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IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

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Verhaftung in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung am Beispiel der familialen Altenfürsorgemal sagte sie schon: ‘Mama, ich kann esnicht mehr hören.’“Nach dem Tod der Oma setzt dieTochter von Frau B. eine deutlicheGrenze und erklärt, dass dieser Teilihrer Biographie jetzt abgeschlossensei. Damit schützt sich die jungeFrau auch vor der Fortsetzung der„Rolle <strong>des</strong> Elternkin<strong>des</strong>“. Schütztsich vor der überfordernden Situation,weiterhin für die Gefühlsverarbeitungder Mutter zur Verfügungzu stehen, die starke Trauer empfindet.Sie schützt sich gleichzeitig auchvor eigenen Affekten – wahrscheinlichnicht nur der demenzkrankenGroßmutter gegenüber, sondern gegenüberihrer gesamten Familie:„Das war interessant (...). Sie hat zwarhinterher immer noch wieder geträumt.Aber nach der Beerdigung sagte sie zu mir:‘So, für mich ist das jetzt abgeschlossen.’Also, sie konnte das dann doch besser verarbeitenals ich. Ich hab’ noch immer wiedermal geheult und dann vor den Kinderngeweint. Und sie hat das Bedürfnisnicht mehr so gehabt. Ich habe gelesen, dassjunge Menschen so schwere Eingriffe dochanders verarbeiten können als ältere Menschen.(…) Ich weiß nicht, ob sie das verlagern,wegdrängen oder ob sie das verarbeiten.Aber sie sagte also, mit der Beerdigungwäre für sie Schluss, so im Bewusstsein.Aber im Unterbewusstsein hat sie jaimmer wieder geträumt.“Betrachtet man das Rollenarrangementin der Familie B. genauer,dann zeigt sich innerhalb der traditionellenFamilienkultur eine besondereGeschlechterkultur. ZwischenFrau B. und ihrer Tochter entstehteine besondere Nähe. Frau B. dürftediese Kultur der Frauen bereitsaus ihrer eigenen Lebensgeschichtekennen, denn sie berichtet, dass siezwei Jahre zusammen mit ihrer Mutterden Vater gepflegt hat. Die Traditionder „lebensstarken Frauen“ist also in ihrer Familienmatrix verankert.In der Familienkultur der FamilieB. scheint die „Kategorie Geschlecht“leitend für Erwartungenin Bezug auf die innerfamiliale Solidaritätund Kameradschaft zu sein.Der Sohn von Frau B. wie auch ihrEhemann sind durch die demenzkrankeGroßmutter weniger berührt.Allerdings stellt sich die Rolle vonHerrn B. widersprüchlich dar. FrauB. betont einerseits seine Solidaritätund Unterstützung, um späteräußerst ambivalente Verhaltensweisenzu schildern. Gefragt, wie dieUnterstützung seitens <strong>des</strong> Ehemannesaussah, beschreibt sie: „Ja, zuerstin vielen Gesprächen. Also, das kommtja auch dazu, dass man so belastet vonsolchen Situationen ist, dass man sich überandere Dinge gar nicht mehr unterhält.Man unterhält sich den ganzen Tag nurnoch über die Probleme (…). Es bröckeltalles weg. Und dann hat er mich in jederBeziehung unterstützt, bei irgendwelchenWegen. Das war schon gut. Ich weiß garnicht, wenn ich alleine gewesen wäre, wasgeschehen wäre. Dann wäre sie doch wohlins Heim gekommen. Und dann hättenmeine Brüder auch nicht so viel Geld gesehen.Aber das wird nicht anerkannt.“Frau B. schildert hier zunächstvor allem die Unterstützung seitens<strong>des</strong> Ehemannes. Sie stellt dann aberfest: „Ich hätte es noch geschafft, wennich alleine gelebt hätte. Aber mein Mannkonnte bald nicht mehr. Der sagte: ‘Ichkann das nicht, mit Beruf und hier je<strong>des</strong>Wochenende das Theater.’ (…) Der fandkeinen Ausgleich. Und das ist so… Siemüssen sich vorstellen, Sie stehen zwischenmehreren Problemfeldern. (…) Sie versuchenda auszugleichen und versuchen daauszugleichen. Sie stehen immer dazwischen.Und dann sind da noch die Kinderund da versuchen Sie auch noch zu vermitteln.Sie sind ja so ein Punkt, der nachallen Seiten versucht, das Beste zu machen,damit es irgendwie geschafft wird,damit der Tag geschafft wird. So müssenSie sich das vorstellen. Das war traurig,aber wir waren auch nicht mehr dieselben.“Frau B. schildert hier, dass sie indie Rolle der Vermittlerin, <strong>des</strong> Verbindungsglie<strong>des</strong>der Familie kommt.Sie ist nicht nur diejenige, die diePflege meistert, sondern muss siezusätzlich auch legitimieren. Siesteckt einerseits in der Regressionmit ihrer Mutter und soll andererseits– ihrer Mutterrolle entsprechend– die anderen Familienmitgliederhalten. Insofern ist Frau B.die Rolle einer Empfängerin vonFürsorge weitgehend verwehrt. Un<strong>des</strong> gibt einen Mann, dem es „bisoben“ steht. Dies wird deutlich, alsFrau B. von Situationen erzählt, indenen sie überlegt hat, die Pflege abzugeben:„Ganz zum Schluss war einPunkt erreicht, wo ich nicht mehr umhingekommen wäre, sie abgeben zu müssen.Ich wollte es eigentlich immer noch durchhalten,aber ich hätte es nicht mehr geschafftund mein Mann hatte auch langsamgenug. Denn durch so einen Pflegefalltreten Situationen, Differenzen, Problemeim Partnerschaftsverhältnis auf. Dashat jetzt nichts damit zu tun, dass er michnicht unterstützt hätte, aber er hat gesagt…Ihm stand es hier (zeigt zumHals). Denn er ist beruflich sehr eingespanntund wenn er nach Hause kommtund will sich mal entspannen, war dasnicht möglich. (…) Also, meine eigeneWelt, meine Person habe ich ganz zurückgeschraubt.Die existierte gar nicht mehr.Die ganze Zeit war ich nur für sie da undfür die Familie noch.“Fazit: Wertschätzung derFürsorgeDer demografische Wandel wirdeine neue Auseinandersetzung mitweiblicher Fürsorge nötig machen.Aufgezeigt werden konnte, dass dieEntwertung der Fürsorge, ihre Definitionals Natur und damit Unsichtbarkeitin ähnliche Dilemmata führtwie die aktive Geringschätzung derFürsorge und die Ausrichtung aufdie vermeintlich bessere Alternative– Beruf, Karriere und Selbständigkeit.Die vollständige Entwer-<strong>Info</strong> 22.Jg./Nr.30/200533

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