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IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

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Ilse Müllnerdie (weise) Ehefrau tatsächlich alsRepräsentantin oder Verkörperungder Sophia angesehen und erfahrenwurde.“ (Schroer 1996, S. 69)Das Verhältnis zwischen denFrauen Israels und der Weisheitsgestalt,wie wir es heute rekonstruierenkönnen, ist aber nicht ungebrochen.Wenn wir Bezüge zwischender Chokmah und anderen in biblischenSchriften dargestellten Frauengestaltenfeststellen, so handelt essich auch bei diesen anderen Gestaltennicht einfach um „reale“ Frauen,sondern um literarische Darstellungen.Die Wechselwirkungen zwischenliterarisch dargestelltem und„realem“ Frauenleben sind in jederKultur höchst komplex. Die literarischenRollen erlauben uns Rückschlüsseauf von Frauen besetzteHandlungsfelder, sie repräsentierenaber auch Idealbilder einer patriarchalenGesellschaft.Für die Weisheitsgestalt ist abernoch eine weitere Brechung relevant.Ihre Züge wurzeln nicht nurin Rollenmodellen israelitischerFrauen, sie haben auch Vorbilder inder Göttinnenwelt <strong>des</strong> Alten Orients.Die personifizierte Weisheit erfährtZuschreibungen und betrittHandlungsfelder, die über die menschlicheSphäre hinausgehen. VieleAspekte der Weisheitsgestalt, die inden Ich-Reden dargestellt werden –die Existenz der Weisheit vor allemGeschaffenen (Spr 8,22-31) sei hiernur als Spitze <strong>des</strong> Eisbergs genannt– unterstreichen eher den Abstandzu menschlichen Rollenmustern alsdie Übereinstimmung mit ihnen.5. Religionsgeschichtliche undtheologische VerortungDie Gestalt der personifiziertenWeisheit ist durch ihre biblisch dargestelltenHandlungsfelder wiedurch ihre traditionsgeschichtlicheVerwurzelung der Sphäre <strong>des</strong> Göttlichenzuzuordnen. Der Topos derErsterschaffung hebt sie deutlichvon den anderen Geschöpfen ab.Insbesondere in Spr 8 steht dieWeisheit in einer engen Beziehungzu JHWH. Zwei Fragen sollen hieraufgeworfen werden:1. Wie passt diese Vorstellung in dasKonzept <strong>des</strong> biblischen Monotheismus?2. Welche Bedeutung hat die Weisheitsgestaltfür gegenwärtige Theologieund für feministische Spiritualität?Die religionsgeschichtliche Fragenach der Verortung der Weisheitsgestaltim biblischen Monotheismusführt in die nachexilische Zeit(ab 539 v.u.Z.), in der sich in der judäischenGemeinschaft Vorstellungund Praxis der AlleinverehrungJHWHs zum ausformulierten Monotheismushin entwickelt. Im Unterschiedzur Monolatrie (Verehrungeiner Gottheit, ohne dass dieExistenz anderer Gottheiten geleugnetwird) lehnt der Monotheismusdie Existenz anderer Gottheiten ab.Das ist weniger ein philosophischspekulativesProblem als eine Frageder gelebten und lebbaren Gottesbeziehung.Mit dem Monotheismusstellen sich auch manche in einempolytheistischen Denkrahmenbereits beantwortete Probleme neu– etwa die Frage nach den Wirkbereichen,die zuvor von unterschiedlichenGottheiten abgedeckt werdenkonnten und nun auf einen einzigenGott übergehen oder auch dieFrage nach dem Geschlecht derGottheit. Dabei zeigt die Entwicklung<strong>des</strong> biblischen Gottesbil<strong>des</strong> sowohlexklusive als auch integrativeZüge. Die Weisheitsgestalt steht fürdie integrativen Anteile <strong>des</strong> biblischenMonotheismus. Das Verhältniszwischen Gott und der Weisheitwird nicht exakt bestimmt. Daherist es sinnvoll, diese Gestalt der göttlichenSphäre zuzuordnen, ohneaber von einer Göttin zu sprechen.„Auch wenn sie weder mit JHWHidentisch noch gegen ihn austauschbarist, so steht sie doch in sehr großerNähe zu ihm und spiegelt eineneigenen Bereich biblischer Gotteserfahrungwider.“ (Baumann 1996,S. 148) Zudem nimmt die WeisheitZüge altorientalischer Göttinnen(etwa der Ma’at) auf. Der biblischeMonotheismus zeigt sich hier offenfür eine Figur, die vermittelndeFunktionen einnimmt und bestimmteAspekte der Gottheit hervorhebt.Sowohl die jüdische alsauch die christliche Rezeption derSophia hat diesen Strang weiter entwickelt.Im Christentum wird JesusChristus vor dem Hintergrund deralttestamentlichen Sophia gedeutet.Im Judentum sind die Tora und dieSchechinah (die Einwohnung Gottes)als Fortschreibungen der Weisheitsgestaltzu verstehen. Dabei fälltauf, dass im Judentum „anders alsbeim Bezug auf Jesus Christus imfrühen Christentum – die Erinnerungan ihre Weiblichkeit bewahrtblieb.“ (Baumann 1996, S. 140)Die Diskussion um die Rezipierbarkeitder Weisheitsgestalt in feministischerSpiritualität bewegt sichzwischen der Ablehnung der Sophiaals „Werbefigur <strong>des</strong> Patriarchats“und der Feier einer weisheitlichen„Zukunft feministischer Spiritualität“.17 Weder der eine noch der andereWeg scheint mir gangbar. Frauen,die sich den biblischen Traditionenverbunden wissen, haben gelernt,mit Ambivalenzen zu leben.Da gibt es nicht den einen heilvollenText im Unterschied zu den patriarchalenTexten, die eine frauengerechteGestalt im Gegenüber zummisogynen Gottesbild. Ausgehendvon einer Hermeneutik, die die Befreiungund das Heil-Werden imProzess <strong>des</strong> Lesens und nicht in einzelnenZügen <strong>des</strong> Texts verortet, seheich sowohl die Gefahren als auchdie Chancen der Weisheitsgestalt.20

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