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IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

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Verhaftung in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung am Beispiel der familialen Altenfürsorgegenauso eingespannt und eingesperrt. Ichbin monatelang nicht in B. (in der Innenstadt)gewesen. Man ist rund um dieUhr eingesperrt – mit ihr zusammen.“Frau B. kann in den Verhaltensweisenihrer Mutter keine Logik erkennen.Sie beschreibt Zirkelschlüsseund verdeutlicht, dass nicht nurdas Verhalten der Mutter „verrückt“ist, sondern auch ihr eigenes. FrauB. hat sich die Beziehung zur Muttervor allem harmonisch vorgestellt,an „Kämpfe“ scheint sie nichtgedacht zu haben. Frau B. ist sichoffensichtlich nicht darüber im Klaren,dass ihre Familienbilder undihre Phantasien über die Pflege alsetwas „Selbstverständliches“ undüber einen „schönen Lebensabend fürdie Mutter“ dieser einen festen Platzin einem bestehenden „Rollenspiel“zuweisen. Der Wunsch, die Mutterzu beschützen, kann anscheinendnur um den Preis der Kontrolle aufrechterhaltenwerden, einer Kontrolle,der sich die Mutter aber mitviel List und Eigensinn entzieht.Die Kultur der HerkunftsfamilieDie Demenz der alten Mutter hatin der Herkunftsfamilie von Frau A.zu einer ausgeprägten filialen Krisegeführt, die nicht zur Entwicklungvon mehr Generativität führt, sondernin eine Stagnation mündet. DieFrage, was denn mit der Mutter werdensoll, wenn sie nicht mehr in derLage ist, allein zu leben, hat offensichtlichdie Kinder dazu veranlasst,der Mutter zu drohen, sie ins Heimzu bringen: „Als mein Vater so starbund das mit dem Wohnungswechsel kam,da war es oft schon so weit, dass sie, (dieMutter) aggressiv und frech war, ausfallendfrech war, dass wir da schon geäußerthaben: ‘Wenn das nicht anders geht, dannmusst du ins Heim.’ Bis dahin hat siedas schon bewusst alles wahrgenommen.Aber das war dann nur so aus der Situationentstanden. Nie, dass wir uns so zusammengesetzthaben, darüber, wer das machenwill in dem Fall.“Die Familie hat auf die Demenzder Mutter mit Einschüchterung reagiert,mit starker Verleugnung derKrankheit und mit Verweigerungder Verantwortung. „Zu der Zeit hattenwir uns ständig zu Hause getroffen,wenn irgendwelche Anlässe waren usw..Aber nein, es ist nie darüber gesprochenworden.“„ Man sah es ja auch auf uns zukommen.Aber nein, nein, wir haben unskeine Gedanken darum gemacht – oderes ist auch nie gefragt worden. Wie gesagt,diese Äußerung, diese Äußerung, ‘dasssie nicht ins Heim gehen wollte’, warklar).“„Aber damals, zu der Zeit, haben wirKinder uns überhaupt keine Gedankendarüber gemacht. Wäre sicherlich sinnvollgewesen. (…) Ich glaub’, das passiert inden dümmsten Familien.“Nachdem Frau A. sich über dieseHaltung ihrer Geschwister undihre eigene Haltung mehrfach wundert,führt sie komplizierte materielleGründe an, die die Familiendynamikteilweise erhellen. Ganz offensichtlichspielt nicht verarbeiteterÄrger um das Erbe eine wichtigeRolle dafür, warum das Themader Verantwortung für die zunehmenddemente Mutter vermiedenwird. Gleichzeitig muss das „Beschweigen“der Situation der altenMutter auch im Sinne einer „Politikder Familie“ verstanden werden. Mitder Tabuisierung <strong>des</strong> Themas wirddie „Klärung <strong>des</strong> Generationenkontos“vermieden. Gerechtigkeit zwischenGenerationen und Geschlechternist nicht der Maßstabfür Aushandlungen innerhalb derHerkunftsfamilie von Frau A.. Aufdiese Weise können sich die Brüderder Verantwortung entledigen. Indemgleichzeitig der Eindruck erwecktwird, als sei es unter den Geschwisternklar, dass die Mutter insHeim geht, wenn ihre Demenz stärkerwird, begibt sich Frau A. in einBündnis mit ihren Geschwistern bezüglichder Zukunft der Mutter. DieTatsache, dass sich niemand vonden Geschwistern wirklich um dieMutter kümmern möchte, macht dieGeschwister scheinbar zu Verbündeten.Das Schweigen über das Themaverstärkt das Bündnis und institutionalisiertein Aushandlungsdefizit.Als Frau A.’s Mutter nicht mehrzu Hause leben kann, findet derenUmzug in ein Heim statt: „Dannkommt auch immer noch dazu, die finanzielleSache ist immer sehr ausschlaggebend,wenn es um die Verhandlung geht,wenn es mit dem Heim losgeht: Wer verkauftdies, wer verkauft das (…).“Die Kinder müssen nun zahlen,worauf die Brüder von Frau A. mitZorn reagieren und den Kontakt zurMutter abbrechen. Auf die Fragenach erbrechtlichen Regelungenschildert Frau A.: „Das war jetzt (beiuns) in keinster Weise geregelt! Und beiuns kam noch der Ärger dazu (…). MeinVater war selbstständig. (…) Das habendann meine beiden Brüder übernommenund die haben das in den Konkurs gewirtschaftet.Und da kommt natürlich auchnoch dazu, dass der Ärger so auf unsereBrüder ist. Ich meine, die Firma war schonziemlich groß und normalerweise hättenwir Töchter nun auch noch was kriegenmüssen. Nein. Das war natürlich jetzt allesnichts, gar nichts mehr. (…) Und wirmüssen jetzt noch trotzdem alles für meineMutter übernehmen. Deshalb ist auchnicht mehr so der Kontakt zu den Brüdern,weil die von vornherein nachher gesagthaben, sie hätten ja nichts – so ungefähr.Und wir haben nie irgendetwas vomErbe gesehen. Nur, da haben wir uns früherkeine Gedanken drum gemacht, alsalles noch normal lief.“Der Kontakt der Brüder sowohlzu den Schwestern als auch zur Mutterist abgebrochen: „Ich bin dabei undüberlege: Wenn es zum To<strong>des</strong>fall kommenwürde… Find’ ich ganz schrecklich! Tja,das müssen wir ja irgendwie regeln. Undmit meiner Schwester und mir wäre das<strong>Info</strong> 22.Jg./Nr.30/200529

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