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IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

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Verhaftung in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung am Beispiel der familialen Altenfürsorge„Dass ich nicht ins Heim müsste. Unddas noch mitbekommen würde, dass meineKinder gezwungen werden, irgendwasfür mich zu machen. Nee, da möchte ichganz unabhängig sein, dass ich denen nichtzur Last falle. Also, das geht mir permanentdurch den Kopf und da muss ich einevernünftige Regelung finden. Ich hoffe, dasses nicht so eintritt, wie bei meiner Muttermit mir. Das fände ich ganz schrecklich!Also, wenn ich von meinen Kindern abhängigwäre. Das möchte ich nicht!“Wiederum stellt Frau A. den Aufopferungs-und Ausbeutungscharakterfamilialer Altenfürsorge heraus.Für sie scheint klar zu sein,dass es sich bei der familialen Altenfürsorgeum einen „Märtyrerakt“handelt: „Und ich will jetzt ganz ehrlichsagen (…) man hätte mir das sagen können:‘Also, du kriegst eine Million, wenndu die Eltern bis zum Dings pflegst.’Selbst dann würde ich es nicht machen.(…) Dieses Eingebundensein. Ich würdeeher auf Geld verzichten und würde sagen,lass sie irgendwo in Ruhe leben. Aberden ganzen Tag so was um mich habenund eingebunden zu sein, das kann ichnicht.“Zudem reflektiert Frau A. überdie geforderte Vernunft, sich rechtzeitigin die richtigen, altersangemessenenWohnformen zu begeben,so wie es das gerontologischeWissen nahe legt und das moderneAltersleitbild fordert. Den lebensweltlichenProtest, den diese Forderungnach sich zieht, versteht FrauA. nicht. Anscheinend wider besserenWissens oder wider jede Vernunftsprechen ihre Bekannten vomUmzug in ein Betreutes Wohnen,schieben diese Entscheidung aberimmer wieder hinaus: „Ich erlebe dasbei mir im Bekanntenkreis, von meinerFreundin, die pflegt. Der Vater ist 82 Jahre,die Mutter 75. Die reden schon seit10 Jahren darüber, dass sie sich irgendwoeinkaufen wollen, wenn mal einer stirbt,dass sie dann irgendwie versorgt sind. Unddann haben die Kinder nie ‘was dazu gesagt,fanden das gut. Nur, jetzt kommtdas Alter noch mal und dass die Kindersie jetzt darauf hin ansprechen (woraufsie entgegnen): ‘Uns geht es noch ganzgut, wir können hier noch wunderbar wohnen.’“Die Erkenntnis von Frau A. istaber nicht, dass die Menschen ganzoffensichtlich nicht auf die Weise altwerden (möchten), wie es Alterssozialpolitikund Gerontologiefür sie vorsehen, sondern erstenszunächst einmal gar nicht, zweitensnur im Rahmen von vertrauensvollenAnerkennungsbeziehungen undwenn diese nicht vorhanden sind,dann zumin<strong>des</strong>t mit einem gewissenMaß an Respekt, welcher, soscheint es aus ihrer Perspektive, inunserer Gesellschaft eingekauft werdenmuss.Für Frau B. ist Fürsorge so selbstverständlichin den eigenen Alltageingebunden und so „normal“, dasssie ihr als besondere Produktivität,als Arbeit, als Wert gar nicht auffällt.Frau B. hat die geschlechtsspezifischeArbeitsteilung tief verinnerlichtund stellt zwischen ihremeigenen Bild von der Dreigenerationenfamilie,<strong>des</strong> ganzen Hauses sowie<strong>des</strong> Austausches zwischen denGenerationen und der Entwertungder Fürsorge in ihrer eigenen Familiesowie in ihrer Herkunftsfamiliekeinen Zusammenhang her. Siesorgt und pflegt, ohne sich <strong>des</strong>senkritisch bewusst zu werden odernach Gerechtigkeit zu fragen. Zupositiven Aspekten der Entscheidungzur Pflege befragt, zeichnetFrau B. ebenfalls ein Bild der dreiGenerationen als einer Familie, alseiner Einheit. Dabei spricht sie empathischaus der Perspektive derMutter: „Ja, dass es ihr eben gut tat. Hierin ihrer Welt weiterhin leben zu können.Das brauchte sie unbedingt, das tat ihrgut. Sie kannte ja den ganzen Ablauf, siewar ja da. Auch wenn sie drüben wohnte,sie kam hier ‘rüber, vier bis fünfmalwenigstens am Tag, manchmal sogar zehnmaloder so, oder sie saß im Garten. Sienahm an unserem Leben teil. (…) Sielebte ja eigentlich hier, sie schlief nur drüben.“Auch in Bezug auf sich selbst betontFrau B. ihre sorgende Verbundenheit.„Selbstverständlich“ pflegtsie zusammen mit der Mutter denVater: „Und dann hab’ ich damals mitmeiner Mutter zusammen meinen Vatergepflegt. Der lag zwei Jahre fest (...). Dannhatte meine Mutter – man kann sagen,sieben Jahre ungefähr – eine schöne Zeit.Und dann wurde sie demenzkrank.“In Bezug auf die Entwertung derFürsorge zeigt sich, dass Frau A.Fürsorge als „betüddeln“, als peinlichund nicht-emanzipiert sieht, währendsie bei Frau B. so naturhaft verstandenwird, dass darüber Unbewusstheitvorherrscht. Fürsorge istauch in der Familie B. kein Themaund wer sorgt, braucht anscheinendkeine Solidarität und Anerkennung.Der Umgang mit KrisenDie Fürsorge für einen alten Menschenist schwer erträglich, wenndieser zur Schamquelle wird. Aufdie Frage, ob es Situationen gab, indenen Frau A. die Pflege ihrer Mutterabgeben wollte, bestätigt sie dies:„Das habe ich schon oft gedacht. (…) Ja,ich hab’ den Gedanken gehabt, wenn ichwieder angerufen wurde und sie so haltnackig da durch die Gegend lief. Dannhabe ich gedacht: ‘Nein!’ Irgendwo hab’ich mich dann auch geschämt, letztendlich,weil jeder schon Bescheid wusste.“Die Krisen, die Frau A. beschreibt,werden vor allem durch diebeschämenden Verhaltensweisender Mutter hervorgerufen und dadurch,dass „jeder Bescheid wusste“. DieScham von Frau A. wird noch einmaldurch das Erleben im Altenheimgesteigert und verändert sichin eine grundsätzliche Angst vordem Alter, wohl auch, weil Frau A.sich mit den verwirrten, alten Men-<strong>Info</strong> 22.Jg./Nr.30/200527

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