineigenes Unternehmen gründete, eine,die Lehrerin wurde, eine, die ausprivaten familiären Gründen kündigteund eine, die arbeitslos wurdeund keinen adäquaten Job mehrfand.3. Hypothesen zum ingenieurwissenschaftlichenBeruf vonFrauenDie gesellschaftlich konstruierteZweigeschlechtlichkeit mit ihrerAuswirkung auf geschlechtliche Sozialisationund Geschlechterstereotypenbehindert entscheidend dieAufhebung der Geschlechtersegregationin Studium und Beruf. Diegeschlechtliche Konnotation <strong>des</strong>dualistischen Denkens mit der Abwertung<strong>des</strong> weiblichen Pols fundiertund legitimiert die androzentrischeneuropäischen Gesellschaften.Die Verknüpfung der Ingenieurwissenschaftenmit Männlichkeitbedeutet einerseits für vieleFrauen, die sich für den Beruf entscheiden,eine potentielle Aufwertungihrer gesellschaftlichen Position,auf der anderen Seite einenKonflikt mit ihrer erlernten Vorstellungvon Weiblichkeit. Die männlichenIngenieurwissenschaften spiegelnsich in maskulinen Organisationskulturenwider, die eine negativeAuswirkung auf Frauen haben,welche sich dadurch unzufriedenund marginalisiert fühlen (vgl. u.a.ETAN 2000). Immer wenn eine(junge) Frau eine Männerdomänebetritt, erlebt sie durch ihren Minderheitenstatusähnliche Mechanismendurch die Praxis <strong>des</strong> „doinggender“ (West/Zimmerman 1991,S. 13-37), die mit der Erfahrung <strong>des</strong>Anderssein verknüpft ist.Faulkner (2000) und andere (vgl.z.B. Cockburn 1988, Wacjman1996) haben die enge Beziehungzwischen Ingenieurwissenschaften,„Masculinity“ und Technologie aufgezeigt.Technische Kompetenzwird allgemein mit Männern assoziiertund das vorherrschende Imagevon Technik stimmt mit dem vonMännlichkeit und Macht überein.Schema 1: Hypothesen zu Ingenieurinnen im BerufDie enge Verknüpfung von traditionellerhegemonialer Männlichkeit(Connell 1999) mit dem, was das Ingenieurwesenausmacht, gilt alsHaupthindernis für die Einführungfrauenfreundlicher Arbeitsstrukturen.Dabei spielt die Polarisierungvon Weiblich-Männlich in Verbindungmit Technik eine große Rolle(vgl. McLean et al. 1996, Wajcman1996). Männlichen Ingenieurenwird eher technische Kompetenzzugeschrieben. Das bedingt, dasssich Ingenieurinnen im Beruf, obbewusst oder unbewusst, ständigmit Tendenzen zur Abwertung ihrerKompetenz – nach denen sieemotionaler, weniger analytisch undweicher als Männer seien – ausgesetztsehen und im Vergleich zu ihrenmännlichen Kollegen besondereLeistungen erbringen müssen,um dies Manko wettzumachen.Die dominante oder hegemonialeMännlichkeit (Connell 1999) bestimmtauch die Organisationskulturvon Unternehmen, die ein Arbeitsfeldfür IngenieurInnen bieten.Ausdruck findet diese Männlichkeitin der sog. „Machokultur“, die definiertist durch lange Arbeitsstunden,starken Wettbewerb, verbunden mitMangel an gegenseitiger Unterstützungund Teamarbeit.Schon der bloße Minderheitenstatuskann ein Gefühl der Margi-<strong>Info</strong> 22.Jg./Nr.30/200551