11.07.2015 Aufrufe

IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

IFF Info Zeitschrift des Interdisziplinären... - IFFOnzeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ilse MüllnerSorge um Identitätsverlust prägt dieArgumentationen Esras und Nehemias– etwa, wenn davon die Redeist, Kinder von Ausländerinnensprächen nicht mehr jüdisch (Neh13,24). Das Buch Rut hingegen entwirftdas Bild einer offenen Gesellschaft,in die ausländische Frauenaufgenommen werden und diedurch diese Frauen bereichert wird.Das Sprüchebuch steigt mit derVerwendung <strong>des</strong> Begriffs nåkrijanicht in die Diskussion um dieMischehen ein, es bleibt bei seinemThema <strong>des</strong> Ehebruchs mit der Fraueines anderen Mannes. Der Textnimmt aber die negativen Assoziationen,die dieser Begriff der „Ausländerin“trägt, mit in die Argumentationhinein und lädt die Rede vonder „fremden (ehebrecherischen)Frau“ mit diesen Bildern auf.Die „fremde Frau“ wird auchtheologisch abgewertet. Zwar wirdsie nicht mit der Verehrung andererGottheiten in Verbindung gebracht,wie manche AuslegerInnenvermuten. Ihre Handlungen vermischenaber auf für das biblische Israelgänzlich unangemessene Weisedie beiden Felder Kult und Sexualität.Die fremde Frau spricht in einerIch-Rede von rituellen Vorgängenwie Mahlopfern und Gelübdenund stellt diese in unmittelbaren, sogarkausalen Zusammenhang mitsexuellen Handlungen. Der Textweckt Assoziationen <strong>des</strong> Opfermahls(vgl. Lev 3,1-17 und Lev 7,11-21), das unmittelbar auf das Opferfolgen soll. „Jedoch wird erst imVerlauf <strong>des</strong> Zitats deutlich, daß dieFrau kein Mahl anbietet, sondernden Genuß ihrer selbst. Ihre Worteerweisen sich als Lüge, als Schmeichelrede,die verführt (7,5.13). […]Der durch das Zitat intendierte Vorwurfan die ‚fremde Frau’ ist demnachdie Vermischung von israelitischerOpferpraxis und Sexualität.“(Maier 1996, S. 186)In ihrer Funktion als Gefahr fürdie jugendlichen AdressatInnen <strong>des</strong>Buchs wird die „fremde Frau“ analogzur Gruppe der frevlerischenMänner beschrieben. Beide sind bestrebt,die Lernenden auf Abwegezu führen (2,12-15.16-19). „DieMänner werden als rücksichtslose,sich auf Kosten anderer bereicherndeOberschichtsangehörige charakterisiert.[…] Sie schrecken bei ihrendunklen Machenschaften nichtvor Gewaltanwendung zurück.“(Maier 1995, S. 258f.) Es ist nichtleicht, das Sprechen dieser beidenGruppen zu durchschauen und alsLüge zu entlarven, zumal die Anziehungskraft<strong>des</strong> kritikwürdigen Handelnssteigt, wenn ganze Gruppensich so verhalten. 14 Wo immer mehrMenschen „das Verkehrte“ alsWahrheit ausgeben, fehlen die Unterscheidungskriterienfür die Lernenden,die sich doch auf den Wegder Weisheit machen sollen undwollen. Deshalb versprechen dieLehrenden, dass die Weisheit dieAngesprochenen vor beiden bewahrt,vor den „frevlerischen Männern“und vor der „fremden Frau“(Spr 2,12.16). Die Ich- bzw. Wir-Redenbeider sind so gestaltet, dass siesich eigentlich selbst <strong>des</strong>avouieren,indem sie ihre egoistischen und sogarverbrecherischen Absichten offenlegen (Spr 1,10-14; 7,14-20).In Spr 9 wird die Typologie der„fremden Frau“ noch weiter ausgestaltetund in die Metaphorik der„Frau Torheit“ überführt. DieseGestalt ist ganz gezielt als Gegenfigurzur Weisheitsgestalt gezeichnet.Spr 9,13-18 (Weisheitsgedicht überdie Frau Torheit) ist parallel aufgebautzu Spr 9,1-6 (Weisheitsgedichtüber die Frau Weisheit). Die Parallelewird durch wörtliche Wiederholungennoch unterstrichen und diebeiden Gestalten werden ähnlichcharakterisiert. Wie die Weisheit lädtauch die Torheit auf öffentlichenPlätzen in ihr Haus ein, ebenso wiedie Weisheit spricht sie die Unwissendengezielt an:„Wer einfältig ist, entferne sich hierher.“(Spr 9,4.16)Die Ähnlichkeit der beiden Gestaltenbesteht aber nur auf derOberfläche. Die Haltungen, die sieverkörpern, und das Handeln, zudem sie einladen, können unterschiedlichernicht sein. Der Weg derTorheit führt in den (sozialen) Tod,der Weg der Weisheit verspricht Leben– eine radikale Gegenüberstellung,die aus dem didaktischen Interessedieser Literatur heraus verständlichist. Die Überzeichnung,die Schwarz-Weiß-Malerei ist einMittel, um Kriterien zur Beurteilung<strong>des</strong> oft verwirrend differenziertenLebens bereit zu stellen.In der Diskussion um die Bedeutungder Weisheitsgestalt für gegenwärtigeTheologie und Spiritualitätspielt das Gegenüber zur „fremdenFrau“ eine wichtige Rolle. Im kanonischenBibeltext steht der positivenweiblichen Gestalt ein durchund durch negativ gezeichnetesPendant gegenüber. So stellt sich dieFrage, inwieweit die Weisheit die„fremde Frau“ geradezu als Negativfoliebraucht, um davor umso hellerzu leuchten. Es geht nicht an, daseine Frauenbild feministisch zu feiernund das andere zu übersehen.Zwar ist es – aus literarhistorischerSicht – wahrscheinlich, dass die Ich-Reden der Weisheit und die Lehrredenin Spr 1-9, in denen die fremdeFrau negativ charakterisiert wird,aus unterschiedlichen TradentInnenkreisenstammen (vgl. Baumann1996, S. 144). Manche AuslegerInnenziehen daraus den Schluss, „daßes möglich wird, die Weisheitsgestaltunter Absehung ihres tatsächlichen,durch ein sehr negatives Frauenbildgeprägten Kontextes zu betrachten.“(Baumann 1996, S. 146). DieserArgumentation kann ich mich16

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!